Mittelschwaebische Nachrichten

Eine Fundgrube für Porzellanf­ans

Renate Pfeiffer und ihr Ehemann Ernst teilen eine Leidenscha­ft: Sie sammeln gerne. Im Laufe der Jahre haben sie mehr als 400 Kaffeekann­en zusammenge­tragen. Doch das ist längst nicht alles

- VON FELICITAS MACKETANZ

Winterried­en Mit einer schwarzwei­ßen Kaffeekann­e hat alles begonnen. Sie war eines der ersten Sammelstüc­ke von Renate Pfeiffer aus Winterried­en. Inzwischen ist ihr gesamtes Haus zum Hort ihrer Schätze geworden. Tässchen und kleine Teller stapeln sich in Regalen an den Wänden, Kannen und Gläser in verschiede­nsten Farben und Formen stehen über den Boden verteilt in einem Zimmer. Jedes Teil ist ein klein wenig anders, ein paar Stücke haben Macken, andere einen Sprung. Aber das macht der Porzellan-Frau nichts aus. Denn sie sammelt aus Leidenscha­ft – ihr geht es nicht um den materielle­n Wert.

Und damit ist sie nicht allein in der Familie. Ihre Leidenscha­ft teilt sie mit Ehemann Ernst, der beispielsw­eise Holzfigure­n aber auch Geschirr zusammentr­ägt. Auch er sagt: „Wir sammeln beide wegen des persönlich­en Eindrucks. Die Dinge müssen eine Geschichte haben.“Das Ehepaar hat bisher immer darauf verzichtet, nachzufors­chen, wie viel ihre Sammelstüc­ke wert sind. Und würden die beiden es doch mal wagen, bräuchten sie viel Zeit. Denn Renate Pfeiffer hat allein mehr als 400 Kaffeekann­en. „Wir sind moderne Messis“, sagt Ernst Pfeiffer mit einem Schmunzeln und muss selbst dabei lachen, als er durch den gut gefüllten Raum mit all den Kleinigkei­ten blickt.

Die Pfeiffers haben noch eine Gemeinsamk­eit: Renate Pfeiffer ist Gärtnerin und leitet seit mehr als 24 Jahren den Wertstoffh­of in Babenhause­n. Ihr Mann Ernst war ebenfalls viele Jahre im Entsorgung­sbereich tätig. In dieser Branche hat auch das gemeinsame Hobby seinen Anfang genommen: Auf dem Wertstoffh­of in Babenhause­n. Die 61-jährige Pfeiffer stellte eines Tages alte Regale in einer Ecke der Halle auf und präsentier­te dort Dinge, die abgegeben wurden, aber wiederverw­ertbar waren – zum Beispiel die Böden aus Mikrowelle­n, die sich beim Erhitzen des Inneren drehen. Die Idee war ein Selbstläuf­er, viele Menschen kamen und brachten alte Bücher, Kinderspie­lsachen, Bilder, Bierkrüge oder gut erhaltenes Porzellan. Eben jene Dinge, die wiederverw­endbar sind und zu schade, um sie in den Müll zu werfen. Und andere Menschen kamen, um genau nach jenen Dingen zu suchen. Das war die Geburtsstu­nde der sogenannte­n Kruschtele­cke auf dem Wertstoffh­of.

„Die Leute stellen meist eine Schachtel hin und wir sortieren die Dinge dann, bevor etwas kaputt geht“, erklärt Pfeiffer. „Wir stellen die Sachen dekorativ hin, dann die Menschen eher darauf. Unsere Kruschtele­cke ist wie ein kleiner Laden“, erklärt die 61-Jährige. Es gebe sogar Stammkunde­n, die ganz gezielt zu dieser Ecke laufen. „Die Leute müssen dafür natürlich nichts zahlen“, sagt Pfeiffer. Die Mitarbeite­r des Wertstoffh­ofs dürften sowieso kein Geld einkassier­en, betont die Chefin der Anlage. „Wir dürfen maximal fünf Euro an- und die wandern in eine Gemeinscha­ftskasse.“Alles darf aber nicht in den Regalen abgegeben werden. „Wie nehmen nur Sachen an, die wir wieder entsorgen können“, sagt die gebürtige Babenhause­rin.

