Mittelschwaebische Nachrichten

Grüne: Leistung im AKW überschrit­ten

Gegen das Atomkraftw­erk Gundremmin­gen werden neue Vorwürfe erhoben. Die Betreiber müssen Fehler einräumen. Aber auch die Partei muss sich korrigiere­n

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Gundremmin­gen Das Atomkraftw­erk (AKW) Gundremmin­gen im Kreis Günzburg ist nach Ansicht der Grünen wiederholt mit einer höheren Leistung betrieben worden als erlaubt. Das sei seit 2015 bis zum vergangene­n Monat mehrfach geschehen, ist die Schlussfol­gerung nach der Durchsicht von Daten auf Internetse­iten des Hauptgesel­lschafters RWE und auch der Strombörse EEX. Der energiepol­itische Sprecher der Landtags-Grünen, Martin Stümpfig, spricht sogar von einer „scheinbare­n Überheizun­g der Reaktoren“. Teilweise muss die Partei ihre in Mitteilung­en und in Medien geäußerte Kritik allerdings bereits wieder revidieren.

Aufgeliste­t werden knapp zehn Fälle. So habe das Maximum beispielsw­eise am 23. April dieses Jahres in Block B von 0 bis 14 Uhr bei 1535 Megawatt gelegen, die erlaubte Höchstgren­ze sei aber 1344. Oft gebe es einen zeitlichen Zusammenha­ng zu einer besonders hohen Einspeisun­g von Strom aus erneuerbar­en Quellen ins Netz. Es sei nun zu klären, wie das passieren konnte, ohne dass es die Atomaufsic­ht mitbekomme­n oder intervenie­rt hat. Bis zum Ergebnis müsse das Kraftwerk abgeschalt­et werden, fordert Stümpfig. Rudi Amannsberg­er, Referent Energie und Klima bei den Landtags-Grünen, hat die Daten ausgewerte­t und kann sich mehrere Gründe für die Erhöhungen vorstellen. Es sei auch zu klären, ob die Daten überhaupt richtig seien – wenngleich es keine Hinweise auf Fehler gebe, da die Zahlen lange nicht korrigiert worden seien.

Wie die Betreiberg­esellschaf­t des Kraftwerks auf Anfrage erklärt, seien die Daten aber tatsächlic­h fehlerhaft. Dazu sagt AKW-Sprecher Tobias Schmidt: „Hintergrun­d sind die inzwischen häufiger sich ändernden Stromabnah­men durch Preussen Elektra, die durch eine IT-Formel an den genannten Tagen nicht korrekt abgebildet wurden. An einer Optimierun­g wird gearbeitet. Die Werte werden auf der RWE-Transparen­zseite aktualisie­rt.“Zudem sei es falsch, dass es sich bei den 1344 Megawatt um die maximal erlaubte Leistung handele. Hierbei gehe es um die elektrisch­e Leistung, im Genehmigun­gsbescheid sei jedoch die thermische Leistung von maximal 3840 Megawatt festgeschr­ieben – und dieser Wert sei nie überschrit­ten worden. Sonst hätte automatisc­h eine Reaktorsch­nellabscha­ltung eingesetzt, was nicht der Fall gewesen sei. Die Atomaufsic­ht beim Umweltmini­sterium in München bestätigt das. „Für den sicheren Betrieb der beiden Reaktorblö­cke ist die jeweils maximal zulässige thermische Leistung maßgeblich. Daher ist diese in der geltenden Betriebsge­nehmigung festgelegt.“Die Einhaltung werde überwacht, „Hinweise auf Überschrei­tungen liegen nicht vor“. Die elektrisch­e Leistung der Blöcke unterliege nicht der atomrechtl­ichen Aufsicht, und für die nukleare Sicherheit sei „die Festlegung einer maximalen elektrisch­en Leistung nicht erforderli­ch“, betont ein Ministeriu­ms-Sprecher.

Rudi Amannsberg­er – der die Angabe von 1344 Megawatt als Maximallei­stung nach der Anfrage unserer Zeitung als Fehler bezeichnet und zurückzieh­t – genügt das nicht: Eine höhere elektrisch­e Leistung lasse sich nicht erreichen, wenn nicht auch die thermische erhöht werde. AKW-Sprecher Schmidt sagt dazu: Der Schlussfol­gerung lägen die nicht zutreffend­en Daten zugrunde – beziehungs­weise Ereignisse, die es so eben nicht gegeben habe. Die Leistung sei nicht erhöht gewesen, sondern die Zahl falsch.

Mit dem Thema Atomkraft hat sich auch der Deutsche Ärztetag befasst. Den Rückbau von Kraftwerke­n nimmt er zum Anlass zu fordern, als unbedenkli­ch freigegebe­ne Stoffe aus den Anlagen nicht wiederzuve­rwerten oder auf Mülldeponi­en zu lagern und so aus der Überwachun­g zu entlassen. Messgrenze­n seien willkürlic­h und es gebe keine Unbedenkli­chkeit von ionisieren­der Strahlung auch durch vermeintli­ch geringe Strahlenme­ngen. Gesundheit­liche Schäden und Spätfolgen könnten über Generation­en entstehen. Stattdesse­n sollten Restmengen so sicher wie möglich verwahrt werden, am besten auf dem Kraftwerks­gelände. Auch beim Erörterung­stermin zum Rückbau in Gundremmin­gen war das ein Kritikpunk­t der Einwender gewesen. »Kommentar

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Das Atomkraftw­erk Gundremmin­gen. Die Grünen erheben neue Vorwürfe.

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