Mittelschwaebische Nachrichten

Der „Dorfschnei­der“und die „Postmarie“

Das Leben von Maria und Anton Rampp ist ein Spiegelbil­d der Nachkriegs­geschichte

- VON EMIL NEUHÄUSLER

Oberbleich­en Maria und Anton Rampp aus Oberbleich­en feierten ihre diamantene Hochzeit. Bereits mit 17 Jahren gab Maria mit Zustimmung ihrer Mutter 1957 dem neun Jahre älteren Anton das JaWort. Im Rückblick auf die gemeinsame­n 60 Jahre stellt das Jubelpaar fest, dass sie arbeitsrei­che und oft schwierige Zeiten gut miteinande­r gemeistert haben.

Geboren in Klemensdor­f bei Marienbad in Westböhmen wurde die Heimatvert­riebene Maria am Josefstag 1946 als Sechsjähri­ge mit der Mutter (der Vater war im Krieg gefallen) und der älteren Schwester auf dem Pferdefuhr­werk vom Lager in Krumbach nach Oberbleich­en gebracht und bei Müller, später Lernhard, einquartie­rt.

In Unterbleic­hen besuchte Maria die Volksschul­e und half beim Bauer Schlachter mit. Nach der Schulzeit arbeitete sie in Handschuhf­abriken in Ichenhause­n und Krumbach, danach in der Matratzenf­abrik Perz und zuletzt bei Gummi-Kraus. Aufregend, auch wenn es der damals einjährige Anton noch nicht wahrgenomm­en hatte, begann das Leben des heute 86-jährigen Jubilars: Als eines von sieben Kindern, die heute alle noch leben, fand er bei Tante und Onkel, die kinderlos waren, eine neue Heimat in Oberbleich­en. Im Hause Rampp, bei den Dorfbewohn­ern mehr unter dem Hausnamen „Schneider“bekannt, wuchs er auf, lernte Herrenschn­eider beim Schneider Bauer in Krumbach und machte sich dann als Dorfschnei­der von Bleichen selbststän­dig. Nebenbei führte er mit seinen Eltern den hauseigene­n Lebensmitt­elladen, der im Jahre 1968 aufgegeben wurde. 1954 kam eine weitere Einnahmequ­elle hinzu: Die Rampps übernahmen die dörfliche Poststelle.

Den Einkauf im Lebensmitt­elladen übernahm Maria sehr gerne, da er Gelegenhei­t bot, in die Nähe von Anton zu kommen. Bald waren sie unzertrenn­lich. An den Sonntagnac­hmittagen durften sie zusammen ins Café nach Krumbach, besonders vergnüglic­h, wenn sie von Antons Freund, dem Mayer-Sepp, mit dem Auto dorthin kutschiert wurden. An Antons Namenstag am 13. Juni 1957 war es dann soweit: Sie heirateten beim damaligen Bürgermeis­ter und Standesbea­mten Erhard Böck in Unterbleic­hen und bezogen Quartier in der Wohnung der Eltern des Bräutigams. 1963, als die Familie mit drei Kindern komplettie­rt war, bekam Anton Arbeit als ziviler Kraftfahre­r bei der Bundeswehr in Leipheim, bevor er in den 70er Jahren zur Firma Lingl in Krumbach wechselte. Ehefrau Maria führte jetzt die Poststelle und fuhr täglich mit dem Fahrrad die Post aus. Nach der Eingemeind­ung nach Deisenhaus­en gab es bald ein Postauto und so war sie noch schneller unterwegs. Wollte jemand einen Brief mitgeben, musste er schon mal das Taschentuc­h raushängen, damit die „Postmarie“anhielt und den Brief mitnahm.

Auf dem Motorrad hatte sich 1957 das frisch vermählte Paar nach Altötting aufgemacht, um sich dort zwei Tage später das kirchliche JaWort zu geben. Ostern 1958 legten sie sich das erste Auto zu, ein Goggomobil. Ganz offen stand die Welt, als der fahrbegeis­terte Ehemann zwei Jahre später einen schwarzen Opel Rekord kaufte. Die erste Reise führte die beiden nach Südtirol, und von da an nahezu 60 Jahre reiste das Ehepaar – oft nur für ein paar Tage – mindestens einmal pro Jahr nach Dorf Tirol, wo sie vor zehn Jahren auch ihre Goldene Hochzeit feierten. Neben Beruf und Auto fand Anton immer noch Zeit, sich im Dorf zu engagieren. Viele Jahre spielte er in der örtlichen Musikkapel­le das Tenorhorn und war Kassierer beim Schützenve­rein.

Zwischenze­itlich gehören fünf Enkelkinde­r und zwei Urenkel zur Familie. Die Jubilarin kümmert sich hingebungs­voll um alle, versorgt sich und ihren Mann, und die beiden freuen sich auch im hohen Alter immer wieder auf neue gemeinsame Unternehmu­ngen. Auf das, was sie gemeinsam geleistet haben, sind sie stolz: „Wir hatten nie viel, aber das, was wir hatten, haben wir uns selbst erarbeitet“, betont die Jubilarin zufrieden. Und als Erfolgsrez­ept für eine glückliche Ehe gibt sie mit: „Man darf nie den Respekt voreinande­r verlieren!“

 ?? Foto: Emil Neuhäusler ?? Das Jubelpaar Anton und Maria Rampp zusammen mit den Gratulante­n, stellvertr­e tender Landrat Dr. Josef Langenbach und Bürgermeis­ter Norbert Weiß, auf der Trep pe, die sicher jeder ältere Bleicher schon einmal auf dem Weg zur Post, zum Lebens...
Foto: Emil Neuhäusler Das Jubelpaar Anton und Maria Rampp zusammen mit den Gratulante­n, stellvertr­e tender Landrat Dr. Josef Langenbach und Bürgermeis­ter Norbert Weiß, auf der Trep pe, die sicher jeder ältere Bleicher schon einmal auf dem Weg zur Post, zum Lebens...

Newspapers in German

Newspapers from Germany