Mittelschwaebische Nachrichten
Wo Männer mit der Motorsäge Scheiben schneiden
Sport Matthias Thoma aus Breitenthal ist Timbersportler. Er erklärt, welche Disziplinen ein Sportholzfäller beherrschen muss
Breitenthal In Neuseeland oder Nordamerika wäre es eine Nachricht auf der Sportseite: Matthias Thoma ist in den Landkreis zurückgekehrt, hat aber gleichzeitig seinen Abschied vom aktiven Wettkampfsport erklärt. Der selbstständige Forstwirtschaftsmeister übt eine Sportart aus, die in Deutschland ein echtes Schattendasein führt, in Neuseeland aber sehr beliebt ist: Thoma ist Timbersportler, auf Deutsch Sportholzfäller.
Natürlich ist er zu dieser exotischen Sportart über seinen Beruf gekommen. „In der Fachschule haben wir, unabhängig von den schulischen Aufgaben, kleine Wettkämpfe durchgeführt. Mein Ausbildungsmeister begeisterte mich für die Waldarbeitermeisterschaften, die in Deutschland gerade im Entstehen waren. Ich war von Anfang an dabei.“Matthias Thoma hatte die sportliche Variante der Waldarbeit schon damals regelmäßig in den Sportkanälen im Fernsehen beobachtet, wo Berichte aus den Zentren des Sportholzfällens ausgestrahlt wurden.
In Deutschland griff der Marktführer für Kettensägen die Meisterschaftsidee auf und entwickelte die „Stihl Timbersports Series“, die von Regionalausscheidungen bis zu Weltmeisterschaften reichen. Matthias Thoma lernte sie in seiner Ausbildungszeit in Ruhpolding kennen. „Die Teilnehmer müssen in sechs Disziplinen ihr Können zeigen. Der Sport hat aber nicht viel mit meiner Arbeit in unseren Wäldern gemein“, erläutert er. Historisch lässt sich der Sport auf Zeitvertreibe neuseeländischer Holzfäller im 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Die lebten oft über lange Zeit in Camps, ab- seits der Zivilisation. Dort haben sie allmählich einen Wettkampf entwickelt, in dem die Holzfäller ihre Geschicklichkeit maßen. „Man kann also durchaus behaupten, der Sport hat sich aus dem traditionellen Baumfällen mit der Axt entwickelt, hat aber inzwischen ein Eigenleben. Das Arbeiten mit der Axt hat mich besonders fasziniert. Äxte sind ja Werkzeuge, die schon seit je her genutzt wurden. Sie sind urtümlich, bestehen nur aus einem Stück Eisen und einem Stück Holz“, sagt er.
Um bei den Stihl-Meisterschaften mithalten zu können, muss ein Timbersportler unzählige Stunden trainieren. Der führende unter den etwa 20 deutschen Athleten, Dirk Braun, erklärte nach seinem Sieg, er im Sommer rund 400 Stunden trainiert. Da kann Matthias Thoma nicht mithalten. „Für mich gab es nur einmal in der Woche ein Training. Jetzt, mit meinem Beruf und zwei kleinen Kindern wird das schon zu viel. Ich muss andere Prioritäten setzen. Mit über 40 gehöre ich auch zu den Senioren, und das merkt man dann allmählich.“
Timbersport zu betreiben, ist aufwendig: Das kräftezehrende Hobby, das zudem hohe Ansprüche an die Technik stellt, erfordert eine ausgefeilte und teure Ausstattung. Auch wenn in der abschließenden Kettensägendisziplin bei den Wettkämpfen das Gerät vom Hersteller gestellt wird, muss der Athlet doch mit den richtigen Sägen trainieren. Denn bei den Schnitten kommt es auf den Zentimeter an. Das Niveau der in Deutschland noch jungen Sportart steigt ständig an und die Ansprüche an Mensch und Material wachsen mit. „Neuseeländische Spezialäxte sind extrem teuer, sie sind aber auch unglaublich scharf.“Das rund drei Kilo schwere Werkzeug muss im Wettbewerb zentimetergenau platziert werden. Dazu kommen die Sägen und vor allem das Material. „Bei den Wettkämpfen wird mit Pappelholz gearbeitet. Als hauptberuflicher Forstwirt habe ich mich natürlich immer relativ leichtgetan, Stämme zum Üben zu erschwinglichen Preisen zu finden. Das ist nicht bei jedem Sportkollegen so. Die Meisten kommen berufhabe lich aus ganz anderen Richtungen.“Das ist nicht verwunderlich, denn die Nutzung einer zwei Meter langen Säge oder das Fällen von Bäumen mit der Axt haben nichts gemein mit moderner Holzwirtschaft. Äxte werden nur noch genutzt, um einen Keil in den Stamm zu treiben oder Holz zu spalten. „Der gesamte Arbeitsablauf, die Bewegungen, die Körperbeherrschung und Geschicklichkeit sind im Timbersport völlig anders als in der Waldarbeit. Da wird nicht mehr mit der Axt entastet, und niemand verwendet mehr überlange Handsägen.“
Vielen der sechs TimbersportDisziplinen mutet etwas Archaisches an: Kraftvolle Männer bezwingen mit relativ einfachen Geräten Naturriesen, beweisen, dass sie zurechtkämen in einer Welt abseits der Zivilisation. Sie müssen nicht nur einen Baum mit der Axt fällen, sie müssen auch Höhen überwinden, indem sie Keile in Baumstämme hacken, in die Trittbretter verankert werden, um nach oben zu steigen, wo der imaginäre Baumriese nur noch 27 Zentimeter Durchmesser hat und so leichter gefällt werden kann. Auch das sekundenschnelle Fällen eines 30 Zentimeter dicken Baums mit der Axt gehört zum Wettbewerb: Der Rekord, bei dem wirklich jeder Axthieb perfekt, kraftvoll und tief sitzen muss, beträgt 20 Sekunden. Logischerweise muss der Teilnehmer dann auch noch einen am Boden liegenden Stamm mit der Axt zerteilen. Den gekonnten Umgang mit der Säge muss er mit einer zwei Meter langen Zugsäge beweisen, mit der er eine Scheibe von einem 40 Zentimeter dicken Baumstamm absägt.
Schließlich stellt der Kettensägenhersteller auch die Motorsägenkünste der Teilnehmer auf die Probe. Mit einer handelsüblichen Motorsäge müssen zwei dünne Scheiben vom Stamm abgeschnitten werden, einmal in einer Aufwärts- und einmal in einer Abwärtsbewegung. Und schließlich wird von den Wettkämpfern verlangt, mit einer 27 Kilo schweren Motorsäge ebenfalls saubere Scheiben vom Stamm zu sägen. „Natürlich geht es bei allen Disziplinen nicht nur um Präzision, sondern immer auch um Zeit.“Dem setzt sich Matthias Thoma nun nicht mehr aus, aber er bleibt seinem Sport verbunden. Und er schließt nicht aus, bei einer weiteren Aktivität der Timbersportler gelegentlich mitzumachen: Dem Showtimbern – oder wie immer man es nennt, wenn Männer Äxte schwingen.