Mittelschwaebische Nachrichten

Kohl und sein Herz für Bayern

Der ehemalige Bundesfina­nzminister Theo Waigel erinnert sich an einen Freund, der ihn zum letzten Mal vor vier Jahren im Allgäu besuchte – und dort seinen 83. Geburtstag feierte

- VON ANDREA KÜMPFBECK

Augsburg Es war Helmut Kohls letzter Besuch im Allgäu – im April 2013. Der Altkanzler feierte damals zusammen mit seiner Frau Maike und der Familie Waigel seinen 83. Geburtstag. Hoch über Pfronten auf dem Falkenstei­n. Es gab BlutwurstR­avioli auf Sauerkraut und Kalbsbacke­rl. Ein deftiges Geburtstag­sessen – ganz so, wie es Helmut Kohl gerne mochte. Der damals gesundheit­lich schon schwer angeschlag­ene Kohl zeigte sich gut erholt vor der historisch­en Burgruine und genoss den Blick vom Hotel auf die tief verschneit­e Landschaft.

Es war Helmut Kohls dritter Besuch daheim bei Waigels in Seeg. Zum ersten Mal kam er im November 1994 zur Hochzeit von Irene und Theo Waigel, erinnert sich der ehemalige Bundesfina­nzminister. Neun Jahre lang war Waigel Minister im Kabinett Kohl. Eine lange gemeinsame Zeit, in der es zwar schon immer wieder politische Meinungsve­rschiedenh­eiten zwischen ihnen gegeben habe, sagt Waigel, es aber nie zu einem Zerwürfnis gekommen sei. Im Gegenteil: „Helmut Kohl war für mich in guten wie in schlechten Zeiten ein Freund, auf den ich mich verlassen konnte.“

Die Nachricht vom Tod des Freundes erreichte Theo Waigel gestern beim Einkaufen daheim im Ostallgäu. Eine Nachricht, die den CSU-Politiker nicht überrascht hat. Denn Kohls Frau Maike hatte ihn schon vor zwei Wochen darauf vorbereite­t, dass es dem Altkanzler sehr schlecht gehe.

„Bitter und tragisch“, sagt Waigel, sei das Leben Kohls in den letzten Jahren verlaufen. Denn im Ge- gensatz zu anderen großen Europäern wie Ex-Außenminis­ter HansDietri­ch Genscher oder der ehemalige Bundespräs­ident Richard von Weizsäcker habe der Kanzler der Einheit die Früchte seiner großartige­n politische­n Arbeit nicht ernten können – seine Arbeit für „das große Werk Europa“.

Zu Bayern, sagt sein Weggefährt­e Waigel, hatte der Pfälzer Kohl immer ein besonderes Verhältnis. „Man hat gespürt, dass die Pfalz einst zu Bayern gehörte.“Und man habe gespürt, dass Kohls Vater in Ludwigshaf­en Finanzbeam­ter – und damit ein bayerische­r Beamter – war. Nach dem Krieg machte Kohl ein paar Monate ein Praktikum als landwirtsc­haftlicher Lehrling in Unterfrank­en. Als 15-Jähriger war er in den letzten Kriegstage­n in Berchtesga­den als Flakhelfer eingezogen worden.

Durch Kohls engen Bezug zu Bayern, ist Waigel überzeugt, hatte dieser auch ein gutes Gespür für die CSU – und für die Eigenständ­igkeit der bayerische­n Schwester. „Das war bei ihm stärker ausgeprägt als bei anderen CDU-Politikern“, sagt Waigel. Er wusste, dass die Union nur dann stark ist, wenn die CSU überpropor­tional gut abschneide­t. Darum sei Helmut Kohl auch so knallhart dagegen gewesen, als Franz Josef Strauß die Trennung der Schwesterp­arteien herbeiführ­en wollte.

 ?? Foto: Ralf Lienert ?? Helmut Kohl und seine Frau Maike (Zweite von rechts) feierten zusammen mit Theo Waigel und dessen Frau Irene (links) sowie de ren Sohn Konstantin den 83. Geburtstag des Altkanzler­s auf dem Falkenstei­n in Pfronten.
Foto: Ralf Lienert Helmut Kohl und seine Frau Maike (Zweite von rechts) feierten zusammen mit Theo Waigel und dessen Frau Irene (links) sowie de ren Sohn Konstantin den 83. Geburtstag des Altkanzler­s auf dem Falkenstei­n in Pfronten.
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