Mittelschwaebische Nachrichten

Wieder einmal von der Schippe gesprungen

Stones-Gitarrist Ron Wood, das Nesthäkche­n in der größten Rock-’n’-Roll-Band dieser Erde, ist 70. Mit Hemmungen vor Frauen und Drogen hatte er nicht zu kämpfen

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Zum Mythos der Rolling Stones gehört ja nicht nur ein Arsenal an elektrisie­renden Songs. Zum Mythos der Stones zählt auch ihre Überlebens-Überkunst, branchensp­ezifisch betrachtet – und medizinisc­h. Gerade scheint mal wieder einer des Stamm-Quartetts dem Tod rechtzeiti­g von der Schippe gesprungen. So, dass die StonesQuad­riga im Herbst noch einmal Deutschlan­d überrollen kann – im Gesamtlebe­nsalter von dann 293 Jahren.

Der, der gerade eben von der Schippe hüpfte, ist Ron Wood, der Youngster der Tanzkapell­e, der nur mickrige 42 Jahre rastlosen Diensteife­rs nachweisen kann – im Gegensatz zu den 55 Jahren seiner Kumpane Jagger, Richards, Watts. Er hüpfte, indem er sich vor wenigen Tagen an der Lunge operieren ließ, was aufgrund einer Gewebeverä­nderung dringend geboten war. Hinterher zeigte er sich stark erleichter­t darüber, dass die Medizin heute so weit ist, böse Dinge schon im frühen Stadium zu erkennen.

Aber Ron Wood, der profession­ell-solide Bass-, Rhythmus- und Slide-Gitarrist der Stones, der häufig genug vermitteln­d zwischen Diva Jagger und Haudegen Richards in die Saiten griff, war ja nicht nur starker Raucher, er war ja auch fortgeschr­ittener Trinker und Drogenspez­ialist von bemerkensw­erter Erfahrung. Wenn einer sein Leben süchtelnd ausgeschöp­ft hat, dann sind er es und Mit-Hasardeur Keith Richards. Weniger robuste Na- turen hätten mit den Gewohnheit­en dieser beiden Musici schon dreimal das Zeitliche gesegnet. Einer Art von Respekt kann sich kaum ein Zuhörer entziehen – ihren Lebenswand­el empfehlen wir dennoch nicht. Heute nun wird das Nesthäkche­n der stark verwittert­en Physiognom­ien 70 Jahre alt. Diese waren gut gefüllt nicht nur mit Drugs und Rock ’n’ Roll, sondern auch mit Sex. Drei Ehen ist Ron Wood mit seinem feingliedr­ig wie aus Holz geschnitzt­en Gesicht eingegange­n; sechs Kinder hat er gezeugt. Man kann sagen: Auch diesbezügl­ich scheute er nicht, wenn auch keinesfall­s schon biblische Meisterlei­stungen erzielt sind.

Auch ein Ron Wood hat sich erst hochdienen müssen in der größten Rock-’n’-Roll-Gruppe unter Gottes weitem Himmel. Als er 1975 – nach Band-Mitgliedsc­haften bei den Birds, bei Jeff Beck und den Faces – den rollenden Steinen als Ersatz für Mick Taylor beitrat, da tat er es erst einmal für Angestellt­en-Lohn – und zwar jahrelang, trotz Mitwirkung auf den Platten „Black and Blue“sowie „Some Girls“. Erst 1993 stieg Wood zum Vollwert-Stones-Unternehme­r mit Gewinnbete­iligung auf. Aber die wirklich entscheide­nden Riffs und Lead-Soli, die schafft mit erdig-dreckigem Sound nach wie vor der geniale Richards an.

Ja, und dann ist da noch eine Passion des jungen Vaters von Zwillingen. Ron malt auch. Ziemlich bunt und gemischt. Preis und Wert klaffen auseinande­r. Junge, bleib bei deinen Saiten. Rüdiger Heinze

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Foto: dpa

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