Mittelschwaebische Nachrichten

Rare Rennräder

Zwei Ulmer Schrauber haben sich auf Rundumerne­uerung von einstmals edlen Velos spezialisi­ert. Damit treffen sie offenbar den Nerv vieler Retro-Fans

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R Fotos: Oliver Helmstädte­r

Ulm Für Wilhelm Layer und Miguel Mosquera sind es keine Fahrräder, sondern wahlweise Rennmaschi­nen, Meisterwer­ke der Ingenieurs­kunst oder schlichtwe­g Augenschme­ichler. Mit ihrer Werkstatt für Radgestalt­ung „Hommage“am Ulmer Judenhof haben die zwei für Radfans, denen beim Anblick eines echten Rennrads das Herz aufgeht, eine Anlaufstel­le geschaffen.

Rennräder aus den 60ern bis in die 90er sind ihre Passion, die langsam auch zum Beruf wird. Wilhelm Layer, 28, verdient seine Brötchen eigentlich mit Online-Marketing und Miguel Mosquera, 44, arbeitet bei Kässbohrer in Laupheim. Doch ihre aufgemöbel­ten Alt-Räder finden immer mehr Freunde. Und die sind oft zahlungskr­äftig: Bei 600 Euro beginnt die Preisspann­e, aber auch 3000 Euro und mehr werden erreicht. Denn die Rohware ist knapp, weswegen ihre Geschäftsi­dee aufwendig umzusetzen ist: Die gebrauchte­n Edelräder müssen erst auf den Dachböden und Flohmärkte­n Europas entdeckt und erworben werden und dann mit generalübe­rholten Originalte­ilen wieder in den Quasi-Neu-Zustand versetzt zu werden.

Das größte Glück der Schrauber ist es dann, etwa einen Rahmen der italienisc­hen Edel-Schmiede Chesini aufzutreib­en. Das kann dann etwa auch dazu führen, dass das gute Stück in die immer noch bestehende Manufaktur in Verona verfrachte­t wird, um wieder in der originalen Lackierung zu erstrahlen. Selbst die Typenschil­der und Beklebunge­n treiben die zwei auf.

Die Begeisteru­ng für Radsport bekam der Spanier Mosquera in die Wiege gelegt: Wenn die Tour de France übertragen wurde, lief im madridleni­schen Elternhaus immer der Fernseher. Doch die Leidenscha­ft geht weit über den eigentlich­en Sport hinaus. „Schauen Sie sich diese Verarbeitu­ng an“, sagt er und streicht fast zärtlich über eine Chesini „X-Uno RH 58“. Das Paket versetzt den Spanier in einen Freudentau­mel: gebaut mit Columbus SL Rohrsatz und einer Campagnolo C-Record Gruppe mit den unverwechs­elbaren Delta-Bremsen. Lackzustan­d 1A, Aero Schalthebe­l, schwarzer 3ttt Vorbau und einem San Marco Rolls Ledersatte­l.

Die kleinste Ritze wird porentief rein

Komplett wird das Ganze dann noch mit der seltenen Campagnolo Aero Trinkflasc­he. Fast zu schade zum Fahren: Das Rad stammt zwar aus den 80ern, doch kein Öl, kein bisschen Dreck trübt den Traum aus Leder, Chrom, Stahl und Lack. Jede Schraube, jede Feder sämtlicher Bauteile wird in einem Ultraschal­lbad behandelt, sodass auch die kleinste Ritze porentief rein wird. Seit zwölf Jahren lebt Mosquera in Ulm.

In dieser Zeit ist der Judenhof auch zu einem Stück Heimat geworden: Mehrere Kreative teilen sich die mietbaren Arbeitsplä­tze des „Co-Working-Büros“im Zentrum Ulms. Ihr Glück war, dass der fensterlos­e Raum aus dem 17. Jahrhunder­t, in dem die zwei an ihren Rädern schrauben, sich kaum als Büro eignet – aber wie gemacht ist für eine stilechte Werkstatt.

Geschraubt wird am Feierabend und samstags, wenn ihre Werkstatt geöffnet hat. Zu einer Verpflicht­ung dürfe die Leidenscha­ft aber nicht werden, denn dann gehe sie verloren. „Wir machen das, wie es uns reinpasst“, sagt Layer. Planbar sei das Geschäft mit dem Retro-Kult sowieso nur sehr schwer: Denn die Nachfrage nach Rad-Oldtimern sei in den vergangene­n Jahren enorm gestiegen, Namen wie Bottecchia, Chesini oder Battaglin haben wieder an Klang gewonnen. Entspreche­nd würden auch die Preise für die RadOldtime­r selbst im unrenovier­ten Zustand steigen.

 ??  ?? Leidenscha­ftliche Radfans: Wilhelm Layer (links) und Miguel Mosquera in ihrer Werkstätte am Ulmer Judenhof.
Leidenscha­ftliche Radfans: Wilhelm Layer (links) und Miguel Mosquera in ihrer Werkstätte am Ulmer Judenhof.
 ??  ?? Der italienisc­he Hersteller Bottecchia hat seine Fans.
Der italienisc­he Hersteller Bottecchia hat seine Fans.
 ??  ?? Das Konterfei von Radstar Francesco Moser.
Das Konterfei von Radstar Francesco Moser.

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