Mittelschwaebische Nachrichten
„Du, der bremst nicht“
Zwei Zusmarshauser erleben in ihrem Wohnzimmer, wie sich ein tonnenschwerer Lastwagen durch die Terrassentür bohrt. Schock und Schaden sind groß
Einmal in Bewegung, war der Lastzug nicht mehr zu stoppen. Der Fahrer brachte sich eilends in Sicherheit, verletzte sich dabei leicht. Und von seinem Wohnzimmer aus sah der 55-jährige Zusmarshauser, wie der Lastwagen näher und näher kam. Von seinem Standpunkt aus konnte er nicht erkennen, dass das Führerhaus verwaist war, und ahnte deshalb zunächst nichts Böses. „Ich dachte mir noch, jetzt muss er aber langsam bremsen.“Augenblicke später pflügte der führerlose Laster die Gartenböschung hinab und der Mann schrie seiner Lebensgefährtin, die ebenfalls im Wohnzimmer war, zu: „Du, der bremst nicht.“
Dann hörten sie bereits das Glas splittern. Die Frau stand an der Wand des Wohnzimmers und hielt sich instinktiv eine Einkaufstüte vors Gesicht, um sich zu schützen. Ihr Mann rannte in wilder Panik aus dem Wohnzimmer weg vom Laster durchs Haus, bis er gegen eine Wand prallte und sich dabei wehtat.
Traumatisch waren für das Paar, das noch eine Stunde vor dem Unglück mit Besuchern im Garten gesessen hatte, auch die Stunden danach. Feuerwehr, Sanitäter, THW und Polizei mühten sich auf der Unfallstelle ab, bargen den Lastwagen. Weil befürchtet wurde, dass das Haus einsturzgefährdet sein könnte, durften die beiden Zusmarshauser ihr Heim stundenlang nicht betreten. Erst nachdem ein Ingenieur grünes Licht gegeben hatte, durften sie sich wieder in ihr zerstörtes Wohnzimmer wagen.
Der führerlose Lastwagen hatte haargenau in die Terrassentüre getroffen. Ein paar Zentimeter weiter seitlich, und das tonnenschwere Gefährt hätte vermutlich an der Hauswand gravierende statische Schäden hinterlassen. Gestern war die Lücke notdürftig mit einer Holzverschalung geschlossen.
Gegenüber unserer Zeitung lobten die beiden Zusmarshauser die tolle Hilfe vonseiten des THW und der Feuerwehr. Dennoch blieb für beide noch viel zu tun. Im Wohnzimmer habe der Laster Teile der Einrichtung und Fliesen zerstört, überall lagen Glassplitter herum, die nur äußerst mühsam aufzusammeln sind. Vor rund zweieinhalb Jahren hatte das Paar den Neubau bezogen und in den vergangenen Wochen Inneneinrichtung und Gartengestaltung abgeschlossen. „Wir sind gerade erst fertig geworden,“erzählt die Frau und schaut auf die tiefen Reifenspuren, die der Laster im Garten hinterlassen hat.
Das Loblied auf die bayerische Polizei wird in den kommenden Monaten noch öfter und lauter erschallen als ohnehin üblich. Eine Leistungssteigerung von der besten zur allerbesten Polizei in Deutschland und der Welt ist zwar nicht erkennbar. Aber weil es vielleicht noch nicht jeder Wähler in Deutschland weiß, wird der bayerische Innenminister und CSU-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Joachim Herrmann, das Loblied immer wieder anstimmen. Die neueste Strophe, welche die Vorreiterrolle Bayerns untermauern soll, handelt vom „Polizei-Messenger“. Das ist eine Art WhatsApp für Sheriffs.
Herrmanns Werbestrategie ist deshalb erstaunlich, weil in der Vergangenheit ausgerechnet die Kommunikationstechnik nicht zu den Stärken der Polizei in Bayern zählte. Erst ging über Jahre hinweg mit dem Digitalfunk nix voran – nur Albanien und Bayern funken noch analog, unkten die Spötter. Dann kam endlich der Digitalfunk. Der funktionierte aber zumeist nur außerhalb von Tiefgaragen, U- und S-Bahnhöfen oder historischen Gebäuden mit etwas dickeren Mauern – von den weißen Flecken auf der Mobilfunk-Landkarte in Bayern gar nicht zu reden. Und jetzt braucht es mit dem Polizei-Messenger schon wieder eine ergänzende Technik. Man könnte durchaus den Eindruck gewinnen, dass unsere Polizei mehr dem technischen Fortschritt hinterherläuft als den Ganoven.
Apropos Fortschritt: Strafanzeigen werden von der Kripo in Bayern zwar schon auf dem Computer geschrieben. Dann aber müssen sie ausgedruckt und auf Papier zur Staatsanwaltschaft gebracht werden, wo sie erneut von Hand erfasst werden müssen. Eine Lösung für dieses Problem wurde noch nicht gefunden. Aber es wurde immerhin schon benannt. Die Experten sprechen von „Medienbruch“. Ob da mal jemand die Albaner fragen könnte, ob die schon eine Idee haben?