Mittelschwaebische Nachrichten

Wenn Müttern das Wasser bis zum Hals steht

Trotz Emanzipati­on tragen noch immer meist die Mütter die Hauptlast des Familienle­bens. Was sie lernen müssen, um unter dem Druck nicht zusammenzu­brechen

- VON STEFAN REINBOLD

Krumbach Welche Mutter kennt das nicht: Während sie gerade den Frühstücks­tisch abräumt, streiten die beiden Kinder. Lautstarke­s Weinen. Beim Trösten bemerkt die Mutter, dass die Windel voll ist. Während die Mutter Kind eins wickelt, verteilt Kind zwei seine Spielsache­n mit großer Freude im ganzen Wohnzimmer. Als klar wird, dass der Arzttermin unter diesen Umständen kaum mehr pünktlich zu schaffen ist, steigt allmählich der Adrenalinp­egel. Später warten dann noch drei Maschinen voll Wäsche in der Waschküche und im Bad sollte eigentlich längst einmal geputzt werden.

Mütter sind einem ähnlichen Druck wie Manager großer Konzerne ausgesetzt, sagt Heike Feßler vom Familienst­ützpunkt in Krumbach. Trotz aller Emanzipati­on tragen die Frauen noch immer meist die Hauptlast in der Familie. Der Druck ist im Vergleich zu früheren Generation­en sogar noch gewachsen. Beruflich soll es vorwärts gehen, das Haus soll ordentlich sein, die Kinder müssen bestmöglic­h gefördert werden und die Haustiere dürfen auch nicht verhungern. Hinzu kommt der eigene Anspruch, alles perfekt hinzubekom­men. Honoriert wird das, was Mütter leisten, nur selten.

Ständig unter Strom stehend, kein Feierabend, kein Urlaub, kaum Verschnauf­pausen, können Mütter schnell an die Grenzen ihrer Leistungsf­ähigkeit geraten. Wer in dieser Situation niemanden hat, der einem zumindest für kurze Zeit etwas Luft zum Atmen verschafft, kann schnell in eine Depression abrutschen. Besonders gefährdet sind laut Feßler alleinerzi­ehende Mütter, denen oft ein soziales Netzwerk fehlt. Mit einem Vortrag im Rahmen des interkultu­rellen Frühstücks hat der Familienst­ützpunkt Krumbach den „Mütter-Burnout“zum Thema ge- macht. Vom Burnout spricht man, wenn auch nach Erholungsp­hasen die gewohnte Souveränit­ät nicht mehr wiederkomm­t, sich stattdesse­n eine bleierne Niedergesc­hlagenheit breit macht. Oft geht das Krankheits­bild auch mit psychosoma­tischen Symptomen einher. Wenn sich der psychische Druck in körperlich­en Leiden, etwa Rückenschm­erzen, ausdrückt. Es sei schwierig, sich selbst einzugeste­hen, wenn es nicht mehr weiter geht, weiß Feßler. Um es gar nicht soweit kommen zu lassen, versucht sie am Familienst­ützpunkt ein Prävention­sangebot zu machen. „Ich würde mir wünschen, dass die Mütter lieber früher zu mir kommen, nicht erst dann, wenn sie bereits ganz am Boden sind.“Feßlers Aufgabe ist nicht die einer Therapeuti­n. Was der Familienst­ützpunkt leisten kann, ist ein offenes Hilfsangeb­ot, einen geschützte­n Rahmen bieten. Oft hilft es den Müttern schon, in ungezwunge­ner Runde einfach mal den ganzen Stress und Ärger, der sie belastet, auszusprec­hen. Zu sehen, dass andere Mütter mit den gleichen Problemen kämpfen, tut gut. Feßler ist es wichtig, dass die Mütter in sich selbst hineinhorc­hen und bei Bedarf auch einmal Nein sagen, sich Auszeiten und Ruheinseln im Alltag einrichten. Auch im Familienle­ben müssten Aufgaben delegiert und Verantwort­ung abgegeben werden. Sind Frauen tatsächlic­h ernsthaft psychisch erkrankt, kann sie Feßler an profession­elle Helfer weiterverm­itteln. Der größte Gewinn der offenen Treffs am Donnerstag ist der Aufbau eines sozialen Netzes, das Mütter im Alltag und besonders im Notfall entlasten kann.

Dialog am Donnerstag Mit dem in terkulture­llen Frauenfrüh­stück, dem El terntalk, Elterncafé und dem Puzzlefrüh stück gibt es abwechseln­d immer don nerstags von 9 bis 11 Uhr einen offenen Treff im neuen Krumbacher Bürger haus.

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