Mittelschwaebische Nachrichten
Wahl: Parteien setzen auf Kandidatenbesuche
Die SPD holt Martin Schulz in die Region – wohin genau, ist noch unklar. Und die Ulmer CDU hat Kanzlerin Angela Merkel um Visite gebeten. Ob das erneut klappt, scheint ungewiss
Illertissen Der Machtwechsel im Kanzleramt ist bei der Bundestagswahl im September möglich – davon geht man jedenfalls im Illertisser SPD-Ortsverband aus. „Martin Schulz ist der richtige Mann“, sagt Kasim Kocakaplan, der Vorsitzende der örtlichen Genossen – ungeachtet sinkender Umfragewerte des zuerst groß gefeierten Kandidaten und der Schlappe bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen, wobei die rot-grüne Landesregierung abgestraft wurde. An der Basis werde man Schulz und die SPD im Wahlkampf nach Kräften unterstützen, sagt Kocakaplan. Und er hofft dabei auf Unterstützung von der Parteispitze – durch einen Besuch des Spitzenkandidaten. „Das wäre eine tolle Sache“, sagt der Illertisser Orts-SPDChef. Und hat schon eine Vorstellung: „Ulm ist durchaus ein Pflaster, auf dem man sich blicken lassen sollte.“Mehr als Wünsche äußern kann Kocakaplan jedoch wohl nicht: Die Organisation solcher Besuche liegt beim Wahlkreisbüro in Neu-Ulm.
Dort herrscht zumindest in einer Sache Klarheit: „Schulz kommt auf jeden Fall in die Region“, sagt Bundestagsabgeordneter Karl-Heinz Brunner auf Anfrage unserer Zeitung. Allerdings sei noch nicht klar, wohin genau. „Feinplanungen gibt es noch nicht.“Ob Schulz nun Ulm besuche, Neu-Ulm oder einen Ort in Richtung Memmingen (denn auch ein Teil des Unterallgäus gehört neben dem Landkreis Günzburg zum Wahlkreis Neu-Ulm) sei offen. Solche Touren von Spitzenkandidaten vor Wahlen hält Brunner für wichtig. „Die Menschen sollten ihre Politiker hautnah erleben, nicht nur im Fernsehen oder im Internet.“
Bei der hiesigen SPD gehören Besuche von Kanzlerkandidaten in der Region zum guten Ton: Städte wie Ulm und Augsburg seien bei den Rundreisen „normalerweise mit dabei“, sagt Patrick Steiner, Mitarbeiter im SPD-Wahlkreisbüro. Er verweist auf die Visite von Peer Steinbrück Mitte September 2013. Der (später bei der Wahl unterlegene) Kandidat hatte sich vor 1500 Zuhörern auf dem Münsterplatz kämpferisch gegeben, Fragen der Anwesenden beantwortet – und auch profunde Ortskenntnis bewiesen. Dass das Münster mit 161 Metern den höchsten Kirchturm der Welt hat, wusste Steinbrück, anders als der CDU-Moderator des Merkel-Auftritts zwei Wochen zuvor.
Und vier Jahre davor war der jetzige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, damals noch als SPDKanzlerkandidat, im August im Rahmen seiner „Sommerreise“vor Ort. Er machte Halt bei dem Schmiermittelproduzenten Liqui Moly in Ulm, wo er mit Unternehmer Ernst Prost über Sozialpartner- schaft und betrieblichen Erfolg sprach.
Zurückhaltung herrscht offenbar bei der politischen Gegenseite: Dass Kanzlerin Angela Merkel im Wahlkampf auf der bayerischen Seite vorbei schaut, sei „nicht vorgesehen“, heißt es auf Anfrage aus dem CSU-Büro für den Wahlkreis NeuUlm. Man verweist darauf, dass die CDU-Spitzenfrau erst kürzlich in der Gegend war: Mitte April nahm Merkel im baden-württembergischen Heidenheim an einem Empfang für ehrenamtlich tätige Bürger teil. Flankierend gehörten Besuche von Spitzenpolitikern zum Wahlkampf dazu, sagt CSU-Bundestagsabgeordneter Georg Nüsslein. „Das schafft Aufmerksamkeit.“
Auch wenn es nicht die Kanzlerin selbst ist – prominente Politiker sollen in den kommenden Wochen im Wahlkreis Neu-Ulm durchaus zu sehen sein. Nüsslein hat etwa den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann, Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe eingeladen. Doch das entbinde Ortsverbände nicht von „engagiertem Straßenwahlkampf“mit Sachthemen, sagt Nüsslein. „Wir müssen auf die Leute zugehen.“
Was einen etwaigen Besuch der Kanzlerin angeht, schauen die Bayern über die Donau hinüber nach Ulm und auf die dortige CDU. Die war zuletzt recht fleißig und geschickt, wenn es darum geht, Angela Merkel vor Bundestagswahlen für ein Gastspiel zu gewinnen. In der Donaustadt sind ihre Auftritte fast schon Tradition: 2005, 2009 und 2013 sprach Merkel auf dem Münsterplatz, jeweils vor tausenden Zuschauern. Auch heuer sei die Kanzlerin „angefragt“, ist aus dem Wahlkreisbüro von CDU-Bundestagsabgeordneter Ronja Kemmer zu erfahren. Ob erneut ein Besuch zustande kommt, ist allerdings noch unklar. Im Büro gibt man sich bescheiden: „Frau Merkel kann auch nicht überall sein.“