Mittelschwaebische Nachrichten

Rechtsextr­eme in Lederhosen

Die „Identitäre Bewegung“versammelt Neonazis, Bundeswehr-Studenten und Heimatlieb­ende. In sozialen Netzwerken gibt sich die Truppe friedlich und zivilisier­t – und ist gerade deswegen besonders gefährlich

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München Sie lichten sich im Trachtenge­wand ab, posten Bilder von Berggipfel­n oder einer zünftigen Halben am Stammtisch. Der bayerische Ableger der „Identitäre­n Bewegung“(IB) scheint in den sozialen Netzwerken beliebt zu sein. Unter Schlagwort­en wie #lederhosen­revolte präsentier­t sie sich als heimatverb­undene und vermeintli­ch friedliche Widerstand­sbewegung.

Doch die IB wird vom Verfassung­sschutz beobachtet. Sie wendet sich gegen eine angebliche Überfremdu­ng der Gesellscha­ft durch Flüchtling­e. Der Militärisc­he Abschirmdi­enst ermittelt gegen mehrere Studenten der Bundeswehr-Universitä­t in Neubiberg bei München, die Verbindung­en zu der Gruppe haben sollen. Ein Sprecher der Universitä­t bestätigt Ermittlung­en, nennt jedoch keine Einzelheit­en. Ende März ist diese Bewegung auch in Mindelheim (Landkreis Unterallgä­u) in Erscheinun­g getreten. Sechs Bekenner trafen sich auf der Mindelburg, trugen die typischen schwarzgel­ben Fahnen, gelbe Rauchbombe­n und hielten ein Banner mit der Auf- schrift „Kultur schützen statt bewundern. Remigratio­n statt Integratio­n“in eine Kamera.

Die Anhänger der Bewegung beschreibe­n sich auf ihrer FacebookSe­ite als „weder radikal noch extremisti­sch“. „Mia Bayern warn scho immer a bisserl gmiatliche­r“, liest man dort. Im Internet präsentier­en sie sich gerne mit langen Bärten, hippen Mützen und schicken Filtern auf Instagram: #ibster ist ein anderer beliebter Hashtag der IB – in Anlehnung an „Hipster“. Ein Sprecher des bayerische­n Verfassung­sschutzes warnt: „Die ‚Identitäre Bewegung‘ ist Rechtsextr­emismus in neuem Gewand.“Ihre völkische Ideologie versuche sie hinter einem studentisc­hen Auftreten und einer neuen Sprache zu verschleie­rn, die man von Rechtsextr­emisten so bisher nicht kenne.

Auf Facebook hat der bayerische Ableger mehr als 11000 Fans. Auf Instagram und Twitter sind es jeweils rund 700. Das sind im Vergleich zu anderen Bundesländ­ern auffallend viele – nur in Sachsen gibt es noch mehr. Dahinter steckt nach Überzeugun­g des bayerische­n Ver- fassungssc­hutzes vor allem eine erfolgreic­he Selbstverm­arktung. „Wir gehen davon aus, dass die IB kommerziel­le Möglichkei­ten nutzt, um ihre Inhalte stärker zu verbreiten. Durch eine scheinbar starke Reichweite wollen sie eine große Bewegung suggeriere­n“, so der Sprecher.

Zum aktiven Personenkr­eis zählen demnach nur rund 100 Personen. Darunter seien Neonazis, die früher in inzwischen verbotenen Gruppen aktiv waren. Die IB ist eine Gruppe, wie sie erst das Internet möglich gemacht hat. Rechtsextr­eme Inhalte können sich online schneller und effektiver verbreiten. „Die Schnelligk­eit der Kommunikat­ion in der digitalen Welt macht eine Überwachun­g schwierig, außerdem sinken die Hemmschwel­len“, sagt der Bamberger Politikwis­senschaftl­er Michael Görtler. Folgt man den Fans der IB Bayern bei Instagram, zeigt sich: Auch hier gibt es Neonazis, die sich offen als „Nationalso­zialisten“, „Revisionis­ten“oder „arische Soldaten“bezeichnen. #wehrteuch ist ein weiterer beliebter Hashtag.

In den vergangene­n Wochen mauerten Mitglieder nicht nur den Eingang des bayerische­n Flüchtling­srats in München ein Stück weit zu. Sie unterstütz­ten auch den Versuch, mithilfe eines kleinen Boots die Seenotrett­ung von Flüchtling­en im sizilianis­chen Küstenort Catania zu blockieren. Anhänger der IB versuchten außerdem, ins Bundesjust­izminister­ium einzudring­en. „Die ‚Identitäre Bewegung‘ hat ein klares rechtsextr­emes Verständni­s“, sagt der Rechtsextr­emismusfor­scher Hajo Funke. Weil die Anhänger ihren Anschluss ans bürgerlich­e Spektrum nicht verlieren wollten, riefen sie nur indirekt zur Gewalt auf. Dadurch seien sie besonders gefährlich – „jedenfalls so lange, bis das nicht von allen erkannt wird.“Lisa Forster, dpa

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Foto: Screenshot Facebook Auf Facebook sind die „Identitäre­n“sehr aktiv. Experten sagen, so solle eine große Bewegung suggeriert werden.

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