Mittelschwaebische Nachrichten
Warum sich der Landrat über Hannah und Tim freut
Die zwei Gymnasiasten halten mit ihrer Schule den Naturschutz hoch. Ebenso ein Unternehmen und ein Vogelkundler. Auch sie gehören zu den Ausgezeichneten im Kreis Günzburg. Drei Geschichten über Menschen, die anpacken
Autenried Der Einkaufsratgeber der Eltern ist zwölf Jahre alt und besucht das Dossenberger-Gymnasium in Günzburg. „Ich sage ihnen schon, was gut ist“, meint Tim Netzel seine Mutter und seinen Vater und spielt dabei vor allem auf „Fairtrade“-Produkte an. Wenn man fair gehandelte Schokolade kaufe, könne man sicher sein, dass bei den dafür verwendeten Kakaobohnen keine Kinderarbeit im Spiel sei. Der Fünftklässler engagiert sich in der Fairtrade-Arbeitsgemeinschaft am Gymnasium. „Es macht Spaß“, sagt er. „Ich mache das aus Überzeugung.“
Das hat er mit Hannah Sperandio gemeinsam. Denn die 17-Jährige hat zwei Jahre lang diese AG an der Schule geleitet. In der vergangenen Woche erst war sie in Berlin auf einem Jugendkongress, der sich mit fairem Handel beschäftigte. „Außerdem habe ich viel durch den Weltladen in Günzburg erfahren.“Aus dem angehäuften Wissen leitet die Schülerin, die in die elfte Klasse geht, ihr Verhalten ab. Markenkleidung benötige sie nicht für das eigene Ego, beteuert sie. Und sagt: „Ich bin komplett second hand gekleidet. Und das sieht auch gut aus.“Flohmärkte besucht sie deswegen zum Beispiel. Und angesagte FairtradeMarken gebe es auch. Leider nicht in Günzburg, bedauert sie. „Wir haben Modegeschäfte davon noch nicht überzeugen können.“
Hannah Sperandio und Tim Netzel sind zwei der Schülerinnen und Schüler, die am DossenbergerGymnasium im Schulalltag zum Umweltschutz und zum schonenden Umgang mit Ressourcen angehalten werden. Am späten Dienstagnachmittag waren sie stellvertretend mit Lehrkräften und Schulleiter Peter Lang in den Autenrieder Brauereigasthof gekommen, um den Umweltpreis des Landkreises entgegen- zunehmen. Der Direktor des Gymnasiums versteht die undotierte Auszeichnung als Ansporn und Verpflichtung weiterzumachen. „Es ist gut, jungen Menschen in diesem Bereich etwas mit auf den Weg zu geben“, sagt er auf Nachfrage.
Mit dem Dossenberger-Gymnasium schließt sich auch für Stefan Böhm ein Kreis. Denn der diplomierte Biologe, der ab 2004 in Ulm studiert hat, besuchte davor jene Schule. Heute arbeitet der passio- Vogelkundler als artenschutzrechtlicher Fachgutachter in einem Planungsbüro in Lindau, wohnt mit seiner Familie im Kreis Neu-Ulm und hat doch den Kontakt zur Region und speziell zum Markt Jettingen-Scheppach, wo er aufgewachsen ist, nie abbrechen lassen. Als Vorsitzender des Landesbundes für Vogelschutz im Kreis Günzburg ist es ihm wichtig, den Menschen Basisinformationen über die Vögel zu vermitteln. Die Wissenslücken über Formen- und Artenkenntnis bei Jung und Alt erschrecken ihn. „Da muss in den 80er und 90er Jahren viel verkorkst worden sein.“Von den rund 550 Vogelarten in Deutschland leben im artenreichen Kreis Günzburg, der durch seine Topografie und die Fließgewässer begünstigt ist, nach Böhms Schätzung etwa 350 Arten. Ein Großteil davon könne ohne größere Schwierigkeiten beobachtet werden.
Nicht mit Vögeln, aber mit Bienierte nen hat seit Kurzem die Schlossbrauerei Autenried zu tun. Drei Völker seien zugeflogen, zwei davon geblieben. „Jetzt imkern wir auch noch“, sagt Brauereichef Rudolf Feuchtmayr, der einem verdutzt schauenden Mitarbeiter aufgetragen hatte, er müsse 20 000 Arbeitskräfte anmelden. Wenn er die Geschichte erzählt, grinst Feuchtmayr. Und die Familie freut sich, als Unternehmen für die Anstrengungen im Umweltschutz gewürdigt zu werden.
Ein Sechstel des gesamten Strombedarfs wird durch vor Ort gewonnene Sonnenenergie gedeckt, erklärt Braumeister Martin Wörner, der mit seiner Frau Anja den Ökologiegedanken in die Firma trägt. Der Spitzenstromverbrauch habe sich seit zehn Jahren nicht mehr erhöht. Und für das seit knapp acht Jahren betriebene neue Gasthaus (300 Plätze, davor ungefähr 70) und das Hotel (26 Zimmer, zuvor ein halbes Dutzend) mit Wellnessbereich und Schwimmbad werde nicht viel mehr Energie aufgewendet als vor diesem Modernisierungsschritt.
Landrat Hubert Hafner gab in seiner Rede zu bedenken, dass nie zuvor „unsere natürlichen Lebensgrundlagen durch die Industrialisierung so gefährdet“waren. Deshalb freue er sich über die vielen engagierten Personen und Vereinigungen „in unserer Region, die sich aktiv für ein ökologisch wertvolles Ziel einsetzen“. Auf die Preisträger ging Hafner individuell ein (siehe weitere Artikel). Und die geladenen Kommunalpolitiker (Johann Kaltenecker, Umweltreferent der Stadt Günzburg; Jettingen-Scheppachs Bürgermeister Hans Reichhart) hatten für die Umweltpreisträger aus ihren Orten viel Lob mitgebracht. Ichenhausens Rathauschef Robert Strobel hätte vielleicht sogar als Marketingchef für die Schlossbrauerei gute Chancen. „Trinkt Autenrieder Bier – Es schmeckt und tut der Umwelt gut!“, textete er.