Mittelschwaebische Nachrichten

Eine Maut für alle Europäer – geht das überhaupt?

Einige Länder verlangen bereits eine Pkw-Maut für ihre Autobahnen, andere wie Deutschlan­d bereiten sich gerade darauf vor. Doch die Systeme unterschei­den sich. Das will die EU-Kommission bis spätestens 2028 ändern

- VON MIRJAM MOLL

Brüssel Es war ein mit Spannung erwarteter Vorschlag, den die EUKommissi­on gestern präsentier­te. Denn vorab hatte das Gerücht die Runde gemacht, die Brüsseler Behörde wolle eine EU-weite Maut einführen. Was wirklich hinter dem Vorschlag steckt und welche Konsequenz­en das für deutsche Autofahrer haben könnte, erklären wir hier.

Kann die EU-Kommission überhaupt eine EU-weite Maut vorschreib­en?

Nein. Diese Kompetenz liegt bei den Mitgliedst­aaten. Sie bleiben nach wie vor die Alleinbest­immenden über die Nutzungsre­chte ihrer Straßen. Die EU-Behörde kann lediglich versuchen, die Regierunge­n zu einem gemeinsame­n System zu bewegen.

Wie soll das denn aussehen?

Bislang gibt es unterschie­dliche Straßennut­zungsgebüh­ren – teilweise verlangen Mitgliedst­aaten streckenbe­zogene Maut, andere geben Vignetten aus. Die EU-Behörde möchte das vereinfach­en und erreichen, dass die Länder, die Gebühren erheben, dies europaweit nach demselben Schema tun. Als Grundlage dafür ist das sogenannte Nutzerprin­zip vorgesehen – wer mehr fährt, soll also auch mehr zahlen.

Warum soll sich etwas ändern?

Mit den bisherigen unterschie­dlichen Systemen soll Schluss sein. Die Idee: eine Straßennut­zungsgebüh­r nach dem Vorbild der vielerorts bereits digitalisi­erten Lkw-Maut zu erheben. Davon könnte auch der Verbrauche­r profitiere­n. Dieser bräuchte dann nicht mehr unterschie­dliche Vignetten besorgen, wenn er beispielsw­eise über Österreich und Slowenien nach Kroatien in den Urlaub fährt.

Aber wird dadurch nicht alles teurer?

Das ist sehr wahrschein­lich. Denn genau das will die EU erreichen – um einen größeren Anreiz für umweltfreu­ndliche Fortbewegu­ngsmittel zu setzen. So ist unter anderem vorgesehen, dass Elektroaut­os einen Rabatt von 75 Prozent erhalten, wenn sie auf mautpflich­tigen Straßen unterwegs sind. Alle anderen Pkw sollen gemäß ihrer Emissionsk­lasse entspreche­nd mehr kosten.

Wie soll das funktionie­ren?

Als Vorbild könnten die bereits bestehende­n Euroklasse­n für Fahrzeuge gelten, nach denen momentan die Umweltplak­etten ausgegeben werden. Kritiker bemängeln allerdings, dass eine solche Klassifizi­erung mit entspreche­nd gestaffelt­en Vignettenp­reisen einfacher umzusetzen wäre. Die Brüsseler EU-Kommission will von diesem System aber wegkommen.

Warum denn?

Zum einen, weil zeitlich befristete Straßennut­zungsgebüh­ren ausländisc­he Autofahrer gegenüber einheimisc­hen normalerwe­ise benachteil­igen: Kurzzeitpi­ckerl sind ja meist im Verhältnis zu Jahresvign­etten deutlich teurer. Zum anderen, weil sie die tatsächlic­hen Emissionen, die Umweltvers­chmutzung und auch die Häufigkeit der Nutzung nicht berücksich­tigen.

Sollen Vignetten also komplett abgeschaff­t werden?

Langfristi­g ja, aber nicht sofort. Die Kommission sieht Übergangsf­risten vor. Für Lastwagen sollen bis 2023, für alle anderen Fahrzeuge bis 2027 die Vignetten abgeschaff­t und durch ein nutzungsbe­zogenes Mautsystem ersetzt werden.

Was bedeutet das für die deutschen Mautpläne?

Deutschlan­d könnte das geplante System einer Jahresgebü­hr sowie Kurzzeitvi­gnetten für ausländisc­he Pkw-Halter wie geplant einführen, müsste es aber bis zum Ende der Übergangsf­rist wieder einstampfe­n. Entscheide­n müssen darüber aber die Mitgliedst­aaten (siehe oben) – und ob die sich darauf einigen können, scheint im Augenblick fraglich.

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Foto: Sebastian Kahnert, dpa Auf Europas Autobahnen gelten unterschie­dliche Mautsystem­e. Die EU will dem nicht mehr lange tatenlos zuschauen.

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