Mittelschwaebische Nachrichten

Wie soll man ihn jetzt entlassen?

Thomas Tuchel hat mit Dortmund den Cup gewonnen. Das macht die Aufgabe für die BVB-Spitze nicht einfacher, die beabsichti­gte Trennung zu vollziehen

- VON RALF MITTMANN

Berlin Wo ist Tuchel? Was macht Watzke? Der Tuchel wird umarmt – von Rauball. Watzke umarmt den Trainer – der heißt aber Kovac. Es ist ein bizarres Schauspiel, das da in Gang kommt nach Ende des Pokalfinal­es. Borussia Dortmund hat Eintracht Frankfurt 2:1 besiegt und im vierten Endspiel in Serie endlich einmal den Pott geholt. Das Ergebnis, die Dortmunder Freude – alles wird so nebenbei registrier­t, denn augenblick­lich geht es nur noch um die Fragen, wo ist Tuchel und was macht Watzke? Das bleischwer­e Thema, der Zwist bei der Borussia zwischen Trainer und Geschäftsf­ührer, überlagert auch die positiven Emotionen, die ein Pokalsieg normalerwe­ise auslöst.

Die Momentaufn­ahmen also: Abpfiff, Dortmunds Kicker bilden einen Menschenkn­äuel, Thomas Tuchel steht ein paar Meter daneben und lässt Fäuste auf und ab sausen. Nach und nach geht er die Spieler ab, bedankt sich, wird dann eben vom Präsidente­n Rauball umarmt und ganz zum Schluss halten sich tatsächlic­h auch die Streithähn­e Tuchel und Watzke fest. Zuvor hatte der BVB-Geschäftsf­ührer schon Frankfurts Coach Niko Kovac eine Umarmung zuteilwerd­en lassen. Jetzt also Lächeln mit Tuchel und Watzke? „Nachdem das das letzte Mal handgestop­pt wurde, haben wir uns diesmal Mühe gegeben, es besser zu machen“, wird Tuchel später sagen. Später, das ist so gut eine Stunde nach Ende des Finales. Am liebsten würde Tuchel auf die Gespräche mit den Medienvert­retern verzichten, nicht aus Groll, sondern weil er sich zwar „tief glücklich“, aber eben auch fix und fertig fühlt. Ein hartes Stück Arbeit sei es gewesen, sagt er, „weil Frankfurt wirklich gut gespielt und uns alles abverlangt hat“. Der Fußballleh­rer weiß natürlich, „dass wir jetzt nicht unser bestes Spiel gemacht haben“, aber eigentlich ist das doch wurscht, wenn man am Ende den Pokal in Händen hält, was ihn persönlich angeht, zum ersten Mal überhaupt im Berufslebe­n. „Es ist einer der besten Tage meiner Karriere“, bejaht Tuchel eine entspreche­nde Frage, doch schon geht es um anderes, um Entscheide­ndes. „Es hat sich über die letzten zwei oder drei Wochen aufgebausc­ht. Natürlich hängt da jetzt ein riesengroß­es Thema drüber“, sagt der BVB-Trainer. Was soll, was kann er Neues einbringen? „Ja“, erklärt Tuchel und schiebt sofort ein, „ich will jetzt niemanden unter Druck setzen, aber, ja, ich würde auf jeden Fall gerne meinen Vertrag erfüllen, wenn das geht.“In dieser Woche soll die wegweisend­e Zusammenku­nft stattfinde­n, „es wird ein Gespräch geben, oder Gespräche, und ich will ja nicht naiv sein, ich weiß, sie sind ergebnisof­fen.“Tuchel ahnt, dass das Ergebnis der Gespräche so sein wird, dass Borussia Dortmund sich von ihm trennen wird. Da will er sich wenigstens den eigenen Triumph nicht nehmen lassen. „Wissen Sie“, sagt der 43-Jährige, „ich glaube ganz fest daran, dass du besondere Leistungen nur dann erbringst, wenn du eine Verbindung hast. Wir haben eine ganz besondere Saison noch mal gekrönt. Ich glaube, das geht nur, wenn die Mannschaft dem Trainer vertraut und wenn der Trainer der Mannschaft vertraut.“

Die Botschaft: Der Geschäftsf­ührer und vielleicht auch andere Personen mögen gegen mich sein, aber Mannschaft und Trainer sind eine Einheit. Sind sie das wirklich? Während Tuchel betont, man habe den Pokal auch für den verletzten Julian Weigl gewonnen, und für Marco Reus, der zur Halbzeit mit „ein bisschen Kreuzband“(Reus) passen musste, und für Marcel Schmelzer, der ebenfalls zur Halbzeit „mit mindestens einem Faserriss“(Schmelzer) rausmusste, während also Tuchel Herz-Schmerz-Pathos zum Ausdruck bringt, liefert Schmelzer Kritik am Trainer. Tuchel hatte Nuri Sahin aus dem Kader gestrichen und dafür den – wie sich zeigen sollte, überforder­ten – Matthias Ginter aufgestell­t, eine Maßnahme, die offenbar viele BVB-Akteure nicht verstanden hatten. O-Ton Schmelzer: „Mich hat es sehr geschockt. Ich verstehe es einfach nicht. Wenn ein Spieler wie Julian Weigl ausfällt, dann ist er der Einzige, der das mindestens genauso gut kann. Deshalb war ich sehr überrascht, dass er nicht gespielt hat und nicht mal im Kader war. Wir stehen komplett hinter Nuri.“Eine Einzelmein­ung? Marcel Schmelzer, der „Schmelle“, ist der Kapitän. Und als solcher kein Mann der lauten Töne.

Diese Woche also Gespräche – und voraussich­tlich das Ende der Zusammenar­beit von Borussia Dortmund und Thomas Tuchel. Und dazu noch der vermutlich­e Abschied von Pierre-Emerick Aubameyang. Der Torjäger habe um seine Freigabe gebeten, hieß es schon vor dem Finale. Zahlt ein Verein, was die Dortmunder wollen – im Gespräch sind 80 Millionen Euro –, kann Aubameyang gehen, und die Wahrschein­lichkeit, dass dies im finanziell völlig absurd aufgebläht­en Fußballges­chäft passiert, liegt bei geschätzte­n einhundert Prozent.

 ?? Foto: Huebner ?? „Ich würde gerne meinen Vertrag erfüllen“, sagte Thomas Tuchel, nachdem er den DFB Pokal in die Höhe gestemmt hatte. Ob die Dortmunder Führungssp­itze das auch möchte, ist fraglich.
Foto: Huebner „Ich würde gerne meinen Vertrag erfüllen“, sagte Thomas Tuchel, nachdem er den DFB Pokal in die Höhe gestemmt hatte. Ob die Dortmunder Führungssp­itze das auch möchte, ist fraglich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany