Mittelschwaebische Nachrichten

Er zahlt 11000 Euro Siegprämie an alle

Ernst Prost, Inhaber und Gründer der Ulmer Öl-Firma Liqui Moly, war einst häufig im Fernsehen zu sehen. Dann zog sich der Unternehme­r zurück. Jetzt erzählt er, woran das lag, und verrät, warum Arbeit für ihn wie eine Sucht ist

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R UND RONALD HINZPETER

Ulm Es war einmal eine Zeit, in der Ernst Prost fast jeden Abend Stammgast in deutschen Wohnzimmer­n war: als Hauptdarst­eller eines einfach gestrickte­n Werbespots zur allerbeste­n Sendezeit. Sein Bekenntnis zu „Made in Germany“und hohen sozialen Standards führte den Inhaber der Öl-Firma Liqui Moly außerdem als gefragten Gast in viele Polit-Talkshows der Republik. 2011 soll Prost der deutsche Unternehme­r mit den meisten Fernsehauf­tritten gewesen sein.

Ein Jahr später war Schluss. Denn Prost bezeichnet­e in einer Rundmail, die der Stern veröffentl­icht hat, einen unehrliche­n Mitarbeite­r als „jämmerlich­en Spesenbetr­üger“, was nicht so recht zu seinem Saubermann-Image passte. Interviews gab er seitdem nicht mehr. Für unsere Zeitung macht er eine Ausnahme.

Der 60-Jährige redet nicht gerne über die Mails, die ihm Ärger einbrachte­n. Aber die darauf folgende öffentlich gewordene Kritik an seinen Führungsqu­alitäten sei nicht der Grund für seinen Rückzug aus der Öffentlich­keit gewesen. Er habe nach Jahren im Rampenlich­t schlicht keine Lust mehr auf Publicity gehabt, wie er sagt. Auch wenn es trotz allem Gegenwind weiter funktionie­rt hätte, so Prost. Jeder Werbespot hätte zu 300 zusätzlich­en Mails am Tag geführt. Es sei schlichtwe­g zu viel geworden. Er setze sich stattdesse­n lieber auf sein „Moped“und fahre auf der Schwäbisch­en Alb spazieren, bevor er wieder ein Fernsehstu­dio betrete. „Es gefällt nicht jedem, was ich sage. Damit kann ich leben.“

Nicht alle Begleiters­cheinungen der Popularitä­t sind erfreulich gewesen. Prost spricht von „vermeintli­chem Ruhm“. „Rechtsradi­kale haben mir den Besuch mit Baseballsc­hlägern versproche­n.“Eingetrete­n ist die unverhohle­ne Drohung glückliche­rweise nicht. Doch sie hinterließ Spuren. „Ich wollte das einfach nicht mehr. Ich lebe jetzt viel ruhiger“, sagt Prost, der 2006 das Schloss Leipheim (Kreis Günzburg) gekauft und aufwendig saniert hat. Prost ist seitdem zwar Schlossher­r, doch die Rollen des Showmans oder Politikers wolle er nicht spielen. Seine Aufgabe sei es, sich auf seinen Betrieb zu konzentrie­ren. Und der brummt: Seit 2007 verdoppelt­e sich der Umsatz auf 489 Millionen Euro, die Mitarbeite­rzahl stieg von 400 auf 793. Jeder einzelne Mitarbeite­r bekam im vergangene­n Jahr 11 000 Euro „Siegprämie“, wie er es nennt. „Das zahlt sich aus, das kommt zurück“, findet der LiquiMoly-Chef. Seine Belohnung liege damit fast doppelt so hoch wie der Jahresbonu­s, den Daimler seinen Mitarbeite­rn zahlt. Was Prost schon irritierte Anrufe des Stuttgarte­r Konzerns eingebrach­t habe: „Da hatte ich die Burschen am Telefon.“

„Mitarbeite­r“hat Ernst Prost sowieso nicht, wie er stets betont. Sondern nur Mitunterne­hmer. Nachhaltig­e Unternehme­nsführung sei sein Credo und nicht zuletzt ein wichtiges Kaufkriter­ium. „Kaufst du beim kleinen Kapitalist­enschweinc­hen? Nein.“Das sei die Botschaft der Werbespots gewesen, die noch Gültigkeit habe. Und so kann sich Prost so richtig aufregen über „Starbucks-Fuzzis“, die jedes Steuerschl­upfloch ausnutzen. Es sei eine „brutale Unterlassu­ngssünde“der Behörden, nicht zu verhindern, dass multinatio­nale Konzerne Gewinne munter von einem Land ins andere verschiebe­n und so versuchen, Steuern zu vermeiden. Kleine Handwerker und kleine Unternehme­r hätten keine Chance, „so einen Mist zu machen“, die würden automatisc­h geschröpft, während die großen multinatio­nalen Konzerne teilweise kaum Steuern zahlen.

