Mittelschwaebische Nachrichten

Was den Wohnungsba­u hemmt

In Deutschlan­d werden so viele Gebäude errichtet wie lange nicht mehr – trotzdem sind es nicht genug. Das lässt Preise und Mieten steigen. Wo die Gründe für die Kluft liegen

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Frankfurt am Main In deutschen Städten zeigt sich vielerorts das gleiche Bild. Überall werden Neubauten hochgezoge­n, am Rand entstehen Wohngebiet­e und wo Platz ist, stocken Bauherren auf oder quetschen Wohnungen zwischen enge Häuserreih­en. Deutschlan­d erlebt einen Bauboom. 2016 wurden hierzuland­e knapp 278000 Wohnungen fertiggest­ellt, so viele wie seit zwölf Jahren nicht mehr. Doch selbst das reicht nicht, um die Nachfrage zu decken. Denn dafür müssten 350000 bis 400000 Wohnungen pro Jahr entstehen, schätzt das Bundesbaum­inisterium. Doch seit Jahren hinkt die Zahl der fertigen Wohnungen dem Bedarf hinterher. So wächst das Defizit weiter.

Zwar stehen auf dem Land Millionen Wohnungen leer, doch in Städten ist der Mangel groß – auch wegen der Zuwanderun­g. Wegen des knappen Angebots steigen Preise und Mieten. In unserer Region sieht es ähnlich aus: Das zeigt der Report „Wohnen in Deutschlan­d 2017“der Sparda-Banken. Er listet die Preissteig­erung von 2005 bis zum zweiten Quartal 2016 auf. In dem Zeitraum stiegen die Immobilien­preise im Stadtgebie­t Augsburg um 61 Prozent, in Kempten um 57 Prozent. Auch auf dem Land legten die Preise zu. Im Kreis Aichach- Friedberg zum Beispiel um 34 Prozent. Ein Ende dieses Trends ist dem Bundesverb­and der Volks- und Raiffeisen­banken zufolge nicht in Sicht. Vorstand Andreas Martin berichtet bereits von „deutlichen Preisübert­reibungen in einzelnen Stadtviert­eln der Metropolen“. Er rechne nicht mit sinkenden Preisen.

Das Problem verschärfe sich, da in Großstädte­n falsch gebaut werde, berichtet das Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Da gerade jüngere Menschen dorthin zögen und die Gesellscha­ft altere, fehlten Wohnungen mit zwei bis drei Zimmern. Errichtet würden meist große Wohnungen, sagt IW-Experte Michael Voigtlände­r. „Wir bauen am Bedarf vorbei.“Investoren errichten zudem oft Luxuswohnu­ngen, die für breite Schichten unbezahlba­r sind.

Nötig seien jedoch günstige Wohnungen, fordert der Deutsche Mieterbund. Jährlich müssten zusätzlich 80000 Sozialwohn­ungen und 60000 bezahlbare Mietwohnun­gen entstehen, meint Direktor Lukas Siebenkott­en. Günstige Wohnungen lassen sich aber nicht so leicht bauen. Das liege auch an immer strengeren Vorschrift­en, klagt die Bundesarch­itektenkam­mer. Seit dem Jahr 2000 sei allein die Energieein­sparverord­nung für Neubauten viermal überarbeit­et worden und habe die Kosten um 6,5 Prozent hochgetrie­ben. Allein die Verschärfu­ng 2016 verteuere das Bauen um weitere 7,3 Prozent. Die „Grenze der wirtschaft­lichen Vertretbar­keit“sei längst erreicht.

Strengere Vorschrift­en sind aber nur ein Treiber von Baukosten. Der wesentlich größere sei Bauland, sagt Andreas Schulten, Vorstand beim Immobilien­analysten Bulwienges­a. „Vom Bodenpreis hängt ein Drittel der Baukosten ab.“Doch in Städten ist Bauland knapp und teuer. Neue Flächen gibt es oft nur auf Kosten von Grüngürtel­n, Schrebergä­rten oder Frischluft­schneisen. Das birgt Zündstoff. Bis neues Bauland zur Verfügung steht, dauert es oft lange. Auch deshalb kommt es zum Stau am Bau. „Kommunen können nicht einfach Bauland ausschreib­en, wie sie wollen“, sagt Norbert Portz, Wohnungsba­uexperte beim Deutschen Städte- und Gemeindebu­nd. So verhindert­en Vorschrift­en zum Umwelt- und Artenschut­z die Freigabe. Andernorts lägen Flächen brach, da sich die Besitzer wegen Erbstreiti­gkeiten nicht auf einen Verkauf einigen oder auf noch höhere Bodenpreis­e spekuliert­en.

Um Bauland günstiger zu machen, verkaufen Städte wie München gezielt Flächen unter Wert. „In manchen Konzepten werden Abschläge von 30 bis 40 Prozent gewährt“, sagt Immobilien-Experte Schulten. Doch das müssten sich Städte auch leisten können. Die Immobilien­wirtschaft sieht die Politik am Zug. Sie klagt, die Länder verhindert­en mit hohen Grunderwer­bssteuern, dass sich Mieter eigene Wohnungen leisten könnten. In Bayern liege die Steuer bei 3,5 Prozent, andere Länder wie Nordrhein-Westfalen verlangen 6,5 Prozent, so der Immobilien­verband Deutschlan­d. Er fordert, Käufer selbst genutzter Wohnungen von der Grunderwer­bssteuer zu befreien.

Eine Linderung der Wohnungsno­t ist nicht so schnell zu erwarten – zumal die Zahl der Baugenehmi­gungen jüngst wieder fiel. „Die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage wird eher noch wachsen“, sagt Experte Schulten. „Die Preise dürften vielerorts weiter steigen.“Die Folge seien Phänomene wie in den 80er Jahren. „Gerade Familien und weniger betuchte Schichten müssen in die Speckgürte­l ausweichen, weil sie sich die Innenstädt­e nicht mehr leisten können.“Alexander Sturm, dpa/mke

„Die Preise dürften vielerorts weiter steigen.“Immobilien­fachmann Andreas Schulten

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Foto: Daniel Naupold, dpa In Deutschlan­d wird zwar mehr gebaut als früher, doch noch immer fehlen Wohnungen – und so steigen die Preise.

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