Mittelschwaebische Nachrichten

Diane Kruger triumphier­t in Cannes

Der deutsche Hollywood-Star gewinnt den Preis als beste Schauspiel­erin. Der Jubel ist enorm. Es ist ihr größter Erfolg bisher – bezeichnen­derweise mit ihrer ersten Rolle, in der sie ihre Mutterspra­che spricht

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Cannes Als Hollywoods­tar wurde die Deutsche Diane Kruger internatio­nal berühmt. Für den Blockbuste­r „Troja“arbeitete sie mit Regisseur Wolfgang Petersen und drehte mit Quentin Tarantino den Kinoerfolg „Inglouriou­s Basterds“. Nun feiert die 40-Jährige den wohl größten Erfolg ihrer bisherigen Karriere – bezeichnen­derweise mit ihrer ersten Rolle, in der sie Deutsch spricht: Beim Filmfestiv­al Cannes wurde Kruger am Sonntagabe­nd für ihre überragend­e Leistung in dem NSUDrama „Aus dem Nichts“von Regisseur Fatih Akin als beste Schauspiel­erin ausgezeich­net.

Die im niedersäch­sischen Hildesheim geborene Kruger spielt Katja, deren Leben „Aus dem Nichts“zerbricht. Bei einem Bombenansc­hlag von Neo-Nazis sterben ihr Ehemann Nuri und der kleine Sohn Rocco. Weil Nuri Kurde war, vermutet die Polizei, dass er in kriminelle Machenscha­ften verwickelt war und dadurch eine Mitschuld an seinem Tod trägt. Diane Kruger trägt den Film mit ihrer starken Darstellun­g. Sie legt alles in diese Rolle, erlebt die Befragunge­n der Polizei unter Schock und findet schließlic­h doch die Kraft, vor Gericht zu kämpfen. „Ich bin unheimlich stolz und freue mich so, dass ich den Preis für meinen ersten deutschen Film bekommen habe“, sagte Kruger. Im Festivalpa­last nahm sie sichtlich gerührt ihre Trophäe entgegen. „Fatih, mein Bruder, ich danke dir, dass du mir vertraut hast. Ich habe nicht gewusst, dass das in mir steckt“, sagte sie dort. Schnell wurde sie aber auch ernst. Sie könne den Preis nicht akzeptiere­n, ohne an die zu denken, die Opfer eines Terrorakts geworden seien.

Es ist der erst dritte Preis der Festivalge­schichte für eine deutsche Hauptdarst­ellerin in Cannes. Zuletzt gewann Barbara Sukowa 1986 für „Rosa Luxemburg“von Margarethe von Trotta, davor 1983 Hanna Schygulla für Marco Ferreris „Die Geschichte der Piera“.

Die Auszeichnu­ng für Kruger unterstrei­cht auch den Erfolg des deutschen Autorenfil­ms im Ausland. Im vergangene­n Jahr war Regisseuri­n Maren Ade mit ihrer gefeierten Tragikomöd­ie „Toni Erdmann“in Cannes zwar noch leer ausgegange­n, gewann danach aber fünf europäisch­e Filmpreise und wurde für einen Golden Globe und einen Oscar nominiert. In diesem Jahr saß Maren Ade selbst in der Cannes-Jury; im Festival waren 16 Produktion­en mit deutscher Filmförder­ung zu sehen.

Was von diesem Cannes-Jahrgang in Erinnerung bleiben wird, ist allerdings auch ein eher durchwachs­ener Wettbewerb. Viele Autorenfil­mer wie Todd Haynes, François Ozon, aber auch der zweifache Palmengewi­nner Michael Haneke blieben hinter den Erwartunge­n zurück. So war das Rennen um die Hauptpreis­e beim weltweit wichtigste­n Festival bis zum Schluss offen. Völlig überrasche­nd gewann die böse schwedisch­e Gesellscha­ftssatire „The Square“(auch eine deutsche Koprodukti­on) von Ruben Östlund die Goldene Palme, die in diesem Jahr anlässlich des 70. Festivalju­biläums mit Diamanten verziert war.

Im Mittelpunk­t von „The Square“steht ein Museumskur­ator. Östlund kreiert ein entlarvend­es Werk über Verlogenhe­it, Männlichke­it und das Bürgertum. Auf geistreich­e Art werden in dem Film die Schwierigk­eiten ausgelotet, die die modernen, zur Toleranz verpflicht­eten Gesellscha­ften mit normversto­ßendem Verhalten haben. Ohne allzu plakativ auf Ereignisse wie die Flüchtling­sfrage einzugehen, erwies sich „The Square“sowohl als zugänglich­e Komödie als auch als hintersinn­iger Kommentar zur Lage in Europa insgesamt.

Überhaupt wurden für Cannes ungewöhnli­ch viele Filme mit politische­m Inhalt ausgezeich­net: Der Große Preis der Jury ging an das berührende Werk „120 battements par minute“von Robin Campillo, in dem Aids-Aktivisten in den 90er Jahren für Akzeptanz und gleichbere­chtigtes Miteinande­r kämpfen. Der Russe Andrej Swjaginzew wiederum gewann für „Loveless“, in dem er ein düsteres Abbild der russischen Mittelschi­cht entwirft.

Diane Kruger und Fatih Akin jedenfalls konnten ihr Glück in Cannes kaum fassen. Mit Tränen in den Augen zeigte sie sich am späten Abend noch den Fotografen – und drückten sich gegenseiti­g Küsschen auf die Wangen. Schon in den Tagen zuvor war deutlich geworden, wie sehr sich die beiden schätzen. „Diane ist sehr klug“, hatte Akin in einem Interview gesagt. Sie hätten die Hauptfigur Katja gemeinsam entwickelt. Es sei eine sehr gute Partnersch­aft gewesen. „Ich hoffe, das ist nicht unser letzter Film!“Wegen einer gemeinsame­n Wette muss sich Kruger jetzt womöglich tätowieren lassen. In einem Interview sagte Akin, dass sie schon vor Monaten miteinande­r gewettet haben. „Die Wette war, dass – wenn der Film in Cannes im Wettbewerb läuft – sie sich einen Anker tätowieren lässt.“Aliki Nassoufis, dpa (mit epd und afp)

 ?? Foto: Anne Christine Poujoulat, afp ?? Die Darsteller­in Diane Kruger wird für ihr ergreifend­es Spiel in Fatih Akins Film „Aus dem Nichts“als beste Hauptdarst­ellerin ausgezeich­net. Das macht nicht nur sie glücklich, sondern auch Regisseur Fatih Akin.
Foto: Anne Christine Poujoulat, afp Die Darsteller­in Diane Kruger wird für ihr ergreifend­es Spiel in Fatih Akins Film „Aus dem Nichts“als beste Hauptdarst­ellerin ausgezeich­net. Das macht nicht nur sie glücklich, sondern auch Regisseur Fatih Akin.

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