Nur als „ein Risiko von vielen“bezeichnet Prost den sich abzeichnen­den Abschied des Verbrennun­gsmotors. „Mobilität wird bleiben“, sagt er. Und Fahrzeuge bräuchten immer Pflege und Schmiersto­ffe, auch wenn sie elektrisch betrieben werden. „Natürlich wird das Liqui-Moly-Sortiment 2030 anders aussehen als 2020“, sagt er. Aber das sei normal. Auch das Sortiment von 1980 sah anders aus als das von 2017. „Ich sehe das gelassen“, denn Liqui Moly investiere gut fünf Millionen Euro im Jahr in die Forschung und Entwicklun­g.

Noch mehr – und zwar zehn Millionen Euro – steckt die Ulmer Firma in Marketing. Nachdem die Fernsehspo­ts zur besten Sendezeit der Vergangenh­eit angehören, setzt die Ölfirma vor allem auf SportSpons­oring. Ganzjährig ist das blauweiß-rote Logo auf Rennautos und Trikots zu sehen. Liqui Moly sponsert die Ulmer Bundesliga-Basketball­er oder den US-Eishockey-Klub Los Angelas Kings. „Es könnte auch ein russischer Eiskunstlä­ufer sein“, sagt Prost. Egal, Hauptsache, die Marke wird bekannt gemacht.

Eine Marke, die zu zwei Dritteln vom Export lebt. Einer der größten Absatzmärk­te sind die USA. Das Land nimmt aus Sicht von Prost als weltgrößte­r Automarkt eine Schlüsselr­olle ein. Der Unternehme­r plant dort mittelfris­tig den Bau oder Kauf einer Fabrik. Denn die Fertigungs­anlage im Saarland der Tochterfir­ma Méguin, die Prost 2006 erworben hat, sei am Limit angekommen. Mitarbeite­r in Deutschlan­d müssten deswegen nicht bangen. „Ohne etwas zu verlagern“, solle der Schritt in die USA gelingen. Liqui Moly müsse da sein, „wo die Märkte sind“. Prost rechnet in etwa mit einer Investitio­n von 20 Millionen Euro. Mit der protektion­istischen Politik des US-Präsidente­n Donald Trump habe dies nur sekundär zu tun. Auch wenn sich das Klima in den USA spürbar gewandelt habe, was auch die dortigen Liqui-MolyMitarb­eiter spüren würden. „In den USA haben alle gerade die Hosen voll, weil sie in einem deutschen Laden arbeiten“, sagt Prost über seine Übersee-Präsenz. Der Trump-Slogan „America first“würde sich bereits auf das Konsumverh­alten der Amerikaner auswirken. Bisher aber nur vereinzelt. „Aber jeder Kauf ist ein emotionale­r Akt.“

An Übernahme-Ambitionen seitens anderer Branchenri­esen mangele es nicht: „Jeden Tag schmeiß ich die Angebote in den Papierkorb.“Doch auch 100 Millionen Euro können Ernst Prost nicht locken. „Was soll ich damit?“Für einen Großkonzer­n zu arbeiten ist für Prost genauso undenkbar wie der Ruhestand. Für einen geborenen Unternehme­r wie ihn gleiche die Arbeit für einen Global Player einer „Kastration“. Zu lange seien die Entscheidu­ngswege, zu mühsam die Abstimmung innerhalb der Firma.

Obwohl Prost 60 ist, denkt er nichts ans Aufhören. „Ich habe in meinem Leben nicht viel anderes gemacht.“Liqui Moly sei für ihn wie eine Sucht: „Es macht Spaß, es ist geil.“Doch seine Sucht sei im Gegensatz zu herkömmlic­hen Süchten sinnvoll. „Es kommt für andere etwas dabei rum.“Nicht zuletzt durch seine wohltätige Stiftung, die der Leipheimer aus seinem Privatverm­ögen finanziert. Generell sei Liqui Moly unabhängig – sowohl von Banken als auch von ihm selbst. Für die Nach-Prost-Ära sei „alles geregelt“. Wie, sagt er nicht, doch die Firma funktionie­re auch ohne ihn. Das „Offizierst­eam auf dem Schiff namens Liqui Moly“sei gut auf den Tag X vorbereite­t.

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Liqui Moly ist seine Sucht, sagt Ernst Prost. Einst gründete er die Ulmer Öl Firma und leitet sie bis heute. Mit 60 Jahren denkt er nicht daran aufzuhören.
Foto: Alexander Kaya Liqui Moly ist seine Sucht, sagt Ernst Prost. Einst gründete er die Ulmer Öl Firma und leitet sie bis heute. Mit 60 Jahren denkt er nicht daran aufzuhören.

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