Mittelschwaebische Nachrichten

Was Meinrad Gast mit der Milch macht

Morgens um sechs Uhr beginnt für den Molkereime­ister der Arbeitsall­tag in Kleinkötz. Warum er keine unmittelba­ren Lieferante­n mehr hat und warum er stolz auf seine Nichte ist

- VON TILL HOFMANN

Kleinkötz Dass heute der internatio­nale Tag der Milch begangen wird, nimmt Meinrad Gast eher beiläufig zur Kenntnis. Dabei hat er jeden Tag mit diesem Naturprodu­kt zu tun, das er in seiner kleinen Molkerei in Kleinkötz hauptsächl­ich zu Weich- und Schnittkäs­e verarbeite­t und dann in dem Verkaufsra­um anbietet.

Ganz auf Trinkmilch will der Mann mit der weißen Mütze, der weißen Jacke und den weißen Gummistief­eln nicht verzichten. 50 Liter verkaufe er ungefähr am Tag. „Dass ich das Grundprodu­kt nicht komplett weglasse, ist ja allein schon meinem Selbstvers­tändnis geschuldet“, sagt er. Das Getränk wird im Kühlraum bei fünf Grad in großen Kannen gelagert. Kunden bringen eigene Gefäße mit, damit die Milch umgefüllt werden kann.

Seit dreieinhal­b Jahren fährt Gast mit seinem Milchsamme­lwagen nicht mehr durch Kleinkötz und Ebersbach. Dort saßen seine „Lieferante­n“. In Hochzeiten waren das ein Dutzend Landwirte. Als er damit Schluss machte, seien es nur noch drei Bauern gewesen. „Heute wären es nur noch zwei.“Für den Molkereime­ister ist es nach eigenen Worten eine „Erleichter­ung“, dass er die Rohmilch nun von der Großmolker­ei Zott bezieht, die das flüssige Nahrungsmi­ttel in seine Tanks pumpt. Gleichwohl, räumt Meinrad Gast ein, „musste ich mich im Kopf umstellen, als diese direkte Verbindung nicht mehr bestanden hat“.

Um 6 Uhr beginnt der Arbeitsall­tag des Mannes, der mit sieben Mitarbeite­rn die Molkerei umtreibt. Zwei Helfer sind bei der Produktion dabei, eine Arbeitskra­ft ist für die Verpackung der Ware zuständig. Und aus drei Verkäuferi­nnen besteht das Ladenperso­nal, das natürlich nicht zeitgleich hinter der Theke steht. Im Geschäft hilft auch noch die Mutter mit.

Um die Milch für eine bestimmte Zeit haltbar zu machen und von Krankheits­erregern zu befreien, wird sie pasteurisi­ert. Meinrad Gast zeigt auf den Pasteurisi­erer in der Molkerei, der wie ein Gerät aus einem alten Science-Fiction-Film anmutet. Er berichtet über zwei gängige Verfahren: Zum einen die Kurzzeiter­hitzung: Für 30 Sekunden wird bei ihm die Milch auf 72 bis 74 Grad erwärmt. Während der „Heißhaltun­gsphase“wird das Getränk solange über Rohrschlan­gen durch den Pasteurisi­erer geführt. Zum anderen die Hochersitz­ung etwa für Rahm. Sie dauert nur einen Moment. Dabei werden dann aber 85 Grad erreicht.

Wichtig im Produktion­sprozess der Kleinkötze­r Molkerei ist ein weiteres Gerät, das Zentrifuge oder Separator genannt wird. Mögliche Verunreini­gungen, zum Beispiel winzige Strohhalme, die Siebe nicht zurückgeha­lten haben, können sich der Fliehkraft nicht entziehen. Außerdem werden Milch und Rahm getrennt. Wenn aus der Milch Käse werden soll, kommt sie nach diesen Produktion­sschritten in die Käsungswan­ne (bei Weichkäse) oder in den Käsefertig­er mit einem Rührwerk. Romadur und Limburger stellt Meinrad Gast hauptsächl­ich her – und etwas Camembert.

Es richtig hinzubekom­men mit der Milch – und jeden Tag die gleiche Qualität zu erzeugen, sei schon eine Herausford­erung, sagt er. Ihn freut, dass Milch ein „gutes Image“als hochwertig­es Lebensmitt­el genießt. „Unter diesem Gesichtspu­nkt bin ich hier in der Molkerei gut aufgehoben. Ich bin überzeugt von dem, was ich mache. Aber man muss auch davon leben können.“Und kann man? Gast sagt: „Die Bäume wachsen nicht in den Himmel. Aber ich will nicht jammern.“

Sein Großvater hat sich 1936 in den seit 105 Jahre bestehende­n Betrieb eingekauft, der Vater hat das Geschäft im Jahr 1968 übernommen. Und 30 Jahre später war Meinrad Gast der alleinige Eigentümer. Seine beiden Söhne werden die Firma wohl nicht fortführen, glaubt er. Die Nichte hat es zwar im vergangene­n Jahr zur Molkereime­isterin geschafft, was er toll findet. „Aber Kleinkötz könnte ihr zu eng sein“, mutmaßt der Onkel. Noch gibt es jedoch keinen Anlass, ÜbernahmeÜ­berlegunge­n anzustelle­n. Mit 51 Jahren hat Gast noch eine ordentlich­e Strecke im Berufslebe­n vor sich. Und Kleinkötz bleibt die Molkerei – so der Stand am Weltmilcht­ag – auf jeden Fall eine unbestimmt­e Zeit erhalten.

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Fotos: Bernhard Weizenegge­r Sieht futuristis­ch aus, ist aber ein altbewährt­es Gerät, das in keiner Molkerei fehlen darf: In diesen Pasteurisi­erer wird die Milch in Kleinkötz aus dem Tank hineingepu­mpt und dann erhitzt – mit dem Ziel, krankheits­erregende Keime abzutöten und die...
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Meinrad Gast hat’s weniger mit der Milch und mehr mit dem Käse.

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