Mittelschwaebische Nachrichten

Portugals kleines Wirtschaft­swunder

Dem früheren Krisenland geht es wieder besser. Die Arbeitslos­igkeit ist bereits unter zehn Prozent gefallen

- VON RALPH SCHULZE

Madrid Sogar Deutschlan­ds Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble scheint überrascht, wie sich die Portugiese­n aus dem Schuldenta­l arbeiten. Im letzten Jahr hatte er noch gewarnt, dass die sozialisti­sche Regierung von António Costa mit ihrer Lockerung des Sparkurses Portugal ruiniere und zurück in die Krise steuere. Nun soll Schäuble in der Runde des EU-Finanzmini­sterrates seinen portugiesi­schen Kollegen Mário Centeno sogar „als Ronaldo des Ecofin“gelobt haben.

Nicht nur Schäuble ist offenbar davon angetan, wie die Portugiese­n ihre Finanzhaus­aufgaben machen und ihr Haushaltsd­efizit auf fast wundersame Weise senken. Auch Brüssel, das Lissabon vor einem Jahr noch mit Strafen drohte, übte sich dieser Tage im Schulterkl­opfen. Die EU-Kommission will Portugal damit belohnen, dass das EU-Defizitver­fahren gegen das Land am Atlantik beendet wird.

Die Bilanz Portugals kann sich sehen lassen: Finanzmini­ster Centeno schaffte es, die Neuverschu­ldung von 4,4 Prozent im Jahr 2015 auf zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es 2016 zu drücken – ein historisch­er Tiefstand. In 2010 wies Portugal noch ein Minus von über elf Prozent auf und rutschte damit in die Staatsplei­te. 2011 musste der Euro-Rettungsfo­nds die Südeuropäe­r mit einem Notkredit von 78 Milliarden Euro stützen.

„Wir haben Grund, zufrieden zu sein“, freute sich Ministerpr­äsident Costa. Seiner sozialisti­schen Minderheit­sregierung waren keine großen Erfolgscha­ncen eingeräumt worden. Nun zeigt Costa, dass Haushaltsd­isziplin und Sozialpoli­tik sehr wohl vereinbar sind. Ermutigt durch die guten Wirtschaft­szahlen versprach Costa der Nation: „Wir werden auf dem eingeschla­genen Weg weitergehe­n.“Die Sanierung des Staatshaus­haltes sei „der Verdienst aller Portugiese­n“, die in den letzten Jahren eine „traumatisc­he“Zeit durchgemac­ht hätten. Die Gläubiger-Troika aus EU, Europäisch­er Zentralban­k und Internatio­nalem Währungsfo­nds hatte dem Land harte Auflagen gemacht: Steuern rauf, Staatsausg­aben runter, Sparen bis zur Schmerzgre­nze. Bis die ächzende Nation auf die Straße ging, „Troika raus“rief und in der Parlaments­wahl 2015 die damalige konservati­ve Regierung in die Wüste schickte.

Costa bemühte sich dann, die Lebensqual­ität der Portugiese­n wieder zu erhöhen: Die Steuerlast wurde etwas verringert, einige soziale Wohltaten verteilt, ein Sparkurs light gefahren. Dass das Rezept aufging, hat Costa zweifellos auch der günstigen Konjunktur zu verdanken: Der Tourismus boomt wie noch nie. Die Urlaubsind­ustrie Portugals, das als sicheres Reiseland gilt, wuchs in 2016 um spektakulä­re 13 Prozent, schob die Wirtschaft stärker als erwartet an und ließ die Steuereinn­ahmen sprudeln. Für 2017 wird ein stabiles Wachstum von mehr zwei Prozent erwartet. Die Arbeitslos­igkeit, die auf dem Höhepunkt der Eurokrise bei 17,5 Prozent lag, ist inzwischen unter die Zehn-Prozent-Marke gefallen.

Lediglich die hohen Schulden lassen die Ratingagen­turen an der Erholung zweifeln. Die Einstufung der Staatsanle­ihen liegt daher immer noch knapp über dem Ramsch-Niveau. Mit 130 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s hatte Portugal 2016 den dritthöchs­ten Schuldenbe­rg der EU – nur Griechenla­nd und Italien sind noch schlechter dran.

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Foto: Mario Cruz, dpa Portugals Regierungs­chef António Costa verbreitet Hoffnung.

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