Mittelschwaebische Nachrichten

Was Kinder von den Vätern lernen können

In einer Gesellscha­ft, in der sich die traditione­llen Geschlecht­errollen relativier­en, ist die Rolle der Väter für die Entwicklun­g der Kinder umso wichtiger. Deshalb gibt es im Landkreis seit zehn Jahren ein Vater-Kind-Wochenende

- VON STEFAN REINBOLD

Landkreis Eines gleich vorneweg: Väter sind nicht die besseren Erzieher als Mütter – aber anders. Und weil für die Entwicklun­g der Kinder Papas genauso wichtig sind wie Mamas, gibt es im Landkreis Günzburg mit dem Vater-Kind-Wochenende eine Einrichtun­g, die die Beziehung der Väter zu ihren Kindern stärken will.

Damals, als das Kooperatio­nsprojekt der Katholisch­en Jugendfürs­orge und der Kommunalen Jugendarbe­it im Landkreis Günzburg gestartet wurde, existierte­n zwar eine ganze Reihe von Mutter-Kind-Gruppen. Spezielle Vater-Kind-Angebote gab es aber nicht. Insofern füllt das gemeinsame Wochenende, das vor zehn Jahren erstmals am Selbstvers­orgerheim Hühnerhof in Thannhause­n stattfand, eine große Lücke. Einmal pro Jahr findet seither ein solches Wochenende statt. Zuletzt ging es öfter ins Allgäu.

„Leider ist es in unserer Gesellscha­ft immer noch so, dass Kinder mit ihren Vätern weniger Zeit ver- bringen“, sagt Artur Geis, Leiter der Psychologi­schen Beratungss­telle des Erziehungs- und Jugendhilf­everbunds Donau-Iller in Günzburg. Trotz aller Emanzipati­on hat das traditione­lle Familienbi­ld noch lange nicht ausgedient. Das Dilemma Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, betrifft demnach auch die Väter. „Männer werden in ihren Jobs oft aufgefress­en“, sagt Geis. Da bleibt wenig Zeit, mit dem Nachwuchs spannende Aktionen zu unternehme­n. Natürlich ist Zeit nicht die alleinige Voraussetz­ung für den Aufbau einer guten Beziehung zwischen Vater und Kind, doch ganz zu vernachläs­sigen ist der Zeitfaktor eben auch nicht. Zumal die Zeit, die Vätern neben dem Beruf bleibt, oft mit der ganzen Familie verbracht wird. Die im Arbeitsall­tag ja auch meist zu kurz kommt.

Für die Entwicklun­g der Kinder sind die Väter sehr wichtig, betont Geis. Sie bringen andere Einflüsse in die Erziehung als die Mütter. Meistens sind Männer dabei etwas körperlich­er, sagt Geis. Sie sind lauter, grober, raufen und toben und regen damit andere Sinneskanä­le an als die Mütter. In den Kindergärt­en und Grundschul­en herrscht ein deutliches Übergewich­t an weiblichen Lehrkräfte­n und Erzieherin­nen. Durch ihre Art, die Welt sehr viel lauter und körperbeto­nter zu entdecken, und Konflikte durch Rangeleien oder Prügel zu lösen, ecken die Buben hier häufiger an. „Die fallen mehr auf“, umschreibt es Geis.

Das Vater-Kind-Wochenende, wie es Geis mit zwei weiteren Betreuern auf die Beine stellt, könne natürlich nicht die mangelnde Zeit, die Väter und Kinder allein miteinande­r verbringen, übers Jahr hinweg ersetzen. Das ist auch Geis bewusst.

Der Psychologe versteht das Angebot eher als Impuls, bewusster mit der Zeit, die zur Verfügung steht, umzugehen. „Wenn die Männer das mitnehmen, ist schon viel gewonnen“, sagt Geis. Das Programm ist nicht zuletzt deshalb ganz bewusst entschleun­igt. Es gibt keine Animatione­n, keine Handys, keine Computer und auch keine Besuche im Freizeitpa­rk. In erster Linie geht es darum, Zeit gemeinsam zu verbringen. Meist geht es dabei in die Natur oder in den Wald. Es wird gemeinsam gebastelt, etwa ein Schiff oder ein Flos gebaut oder Pfeil und Bogen gefertigt oder einfach nur zusammen Fußball gespielt. Wichtig für den Gesamtchar­akter des Wochenende­s sei auch der Aufenthalt in Selbstvers­orgereinri­chtungen, erklärt Geis: „Wir kochen und putzen selber, dabei ergeben sich zwangsläuf­ig viele Möglichkei­ten, ins Gespräch zu kommen.“Obligatori­sch ist das gemeinsame Lagerfeuer.

Zwei Stunden am Wochenende verbringen die Väter ohne ihre Kinder, um in Gesprächen ihre Vaterrolle zu reflektier­en. Die Kinder malen in der Zwischenze­it eine große Vaterfigur auf eine Leinwand und fügen schriftlic­h hinzu, was sie sich von ihrem Vater wünschen, was ihnen an ihrem Vater fehlt oder was sie gerne mit ihm machen würden. Für die teilnehmen­den Väter und Kinder, sei das Wochenende stets ein Gewinn gewesen. Die Väter erlebten oft ganz neue Seiten an ihren Kindern. Und es seien in den vergangene­n Jahren immer wieder auch Freundscha­ften unter den Vätern entstanden.

Werbung braucht Geis für das Vater-Kind-Wochenende schon länger nicht mehr zu machen. Inzwischen gibt es auch viele Väter, die wiederholt dabei sein wollen. „Wir achten darauf, immer eine gute Mischung aus erfahrenen und neuen Teilnehmer­n hinzukrieg­en“, sagt Geis. Erfreulich sei die finanziell­e Unterstütz­ung des Landkreise­s, durch die die Beiträge möglichst gering gehalten werden können. Väter zahlen 45 Euro, Kinder lediglich 25 Euro, für ein Wochenende mit Vollverpfl­egung. „Daran sieht man, dass der Landkreis das auch würdigt“, sagt Geis.

Jubiläumsf­eier Am Samstag, 8. Juli, findet am Hühnerhof in Thannhause­n ein Feier und Aktionstag statt. Während der Vormittag im Zeichen des Rück blicks steht, sind am Nachmittag ab 14 Uhr Aktionen und Spiele für die Öffent lichkeit und interessie­rte Familien geplant. Am Abend gibt es ein großes Lagerfeu er.

 ?? Foto: Sammlung Geis ?? Bogenschie­ßen mit einem selbst gebastelte­n Bogen. Artur Geis sagt, er habe weitaus weniger Probleme damit, wenn Kinder einen Bogen bauen, als mit den Gewaltdars­tellungen in den Computersp­ielen, die heutzutage im Umlauf sind.
Foto: Sammlung Geis Bogenschie­ßen mit einem selbst gebastelte­n Bogen. Artur Geis sagt, er habe weitaus weniger Probleme damit, wenn Kinder einen Bogen bauen, als mit den Gewaltdars­tellungen in den Computersp­ielen, die heutzutage im Umlauf sind.

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