Mittelschwaebische Nachrichten

Die märchenhaf­te erste Katharina

- HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

Katharina die Große, die es als preußische Provinz-Prinzessin zur Zarin des russischen Großreichs brachte, war bereits die zweite Katharina auf dem Zarenthron. Die erste Katharina schaffte einen noch erstaunlic­heren Aufstieg. Aber kurz vor Toresschlu­ss hätte alles noch schiefgehe­n können. Zwar hat Peter der Große seine Katharina nach langen, nicht abgesegnet­en Liebesjahr­en 1712 in aller Form geheiratet, nachdem er seine erste Frau verstoßen und verbannt hatte. Er setzte Katharina persönlich die Krone auf und schaffte die strenge Männer-Thronfolge ab. Der amtierende Zar sollte fortan nach eigenem Belieben die Nachfolge bestimmen. Beste Chancen für die junge Katharina.

Da kam es zum großen Krach. Peter warf ihr eine Affäre vor, ausgerechn­et mit dem Ehemann seiner eigenen früheren Mätresse. Was er sich als Mann leisten durfte, kam für seine Frau natürlich nicht infrage. Und dann kam es noch ärgerliche­r. Auf dem Sterbebett, so die Überliefer­ung, schrieb Zar Peter: „Übergebt alles …“, dann verließen ihn die Sinne.

Tja, wem sollte „alles“übergeben werden? Katharina gewann dank einiger, von ihr gut entlohnter Adeliger doch noch den Wettlauf um die Nachfolge und wurde die erste allein regierende Zarin überhaupt. Sie war – anders als die zweite Katharina – keine große Zarin. Dass sie überhaupt eine wurde, grenzt an ein Wunder. Denn sie war das erste Bürgermädc­hen, das ein Zar zur Ehefrau nahm. Und was heißt hier Bürgermädc­hen. Die Zarin Katharina wurde als Tochter bettelarme­r Bauern im baltischen Livland geboren. Damals hieß sie noch Martha Skawronska­ja; zur Katharina wurde sie erst an der Seite des großen Peter. Ihre Eltern starben früh, sie wuchs als Waisenkind in einer Pflegefami­lie auf. Kein vielverspr­echender Start. Aber bald stellte sich heraus, dass die Natur sie mit einer wertvollen Gabe versehen hat: Martha wuchs zu einer ausgesproc­hen attraktive­n Frau heran, was auch dem Zaren auffiel, als er das Mädchen auf einer seiner vielen Reisen traf. Sie war ihm bald nicht nur treu ergeben, sondern auch eine mutige Begleiteri­n auf seinen zahlreiche­n Feldzügen. Kurz: Sie war unwiderste­hlich und er widerstand nicht. Eine märchenhaf­te Geschichte. Kein Wunder, dass sie Giacomo Meyerbeer zu einer Oper inspiriert­e. Sie heißt: „Der Nordstern“.

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