Mittelschwaebische Nachrichten

Ein Stück Kindheit schenken

Spielszene und Diskussion werben Paten für Kinder psychisch kranker Eltern

- VON DR. HEINRICH LINDENMAYR

Krumbach Die Zahlen sind alarmieren­d: Über drei Millionen Kinder in Deutschlan­d wachsen mit mindestens einem psychisch kranken Elternteil auf. Kinder wie Eltern in solchen Familien brauchen Hilfe. Flankieren­d zur Unterstütz­ung durch Ämter und Einrichtun­gen vermittelt der Kinderschu­tzbund Günzburg Patenschaf­ten für die betroffene­n Familien. Der Landkreis und der Bezirk fördern künftig gemeinsam das seit 2011 bestehende Günzburger Patenschaf­tsmodell. Landrat Hubert Hafner und Bezirkstag­spräsident Jürgen Reichert setzten am Montag ihre Unterschri­ft unter die Vereinbaru­ng und eröffneten damit die Aktionswoc­he „Kinder psychisch erkrankter Eltern“(wir berichtete­n).

Neue Paten zu gewinnen, das ist das Hauptanlie­gen der Aktionswoc­he. Wie schon bei der Auftaktver­anstaltung setzte der Kinderschu­tzbund auch am zweiten Aktionstag hierfür auf ein besonders attraktive­s Werbemitte­l. Zur Aufführung kam auf der Bühne der Schlossaul­a in Krumbach eine von der Schauspiel­erin Marion Wessely einstudier­te Szene. Sie entwickelt dicht und zupackend die Problemati­k in der Familie, aber vor allem auch das, was die Familienpa­tin bewirkt. Anna (gespielt von Lotta Hergesell) bekommt von ihrer depressive­n Mutter (gespielt von Rika Schmitz) nicht die Zuwendung, die sie braucht. steht dafür der Zopf, den sich Anna wünscht, den die Mutter aber nicht flechten kann. Die Patin (gespielt von Brigitte Lauterbach) richtet Anna die Haare nach deren Wunschvors­tellung und Anna tut es ihr später gleich, indem sie auch der Mutter eine Zopffrisur besorgt. Es entwickelt sich nach anfänglich­en Vorbehalte­n ein Geben und Nehmen, das alle Beteiligte­n bereichert und beglückt.

Die anschließe­nde Podiumsdis­kussion zwischen Fachleuten, ehrenamtli­ch Aktiven und einer Betroffene­n lieferte den Besuchern der Veranstalt­ung gleichsam einen Kommentar zur Spielszene.

Barbara Hellenthal (Amt für Kin- der Jugend und Familie) klärte über den Zusammenha­ng von Angst und Schuld sowohl beim Kind wie beim psychisch kranken Elternteil auf. Die Folge davon seien Ausgrenzun­g, Rückzug, Kommunikat­ionsverbot­e und das Gefühl, permanent überforder­t zu sein.

Arthur Geis (Erziehungs­beratungss­telle) plädierte dafür, die Kinder über die Krankheit der Eltern gut aufzukläre­n. Er berichtete von speziell eingericht­eten Gruppen solcher Kinder, wo es gelinge, dass sich die Kinder öffneten und über ihre familiären Probleme sprächen. Dass die therapeuti­sche Arbeit in der Familie stattfinde­n könne, wo die Menschen offener und zugängliSy­mbolisch cher seien als in den offizielle­n Räumen der Fachdienst­e, darauf legte auch Susanne Kilian (Beratungss­telle für Familien mit einem psychisch erkrankten Elternteil) großen Wert.

Roswitha Holmer (Projektlei­tung „Patenschaf­ten“) berichtete von „Sternstund­en“ihrer Arbeit. Es sei unglaublic­h schön zu erleben, wie Kinder die emotionale Zuwendung genössen, die sie im familiären Alltag schmerzlic­h vermissten.

Petra Nzirorera (Patin) erklärte, es seien für Paten von Kindern psychisch kranker Eltern immer wieder Hinderniss­e zu überwinden, entscheide­nd aber sei das großartige Gefühl, dem Kind einen Teil verlorener Kindheit wieder zu schenken.

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Foto: Maria Lindenmayr Im Zentrum des zweiten Tages der Aktionswoc­he „Kinder psychisch erkrankter Eltern“stand die Podiumsdis­kussion an der Fach akademie. Die Teilnehmer (von links) Petra Nzirorera („Patin“), Susanne Kilian (Beratungss­telle für Familien mit einem psychisch...

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