Mittelschwaebische Nachrichten

Wie Facebook der Mutter helfen könnte

Nach dem Tod einer 15-Jährigen entbrennt ein Streit über digitalen Nachlass. Es geht um Datenschut­z und das Recht der Erben. Ein Kompromiss wäre denkbar

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger allgemeine.de

Eine Mutter ist auf der Suche nach den Gründen für den Tod ihrer Tochter. Das 15-jährige Mädchen war im Dezember 2012 in Berlin vor eine U-Bahn gestürzt. Bis heute konnte nicht geklärt werden, ob der tragische Fall ein Suizid war oder ein Unfall.

Weil sich die Lebenserfa­hrungen vor allem junger Menschen heute in den sozialen Netzwerken spiegeln, will die Mutter im FacebookKo­nto ihrer Tochter nach Hintergrün­den suchen. Doch Facebook weigert sich und nun hat das Berliner Kammergeri­cht der US-Datenkrake auch noch recht gegeben.

Man muss sich nur in die Lage der Berliner Mutter versetzen, um zu verstehen, welche Schmerzen dieses Urteil auslöst. In dem Facebook-Konto ihrer minderjähr­igen Tochter stehen vermutlich alle Antworten auf die quälenden Fragen nach dem Tod des Kindes. War es ein Mobbing-Opfer? Hatte das Mädchen versteckte Depression­en? Liebeskumm­er? Oder gab es nichts dergleiche­n? Das ließe auf einen Unfall schließen.

Der reale Nachlass des Kindes lag vermutlich im Zimmer des Mädchens. Frei zugänglich für die Eltern, die auch die Erben sind. Vielleicht gab es dort ein paar Briefe. Viel Aufschluss werden sie nicht gebracht haben. Denn der Postverkeh­r der Generation Internet läuft über digitale Medien wie den Facebook-Messenger.

Doch Facebook weigerte sich aus Datenschut­zgründen, der Mutter das Konto zu öffnen. Der Schutz der Privatsphä­re der Chat-Partner des Mädchens wog für die Manager schwerer als das Interesse der Mutter. Das ist schwer erträglich.

Schon der Facebook-Hinweis auf Datenschut­z ist eine Frechheit. Als die Amerikaner 2014 den Messenger-Konkurrent­en WhatsApp kauften, versprach die Firma, keine Profile zur Verbesseru­ng der Datenquali­tät abzugleich­en. Später tat Facebook das doch. Die EU-Kommission verhängte wegen dieser Datenschut­zlüge eine Strafe in Höhe von 110 Millionen Euro.

Doch im Berliner Fall entdeckt das Unternehme­n plötzlich seine Liebe zum Datenschut­z. Und das Gericht unterstütz­t diese Doppelmora­l mit Hinweis auf das Telemedien­gesetz.

Nein. Im Sinne der Erben des digitalen Nachlasses braucht es rasch klare Regelungen für den Zugang zu Mails und anderen Nachrichte­n des Verstorben­en. Selbstvers­tändlich muss auch die Privatsphä­re Dritter beachtet werden. Ein Kompromiss könnte sein, dass soziale Netzwerke verpflicht­et werden, die Partner privater Chats zu anonymisie­ren. So würde der Inhalt der digitalen Unterhaltu­ngen für die Erben verfügbar, der Name nicht.

Technisch wäre das sicher denkbar. Doch Facebook und Co. würde das nicht gefallen. Denn der Aufwand wäre beträchtli­ch. Angeblich stirbt weltweit alle zwei Minuten ein Facebook-Nutzer.

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Foto: Andrea Warnecke, dpa Für Profile Verstorben­er gibt es den Gedenkzust­and. Nutzer können noch Beiträge hinterlass­en, andere Interaktio­nen sind nicht möglich.

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