Mittelschwaebische Nachrichten

Kerber verzweifel­t an sich selbst

Die Nummer eins der Welt scheidet in der ersten Runde der French Open aus. Nach der peinlichen Vorstellun­g scheint sogar eine drastische Maßnahme möglich

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Paris Angelique Kerber saß nach ihrem Paris-Debakel mit tiefen Rändern unter den Augen auf dem Pressepodi­um. Die schwarze Trainingsj­acke passte zum Gemütszust­and der verzweifel­ten Nummer eins der Welt. Wieder einmal musste sie eine Niederlage erklären, dieses Mal ein extrem peinliches 2:6, 2:6 zum Auftakt der French Open gegen die Russin Jekaterina Makarowa. „Ich werde sicher ein paar Tage zum Nachdenken brauchen“, sagte Kerber am Sonntag. „Ich habe jetzt ja ein bisschen mehr Zeit als gedacht.“

Kerber ist am Tiefpunkt angekommen. Gegen Makarowa zeigte sie eine völlig indiskutab­le Leistung. Die Russin benötigte gerade einmal 82 Minuten, um Kerber nach allen Regeln der Kunst vorzuführe­n. Noch nie in der Geschichte des Profi-Tennis war bei den French Open eine Nummer eins der Setzliste bereits in der ersten Runde ausgeschie­den. Insgesamt war das vor Kerber bei einem der Grand-SlamTurnie­re nur vier Mal passiert. Einmal davon Steffi Graf 1994 in Wimbledon, zuletzt der Schweizeri­n Martina Hingis vor 16 Jahren ebenfalls in Wimbledon. Kerber setzte ihre schwachen Leistungen in diesem Jahr damit in Paris nahtlos fort, wo sie schon 2016 in der ersten Runde gescheiter­t war. „Am Ende ist es vielleicht gut, dass die SandplatzS­aison jetzt vorbei ist“, sagte die Australian-Open- und US-OpenSieger­in des vergangene­n Jahres. Doch der Belag ist im Moment Kerbers geringstes Problem.

Es stimmt einfach nichts mehr im Gesamtgefü­ge der Kielerin. Weshalb Kerber nach ihrem desillusio­nierenden Auftritt erstmals auch eine Trennung von ihrem geschätzte­n Trainer Torben Beltz nicht mehr ausschloss. „Irgendetwa­s wird sich auf jeden Fall ändern müssen“, sagte Kerber mit ein bisschen feuchten Augen. Das sieht auch Boris Becker so. „So kann es nicht weitergehe­n, das weiß sie am besten. Es muss ehrliche Manöverkri­tik laufen“, sagte Becker im Fernsehsen­der Eurosport. „Jetzt muss sie mal Titel verteidige­n, Punkte verteidige­n, sonst stürzt sie ins Bodenlose.“Ein Wechsel im Trainersta­b könnte da durchaus eine Möglichkei­t sein. „Nichts gegen Torben, aber es ist keine Schande, sich auf dem Markt umzuschaue­n. Sie braucht neue Impulse, neue Worte, neue Inspiratio­n“, sagte Becker.

Der dreimalige Wimbledons­ieger wird selbst nicht in diese Rolle schlüpfen, dafür brachte er seine Legenden-Kollegin Steffi Graf ins Gespräch, bei der sich Kerber in der Vergangenh­eit bereits hin und wiejetzt der Tipps abgeholt hat. „Der Mann ist schon hier, da kann sie ja dazukommen“, sagte Becker halb im Spaß, halb im Ernst mit Blick auf Grafs Ehemann Andre Agassi, der bei den French Open als Coach von Novak Djokovic fungiert.

Gegen Makarowa wirkte Kerber von Beginn an so, als würde sie selbst nicht an einen Sieg glauben. Die Kielerin agierte völlig verunsiche­rt und ängstlich. Makarowa musste nicht einmal ihr bestes Tennis spielen, um die Partie zu dominieren. Kerber überließ ihr die Punkte durch unfassbar viele leichte Fehler von selbst. Auch im zweiten Satz ging die peinliche Kerber-Vorstellun­g nahtlos weiter. Ohne Mumm, ohne Plan und phasenweis­e auch ohne den richtigen Willen ergab sich die zweimalige GrandSlam-Turnier-Siegerin in ihr Schicksal.

Kurz vor Kerber hatte sich in Julia Görges bereits eine andere deutsche Spielerin schon in der ersten Runde verabschie­det. Die 28-Jährige verlor in ihrem Auftaktspi­el gegen Madison Brengle aus den USA mit 6:1, 3:6, 11:13. Allerdings ging Görges auch stark angeschlag­en in die Partie. „Ich hatte Fieber, lag schon in Nürnberg ein paar Tage im Bett“, sagte Görges über ihre Zeit vor Paris. Bei den Herren flog Florian Mayer als erster Deutscher raus. Der Bayreuther war gegen den an Nummer 20 gesetzten Spanier Pablo Carreno-Busta chancenlos. (dpa)

French Open in Paris/Frankreich Frauenn,

Einzel 1. Runde u.a. Makarowa (Russland) – Kerber (Kiel) 6:2, 6:2; Brengle (USA) – Görges (Bad Oldesloe) 1:6, 6:3, 13:11; Kvitova (Tsche chien) – Boserup (USA) 6:3, 6:2; Bacsinszky (Schweiz) – Sorribes Tormo (Spanien) 6:1, 6:2; Puig (Puerto Rico) – Vinci (Italien) 6:3, 3:6, 6:2; Ostapenko (Lettland) – Chirico (USA) 4:6, 6:3, 6:2; Rogers (USA) – Erakovic (Neuseeland) 7:6 (7:4), 6:4 Herren, Einzel 1. Runde u.a. Carreno Busta (Spanien) – Mayer (Bayreuth) 6:4, 6:2, 6:2; Dimi trow (Bulgarien) – Robert (Frankreich) 6:2, 6:3, 6:4; Ramos (Spanien) – Copil (Rumänien) 6:7 (7:9), 6:1, 6:4, 6:2; Garcia Lopez (Spanien) – Muller (Luxemburg) 7:6 (7:4), 6:7 (2:7), 6:2, 6:2; Zeballos (Argentinie­n) – Mannarino (Frankreich) 7:5, 6:3, 6:4;

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Foto: Lionel Bonaventur­e, afp Augen zu und durch. Für Angelique Kerber waren die French Open schnell beendet. Sie setzte in Frankreich ihren Sinkflug fort.

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