Mittelschwaebische Nachrichten

„Bitte findet Maria“

Pro Jahr werden mehr als 100 000 Kinder und Jugendlich­e als vermisst gemeldet

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Freiburg Vor vier Jahren verschwand die damals 13-jährige Maria-Brigitte Henselmann in Freiburg. Bis heute fehlt von dem Mädchen jede Spur. „Maria wird seit 1460 Tagen und Nächten vermisst“, schrieb die Mutter auf der Internetse­ite „Bitte findet Maria“. Ihre Tochter war 2013 von zu Hause abgehauen – zusammen mit einem 40 Jahre älteren Mann, den sie in einem Internetch­at kennengele­rnt hatte. Mehr als 100 000 Kinder und Jugendlich­e werden nach Angaben der „Initiative Vermisste Kinder“jedes Jahr in Deutschlan­d als vermisst gemeldet. An sie wird am 25. Mai erinnert, dem Tag der vermissten Kinder.

Die Hälfte der Fälle klärt sich laut Bundeskrim­inalamt innerhalb der ersten Woche auf, nach einem Monat sind 80 Prozent gelöst. Nur etwa drei Prozent der Vermissten sind nach einem Jahr noch verschwund­en. Zu ihnen gehört Maria. Mehr als 800 Spuren ist die Polizei bis heute nachgegang­en. „Noch immer gehen vereinzelt Hinweise ein“, sagt Polizeispr­echer Dirk Klose. Sie kommen aus der ganzen Welt. Doch oft bleiben sie unkonkret. Das letzte Lebenszeic­hen von Maria und ihrem heute 57 Jahre alten Begleiter Bernhard Haase erhielten die Ermittler im Sommer 2013. Das Kind und der Mann waren in Polen gesehen worden, beim Übernachte­n im Auto und beim Lebensmitt­eleinkauf. Hinweise gab es auch aus einem Hotel in der Slowakei. Doch danach verlor sich ihre Spur. Nach Haase wird mit internatio­nalem Haftbefehl gesucht.

Die Polizei geht von einer Liebesbezi­ehung aus. Maria folgte dem Mann freiwillig. Unklar ist aber, ob sie das noch immer tut. Strafbar hat sich Haase in jedem Fall gemacht, weil Maria noch minderjähr­ig ist. „Jeder Fall eines vermissten Kindes ist für sich dramatisch“, sagt Klose. „Die Angehörige­n leiden extrem.“Der Weisse Ring kümmert sich in Deutschlan­d um die Mütter und Väter, deren Kinder infolge einer Straftat vermisst werden. „Eltern, die ihr Kind vermissen, müssen mit extremen seelischen Belastunge­n kämpfen“, sagt Bundesgesc­häftsführe­rin Bianca Biwer. „Albträume, Depression­en, ständig kreisende Gedanken und Schuldgefü­hle sind oft ständige Begleiter.“

Jugendlich­e reißen laut Experten oft wegen Liebeskumm­er oder schlechter Schulnoten von zu Hause aus. Oder weil sie etwas verbockt haben und die Konsequenz­en fürchten. Langzeitve­rmisste seien die Ausnahmen.

Das bestätigt auch die „Initiative Vermisste Kinder“. „Dramatisch­e Fälle, die unaufgeklä­rt bleiben, bewegen sich im Jahresmitt­el im niedrigen ein- bis zweistelli­gen Bereich“, sagt Sprecher Daniel Kroll. Die allermeist­en Jugendlich­en tauchten innerhalb kürzester Zeit wieder auf. Er rät Eltern, sich trotzdem sofort bei der Polizei zu melden. „Wenn ein Kind verschwund­en ist und man das Gefühl hat, dass etwas nicht stimmt, sollte man umgehend eine Polizeidie­nststelle aufsuchen oder den Notruf wählen“, sagt er.

Maria wird im nächsten Jahr 18. Laut Polizei kann eine Vermissten­fahndung grundsätzl­ich mit Eintritt der Volljährig­keit enden, wenn die vermisste Person aus freien Stücken gegangen ist. Polizeispr­echer Klose versichert aber: „In Marias Fall werden polizeilic­he Fahndungsm­aßnahmen nach dem 18. Geburtstag aufrechter­halten.“

Christine Luz, dpa

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