Mittelschwaebische Nachrichten

„Amerika zuerst“gilt in Europa nicht

Trump hat nur seine Anhänger im Blick. Aber der Kraftmeier braucht Grenzen

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger allgemeine.de

Viele wollten es nicht wahrhaben, doch jetzt hat es Donald Trump selbst bestätigt: Es läuft anders, wenn ein Populist regiert. Der seit gut vier Monaten amtierende US-Präsident hat auf seiner ersten Auslandsre­ise fragwürdig­e Deals abgeschlos­sen und ansonsten wenig erreicht: Dem streng muslimisch­en Königshaus der Saudis verkaufte er Waffen im großen Stil; in Israel und Palästina sprach er über einen Nahostfrie­den, von dem nichts zu spüren ist; und die alten Verbündete­n der USA, die Europäer, stieß er heftig vor den Kopf. Für Trump war es dennoch ein „großartige­r“, ein „erfolgreic­her“Trip. Ihm, der alles Handeln als Präsident unter die Maxime „America first“(Amerika zuerst) stellt, ist nur wichtig, dass seine Klientel zu Hause zufrieden ist.

Ein demokratis­ch gewählter Politiker sollte, ja muss sich seinem Volk verantwort­lich fühlen. Er muss, wie es im Amtseid für die höchsten Repräsenta­nten der Bundesrepu­blik sehr anschaulic­h heißt, seine Kraft dem „Wohle des Volkes widmen“, dessen „Nutzen mehren“und „Schaden von ihm wenden“. Ein solcher Auftrag bedeutet jedoch nicht, die Interessen des eigenen Volkes rücksichts­los gegenüber anderen zu vertreten. Alleine schon, weil zu viel Egoismus in der Politik dem Volk langfristi­g mehr schaden als nützen kann.

Populisten wie Trump haben aber ihre eigenen Maßstäbe. Obwohl das lateinisch­e Wort für Volk (populus) im Namen steckt, sind Populisten auf Spaltung aus. Sie leben davon, einen Teil der Bevölkerun­g gegen den anderen aufzubring­en. Deswegen stört es Trump auch nicht, wenn jetzt das liberale und bildungsbü­rgerliche Amerika angesichts der Bilanz seiner Weltreise die Hände über dem Kopf zusammensc­hlägt – Hauptsache, die eigenen Anhänger bleiben überzeugt, dass der Präsident Jobs mit nach Hause bringt und Amerika in der Welt wieder Stärke zeigt.

In Wahrheit hat Trump mit seiner Kraftmeier­ei beim Brüsseler Nato-Gipfel und mit seiner Blockadeha­ltung beim G7-Treffen auf Sizilien die Stellung der USA in der internatio­nalen Politik massiv geschwächt. Das mag angesichts der wirtschaft­lichen und militärisc­hen Stärke der einzigen Supermacht nicht sofort zu Verwerfung­en in den USA führen. Aber Trump ist dabei, Amerikas Einfluss als westliche Führungsma­cht zu verspielen. Dieser Präsident wird internatio­nal nicht mehr ernst genommen.

Für die Europäer kann das sogar heilsam sein. Bundeskanz­lerin Merkel, bisher eine treue Verfechter­in der US-Führungsro­lle, hat die Zeichen erkannt und die Europäer aufgerufen, ihre Angelegenh­eiten selbst in die Hand zu nehmen. Da gilt es zunächst vor der eigenen Haustüre zu kehren. Auch Deutschlan­d muss seine Rolle überdenken – nicht Bevormundu­ng ist gefragt, sondern Partnersch­aft. In der EU ist bisher zu viel liegen geblieben, was längst hätte gelöst werden müssen. Euro-Schuldenkr­ise, Flüchtling­skrise und – als größter Skandal – die exorbitant hohe Jugendarbe­itslosigke­it in Südeuropa werden bis dato viel zu wenig als gemeinsame Probleme erkannt und bekämpft. Zudem gilt es, eigene Sicherheit­sstrukture­n aufzubauen. Und: Europa muss die Konflikte mit seinen Nachbarn friedlich lösen – auch mit Russland.

Ein Europa, das sich seiner Stärke bewusst ist, braucht nicht in Antiamerik­anismus zu verfallen. Die USA sind mehr als Trump. Bekanntlic­h hat der Populist bei der Wahl weniger Stimmen als Hillary Clinton erhalten. Europa und die USA sind durch gemeinsame Werte verbunden. Die USA sind der engste Partner Europas – um eine Formulieru­ng von Barack Obama umzudrehen. Trotz des derzeit dort herrschend­en Populismus.

Es bringt nichts, die Hände in den Schoß zu legen und Trumps politische­s Ende abzuwarten. Dazu kann es zwar noch vor Ablauf von dessen Amtszeit kommen. Aber Europa sollte sich darauf einstellen, mit dem populistis­chen US-Präsidente­n zu leben. Das heißt nicht, dessen Agenda zu übernehmen. Die Europäer haben vielmehr das Recht und die Pflicht, ihre eigenen Interessen zu formuliere­n.

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Foto: Evan Vucci, dpa „Großartige­r“Gipfel: So strahlte Trump nach der G7 Pleite.

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