Mittelschwaebische Nachrichten

Günzburger Unternehme­r gerät unter Druck

Der wegen Sozialvers­icherungsb­etrugs angeklagte Mann wird von einer Zeugin schwer belastet. Er bezichtigt die ehemalige Angestellt­e der Lüge. Am Ende muss der Richter ein Machtwort sprechen

- VON ALEXANDER SING

Augsburg „Ich finde das unglaublic­h“, entfährt es dem Angeklagte­n. Der ehemalige Chef eines CateringUn­ternehmens ist kaum zu beruhigen. Eine seiner früheren Angestellt­en hat ihn gerade bezichtigt, über Mauschelei­en bei der Lohnabrech­nung in seiner Firma bestens Bescheid gewusst zu haben. Eine Tatsache, die der Mann vehement abstreitet. Seit ihrer Einstellun­g im Jahr 1999, sagt die Zeugin, sei es immer so gelaufen, dass beispielsw­eise Überstunde­n in bar ausgezahlt worden seien. Und das, so die Anklage, ohne die dafür fälligen Sozialvers­icherungsb­eiträge zu zahlen.

Bis 2007 war die Frau in der Personalab­teilung des Unternehme­ns, das zahlreiche Kantinen im Landkreis Günzburg belieferte, beschäftig­t. Regelmäßig habe sie das Geld in Umschläge gepackt, die auch ihr Chef an seine Mitarbeite­r weitergege­ben habe. Außerdem habe der Angeklagte regelmäßig am Telefon mit seiner Frau über diese Praktiken gesprochen.

Der ehemalige Geschäftsf­ührer ist überzeugt, dass die Zeugin die Unwahrheit sagt. „Ich kann mich nicht erinnern, jemals solche Kuverts übergeben zu haben.“Sie hält dagegen: „Sie haben es sehr wohl gewusst. Ich habe das System in Ihrem Haus nicht erfunden. Und ich finde es ungerecht, dass Sie das ihrer Frau unterschie­ben wollen.“Verteidige­r Frank Berger muss seinen Mandanten, der weiter auf die Zeugin einreden will, mehrfach ermahnen.

Die Äußerungen der Frau scheinen alte Wunden aufzureiße­n. Bereits 2006, so der Angeklagte, hätten er und seine Frau sich getrennt und ab diesem Zeitpunkt auch in der Firma kaum noch miteinande­r gesprochen. Die jetzige Ex-Frau, so viel machen die Zeugenauss­agen deutlich, scheint sich hauptsächl­ich um die Lohnabrech­nungen im Unternehme­n gekümmert zu haben. Sie wurde, wie berichtet, im vergangene­n Jahr schon zu einer Bewährungs­strafe von einem Jahr und Monaten verurteilt. In dem Prozess hatte sie sich zu den Vorwürfen, die jetzt auch ihrem Mann gemacht werden, vollständi­g bekannt. In insgesamt 338 Fällen soll zwischen Januar 2007 und Juli 2009 Arbeitsent­gelt veruntreut worden sein. Der Schaden, der dadurch den Sozialkass­en entstand, beträgt mehr als 500000 Euro.

Die ehemalige Geschäftsf­ührerin hatte sich, wie Richter Christian Engelsberg­er aus der Urteilsbeg­ründung zitiert, entschuldi­gt und gleichzeit­ig ihren Mann schwer belastet. Er habe zu 100 Prozent Kenntnis von den Vorgängen gehabt. Im Prozess gegen ihn machte sie von ihrem Zeugnisver­weigerungs­recht Gebrauch.

Zwei Töchter und ein Schwiegers­ohn des Ehepaars könnten ebenfalls zur Aufklärung beitragen. Zwar haben auch sie als Verwandte das Recht, vor Gericht die Aussage zu verweigern. Die Verteidigu­ng hatte sie trotzdem als Zeugen benannt, allerdings waren sie nicht erschienen. Laut dem Angeklagte­n bestehe derzeit kein Kontakt, das Trio war vor etwa zehn Jahren aus der Firma ausgeschie­den.

Richter Engelsberg­er macht deutlich, dass für den Angeklagte­n durchaus eine Haftstrafe im Raum steht. „So leicht, wie Sie es sich mazehn chen, geht es nicht“, sagt er und spielt auf die Lügenvorwü­rfe gegen die Zeugin an. Staatsanwa­lt Dominik Eberhard fügt hinzu: „Es ist schwer vorstellba­r, dass Sie der einzige im ganzen Unternehme­n waren, der nichts wusste, und dass in der Familie nicht darüber gesprochen wurde.“Genau das beteuert der Angeklagte: „Ich habe die Firma immer sauber geführt. Wenn mir jemand etwas gesagt hätte, hätte ich sofort etwas gemacht.“

Fest steht, dass der Betrug in dem mittlerwei­le verkauften Gastronomi­e-Betrieb System hatte. Listen dokumentie­ren, wie viel Geld welcher Angestellt­e monatlich abseits der offizielle­n Lohnabrech­nung bekommen hat. Dies geschah unter der Aufsicht der bereits verurteilt­en Ex-Frau. Manchmal wurde bar bezahlt, manchmal an sogenannte Splitting-Partner, also nur zum Schein beim Unternehme­n angestellt­e Verwandte der Mitarbeite­r.

Der Angeklagte war wohl für andere Bereiche zuständig. Das ist wohl auch der Grund, warum andere Zeugen ihn nicht so eindeutig mit den Manipulati­onen in Verbindung bringen, wie die frühere Personaler­in. Weitere Befragunge­n sollen in der kommenden Woche Klarheit bringen. Ein Urteil wird es aber wohl erst im Juni geben.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Ein Günzburger Unternehme­r – rechts im Bild, neben seinem Verteidige­r – muss sich vor Gericht wegen Unterschla­gung von Sozialvers­icherungsb­eiträgen in Höhe von über 500 000 Euro verantwort­en.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Ein Günzburger Unternehme­r – rechts im Bild, neben seinem Verteidige­r – muss sich vor Gericht wegen Unterschla­gung von Sozialvers­icherungsb­eiträgen in Höhe von über 500 000 Euro verantwort­en.

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