Mittelschwaebische Nachrichten

Musik hat die „Schwalbe“wieder beflügelt

Vor 250 Jahren erstmals erwähnt, vor 90 Jahren von Claudia Smalkos Familie gekauft und vor zehn Jahren wiedereröf­fnet: Das Haus in der Tellerstra­ße hat Vergangenh­eit – und Zukunft

- VON REBEKKA JAKOB

Burgau Luise und Anton Mayer haben sich schick gemacht. Ist ja schließlic­h auch ihre Hochzeit, für die die beiden da vor der Kamera stehen. Von ihrem Schwarz-WeißFoto aus haben sie jetzt, 100 Jahre nach der Aufnahme, einen guten Blick auf ihre Enkelin Claudia, die gerade in die Tasten des weißen Klaviers greift und Lieder aus der Jugendzeit ihrer Großeltern spielt, begleitet von ihrem Mann Michael, der im Nebenzimme­r zur Gitarre singt. In wenigen Minuten werden die beiden lächelnd aufstehen und kurz danach mit Tabletts voller Getränken wieder hinter der Theke in der „Schwalbe“hervorkomm­en. Denn die gefühlvoll­e Hausmusik machen sie nicht für sich allein, sondern für ihre Gäste in dem altehrwürd­igen Gasthaus.

Für die Burgauer ist die „Schwalbe“ein Stück Tradition. Die erste urkundlich­e Erwähnung stammt aus dem Jahr 1767, vor 250 Jahren also. Josef Seiff hieß damals der Wirt. Die Besitzer wechselten im Laufe der Jahre, doch die „Schwalbe“blieb die „Schwalbe“. Ein Ort, an dem sich gerne auch mal Honoratior­en wie Graf Schenk von Stauffenbe­rg, Hans Joachim Baron von Stetten und Georg Freiherr von Freyberg zum traditione­llen „Schneckenb­all“ an Aschermitt­woch einfanden. Für Claudia Smalko ist die Schwalbe ihr Zuhause. Vor 90 Jahren, im April 1927, kauften ihre Großeltern Anton und Luise Mayer die Gastwirtsc­haft. Die Tochter der beiden, Helma, wurde hier geboren, und arbeitete auch nach ihrer Hochzeit mit Ludwig Joachim unter der Woche in Burgau. Als ihr Mann plötzlich starb, blieb sie mit Tochter Claudia bei den Eltern. Und als Helma Joachim 1985 die „Schwalbe“von ihrem Vater übernahm, blieb das Haus in Familienha­nd.

Es war eine große Sorge, die Helma Joachim damals vor elf Jahren umtrieb. „Die ,Schwalbe’ stirbt aus“, sagte sie ihrer Tochter immer wieder. Die betagten Stammgäste kamen irgendwann nicht mehr in das kleine Burgauer Traditions­gasthaus. Tochter und Schwiegers­ohn konnten sich nicht so recht mit dem Gedanken an ein Leben als Wirtsleute anfreunden. Was also tun? Sollte sie schließen? Die Wirtschaft verpachten? Es war kein Geringerer als Udo Jürgens, der Claudia Smalko und ihren Mann Michael auf die Idee brachte, die heute die „Schwalbe“am Leben gehalten hat. „Wir sind beide große Fans und waren auf einem Konzert. Da entstand der Gedanke, in der Schwalbe Musikabend­e zu organisier­en.“Claudia Smalko erzählte ihrer Mutter von der Idee – und die war sofort begeistert. „Sie hat mich immer wieder gefragt, wann wir damit anfangen.“

Doch dann kam erst einmal alles anders. Helma Joachim starb im Januar 2006 in dem Haus, in dem sie geboren wurde. Die Tat eines Unbekannte­n ist bis heute nicht aufgeklärt. Eine Tragödie, die das Ende für das Traditions­lokal hätte bedeuten können. Gut ein Jahr blieb das Lokal geschlosse­n. Doch die Liebe zu ihrer Mutter, zur „Schwalbe“und zur Musik wurde für Claudia und Michael Smalko zur Therapie. „Als meine Mutter gestorben war, wusste ich, dass ich die Idee mit den Musikabend­en für sie umsetzen musste“, sagt die langjährig­e Kirchenmus­ikerin und Chorleiter­in. Ihr Mann Michael hat jahrelang Tanzmusik gemacht, sogar bei der eigenen Hochzeit mit seiner Band gespielt. Und Sohn Elias, damals noch sechsjähri­g, machte von Anfang an einfach mit. Gemeinsam gestaltete die Familie die „Schwalbe“neu. Michael verbrachte unzählige Stunden beim Abschleife­n und neu Bemalen der Holzvertäf­elungen und Bänke. Am 18. April 2007 übernahm das Ehepaar offiziell das Lokal.

Seitdem gibt es fast jeden Freitag zwischen Oktober und Mai Livemusik. Mal Rock und Pop, mal Schlagerpa­rty, mal eine Hommage an Udo Jürgens. Und manchmal auch, wie an diesem Abend, Musik aus jener Zeit, als Luise und Anton Mayer die „Schwalbe“kauften. „Veronika, der Lenz ist da“, singt Michael Smalko, und Claudia spielt dazu Klavier, Noten braucht sie meistens keine dazu. Die Tische rings um die beiden sind dicht besetzt, bei Wein und italienisc­hen Häppchen treffen sich Musikfreun­de aus Burgau, aber auch darüber hinaus. Mittwochs bis freitags ab 17.30 Uhr ist geöffnet. Wer bei den Musikabend­en in der Schwalbe dabei sein will, muss lange im Voraus reserviere­n, so beliebt sind diese Freitage inzwischen geworden. Und alle lauschen gebannt, wenn die Smalkos zu spielen beginnen. Sohn Elias ist inzwischen ebenfalls ein echter Profi geworden, bei Stücken wie Andreas Bouranis „Auf uns“übernimmt er den Klavierpar­t mit Begeisteru­ng. „Und er hat überhaupt kein Lampenfieb­er“, freut sich Michael Smalko.

Ein Programm wie heute ist allerdings nicht so nach dem Geschmack des Teenagers. Da überlässt er es lieber seiner Mutter, die jetzt mit viel Gefühl „Ich tanze mit dir in den Himmel hinein“spielt. Es ist das Lieblingsl­ied ihrer Mutter Helma, und man kann sich gut vorstellen, wie die Wirtin sich darüber freuen würde, es hier zu hören. Die Musik hat die „Schwalbe“neu beflügelt und das Traditions­gasthaus am Leben erhalten. Jetzt ist aber erst mal Sommerpaus­e, im Herbst geht es weiter mit Musik in der Tellerstra­ße. Was es dann zu hören gibt, erarbeiten die Smalkos sich in den nächsten Wochen. Anton und Luise Mayer werden jedenfalls wieder den besten Blick auf das musikalisc­he Programm in ihrer „Schwalbe“haben. Von ihrem Hochzeitsf­oto über dem Klavier aus.

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Foto: Jakob Vor zehn Jahren haben Claudia und Michael Smalko die Burgauer „Schwalbe“wieder eröffnet. Ihre Musikabend­e sind meist lange im Vorfeld ausgebucht.

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