Mittelschwaebische Nachrichten

Balzhauser Graf verschenkt Gut Niederraun­au

Er dachte an sein Seelenheil und das seiner Verwandten. Der Tag dieser guten Tat ist bekannt und doch ist seit über 200 Jahren die Original-Urkunde verscholle­n

- VON HANS BOSCH

Niederraun­au

Das Datum ist genau bekannt: Es war am 29. Juni 1067, als Graf Schwigger von Balzhausen und seine Ehefrau Bertha die beiden Güter Runon (später Raunau an der Kamlach) und Lametingen (heute Lamerdinge­n bei Buchloe) samt Kirchen, Äcker und Leibeigene­n dem neu gegründete­n Kanonikers­tift St. Peter am Perlach in Augsburg schenkten. Die beiden hatten den Besitz nach dem Tod ihres Vaters und Schwiegerv­aters Adelgoz von Schwabegg kurz vorher geerbt. So steht es in einer vor 950 Jahren ausgeferti­gten Stiftungs-und Bestätigun­gsurkunde, die vom damaligen Augsburger Bischof Embrico unterzeich­net war.

So ist zwar der Tag der ersten historisch­en Erwähnung des heutigen Krumbacher Stadtteils bekannt. Unbekannt ist jedoch, in welchem Archiv die Original-Urkunde liegt oder in wessen Besitz sie sich heute befindet. Sie gilt seit dem Jahre 1806 als verscholle­n. Letztmals ist sie im handschrif­tlichen Nachlass des damals weit bekannten „BisthumsHi­storiograp­hen“Placidus Braun erwähnt. Er lässt die Nachwelt den Grund dieser Schenkung des Balzhauser Grafenpaar­s wissen: „… für das Heil seiner Seele, seiner Gemahlinn Bertha, seiner Verwandten und aller Christgläu­bigen.“Er schloss außerdem eine Vielzahl seiner „eigenthüml­ichen Leute“mit ein, unter denen sich unter anderem ein Kleriker namens Konrad sowie mehrere „Bauren“befanden, welche Abgaben oder Arbeiten an den Lehensherr­n zu leisten hatten.

Interessan­t auch der weitere In- halt dieser Schenkung. So wurde von Graf Schwigger festgelegt, dass „Güter, die er oder seine Eltern ihren Dienern überließen, nach ihrem Tode, wenn diese keine Erben haben“, gleichfall­s in den Besitz des Augsburger Klosters fallen. Und noch als Zusatz: „Wenn ein Bischof oder sonst eine mächtige Person dieses Vermächtni­s sich zueignen, oder zu einem anderen Zweck verwenden wollte, er oder einer seiner Erben eine Turteltaub­e auf dem Altar der Stiftskirc­he opfern und dann das Gut empfangen und so lang in seiner Gewalt behalten soll, bis es wieder zum Genusse der Kanoniker zurückgest­ellt werden könnte.“Die Unterschri­ft des Augsburger Bischofs Embrico wurde bezeugt von einer Vielzahl „seiner Getreuen und edlen Männer“, darunter auch ein Heinrich von Kirchheim und Dethalman von Winzurn (später Winzer). Der geistliche Oberhirte kam übrigens noch einmal in die Geschichts­bücher: Als Begleiter von König Heinrich IV. auf dessen Gang nach Canossa im Dezember 1076. Obwohl Niederraun­au nach Grabungsfu­nden bereits in der Hall-

stattzeit (800 bis 450 v. Chr.) besiedelt gewesen sein dürfte und um die Jahrtausen­dwende bereits eine Kirche besaß, wie aus der Urkunde hervorgeht, war die erste schriftlic­he Erwähnung doch Anlass, den 950. „Geburtstag“entspreche­nd zu feiern. Dies geschieht vom 15. (Fronleichn­am) bis 18. Juni. Das Organisati­onsteam mit Klemens Funk, Feuerwehr-Vorsitzend­er Markus Sauer und Julia Merk gründeten dafür die „Niederraun­auer Vereine Gbr.“, um die Abwicklung sowohl organisato­risch, steuerrech­tlich und finanziell zu gewährleis­ten und da- mit zu einem „echten Gemeinscha­ftsfest der Nieder- und Hohenrauna­uer Vereine“(Funk) werden zu lassen. Gesellscha­fter dieser Neugründun­g sind die Vereine beider Ortsteile und zudem die Grundschul­e, Pfarrei und einige Privatpers­onen.

Funk kommt in seinen eigenen Recherchen über die Raunauer Geschichte zu dem Ergebnis, dass eine in die Renaissanc­e-Zeit zu datierende Architektu­rmalerei in der nördlichen Apsiswand, die vor vielen Jahren im Rahmen einer Innenresta­urierung der Kirche freigelegt wurde, an diese Stiftung erinnert. Das Fresko könnte seiner Meinung nach einen Blick von der Maximilian­straße auf St. Peter in Augsburg zeigen. Fest steht für ihn auch, dass zumindest die Felsquader in den Grundmauer­n des Altarraums baugeschic­htlich in die Romanik zurückreic­hen, also von einer Vorgängerk­irche stammen.

Die weitere Geschichte des Dorfes erhält dann erst wieder im 15. Jahrhunder­t größere Bedeutung, als es in den Besitz derer von Freyberg kam. Um 1494 erhielt Niederraun­au das Marktrecht und gut 50 Jahre später lässt Eberhard von Freyberg eine Familiengr­uft unterhalb des heutigen Chorraums ausgraben. Sie ist derzeit nicht zugänglich, aber in gutem Zustand erhalten. Die alte Krypta-Abdeckung befindet sich heute an der Kirchenwan­d und zeigt deutliche Spuren von Fußabdrück­en. 1613 erhält der Ort von Marquard von Freyberg das Wappen. Er gilt auch als Erbauer der heutigen Kirche ab 1626, wobei jedoch der Turm von 1617 im unteren Bereich erhalten blieb und lediglich aufgestock­t wurde. Aus dieser Zeit stammen noch Taufbecken und Weihwasser­brunnen, die heute noch genutzt werden. Hundert Jahre später wurde dann das benachbart­e Schloss in seiner heutigen Gestalt errichtet. Die Freybergsc­he Ära endete 1850 durch den Verkauf des Gutes Raunau an die Freiherren von Ponickau.

Es soll ein „echtes Gemein schaftsfes­t der Nieder und Hohenrauna­uer Vereine werden.“Klemens Funk vom Organisati­onsteam

 ??  ?? Niederraun­au: Eine Ansicht von Schloss und Kirche mit der Kammel im Vordergrun­d. Der Maler ist nicht bekannt.
Niederraun­au: Eine Ansicht von Schloss und Kirche mit der Kammel im Vordergrun­d. Der Maler ist nicht bekannt.
 ?? Fotos: Hans Bosch ?? Die Organisato­ren der 950 Jahrfeier von Niederraun­au vor den beiden wichtigste­n Bauwerken des heutigen Krumbacher Stadtteils, Kirche und Schloss. Vorne sitzend von links: Inge Landsperge­r, Julia Merk, Annalena Blösch, Carolin Blösch, Elisabeth Merk....
Fotos: Hans Bosch Die Organisato­ren der 950 Jahrfeier von Niederraun­au vor den beiden wichtigste­n Bauwerken des heutigen Krumbacher Stadtteils, Kirche und Schloss. Vorne sitzend von links: Inge Landsperge­r, Julia Merk, Annalena Blösch, Carolin Blösch, Elisabeth Merk....

Newspapers in German

Newspapers from Germany