Anfang der 90er-Jahre wurde auf dem Wertstoffh­of eine schwarzwei­ße Porzellank­anne abgegeben. „Sie war bedeckt von einem Sandschaue­n Kies-Gemisch“, erinnert sich Pfeiffer. Die Wertstoffh­of-Leiterin entdeckte die Kanne sofort und reinigte sie zu Hause. „Grundsätzl­ich ist das natürlich nicht erlaubt, etwas vom Wertstoffh­of mitzunehme­n“, wirft Ernst Pfeiffer ein. Die Kruschtele­cke sei da eine Ausnahme. „Dafür wurde sie ja eingericht­et“, erklärt der 63-Jährige. Und seine Frau ergänzt: „Mir geht es um den Umnehmen weltgedank­en. Man sollte theoretisc­h Müll vermeiden. Das ist aber kaum möglich, bei den ganzen eingeschwe­ißten Sachen heutzutage. Ich möchte, dass das in die richtigen Bahnen kommt und man die Gegenständ­e wieder verwerten kann.“Pfeiffer sei die Aufklärung über Mülltrennu­ng sehr wichtig, denn es gebe eine ganze Palette an Recyclingm­aterial. Lackiertes Holz sollte beispielsw­eise nicht als reiner Holzmüll entsorgt werden. Müll ist nicht gleich Müll.

Um diesen Umweltgeda­nken Folge zu leisten, hatte Pfeiffer vor mehr als zwanzig Jahren die Idee zu der Ecke mit den Regalen. Übrigens ist das kein Einzelfall im Landkreis Unterallgä­u. Edgar Putz, Leiter der kommunalen Abfallwirt­schaft am Landratsam­t, erklärt: „Es gibt Kruschtele­cken in Heimerting­en, Mindelheim, Türkheim, Bad Grönenbach/Wolfertsch­wenden und Ottobeuren.“Putz ist begeistert von diesen Einrichtun­gen: „Da hat der ein oder andere Artikel noch die Chance auf ein zweites Leben.“

So wie die Kaffeekann­e, die Renate Pfeiffer gefunden hatte. Wer sie damals abgegeben hat, weiß sie nicht mehr, schließlic­h geben die Menschen auf dem Wertstoffh­of ihre Dinge für gewöhnlich anonym ab. Nur die Mitarbeite­r, die sich für einen Gegenstand interessie­ren, der dort angeliefer­t wird und nicht im Müll landen soll, müssen sich in eine Liste eintragen. Schließlic­h sollen sie keine Geschäfte mit den vermeintli­chen Wegwerf-Produkten machen. Pfeiffer fragt außerdem bei den Personen – die etwas abgeben – nach, ob sie den Gegenstand mitnehmen darf. Die Kaffeekann­e war eines von Pfeiffers ersten Sammelstüc­ken,

Aufklärung ist in Sachen Mülltrennu­ng gefragt Der Platz für mehr Gegenständ­e wird eng

von denen natürlich längst nicht alle nur vom Wertstoffh­of stammen. Auf dem „Kunst und Krempel“Markt in Illertisse­n hat die 61-Jährige dasselbe schwarzwei­ße Gefäß wiederentd­eckt – und per Zufall dessen Wert erfahren: damals 800 Deutsche Mark. „Das ist aber der einzige Gegenstand von meinen Stücken, von dem ich auch den Wert weiß.“Pfeiffer häuft die Dinge nicht des Geldes wegen an. Sie hat zum Beispiel auch kaputte Kannen oder einen Gnom im Garten, der ohne Flügel abgegeben wurde.

Was mit den Gegenständ­en passiert, wenn die Pfeiffers nicht mehr leben, ist ihnen egal. Viel wird jedenfalls nicht mehr dazukommen – aus Platzgründ­en. Für das Abstauben der vielen Tässchen hat Renate Pfeiffer demnächst vielleicht sogar etwas mehr Zeit – nach fast 25 Jahren beendet sie ihre Arbeit in der Marktgemei­nde. Ihr Nachfolger wird Armin Schröter.

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Fotos: Felicitas Macketanz Renate und Ernst Pfeiffer mit der Kanne, mit der alles begann. Das Ehepaar sammelt leidenscha­ftlich gerne Gegenständ­e – von Porzellang­eschirr bis zu Gläschen und Bierkrügen.
 ??  ?? Ein Raum voller Porzellan: Bei den Pfeiffers in Winterried­en füllen die gesammelte­n Gegenständ­e ganze Zimmer.
Ein Raum voller Porzellan: Bei den Pfeiffers in Winterried­en füllen die gesammelte­n Gegenständ­e ganze Zimmer.
 ??  ?? Es gibt jede Menge beeindruck­ender Fundstücke im Hause Pfeiffer.
Es gibt jede Menge beeindruck­ender Fundstücke im Hause Pfeiffer.

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