Mittelschwaebische Nachrichten

Amerika zuerst?

Wenn es ein Auto aus den USA gibt, das die deutsche Supersport­wagen-Liga aufmischen kann, dann ist es die legendäre Corvette. Wo die US-Ikone unschlagba­r in Front liegt – und wo sie hinterherf­ährt

- VON TOBIAS SCHAUMANN

Donald Trump ärgert sich zu Recht: Amerikanis­che Autos machen gegen deutsche praktisch keinen Stich. Das gilt nicht nur in der Breite, sondern auch in der Spitze. Gegen einen Audi R8, einen Mercedes AMG GTS oder einen Porsche 911 Turbo ist über dem Großen Teich kaum ein Kraut gewachsen.

Nur einem Modell aus Übersee gelingt es dann und wann, die deutsche Dominanz zu brechen – und sei es nur emotional, ist doch die legendäre Corvette in jedem Rennen ein Garant für ein optisches wie akustische­s Spektakel.

In der Version „Z06“bringt der wohl amerikanis­chste aller Zweisitzer Rennsport-Feeling auch auf die Straße – und nach Europa. Auf dem Downsizing- und Energieeff­izienzKont­ingent muss man sich an die Model-Maße einer Corvette erst gewöhnen: 6,2 (Liter) – 659 (PS) – 881 (Nm). Als könnte man diese gigantisch­en Zahlen jemals vergessen, sind sie auf einem kleinen Metallschi­ld in der Mittelkons­ole noch mal explizit angeschrie­ben.

Der Amerikaner liebt Gedächtnis­stützen – und er hat ein ganz anderes Verständni­s von groß und klein. So wird der mehr als sechs Liter mächtige V8 in den USA witzigerwe­ise als „Small-Block“bezeichnet. Mit einem Normverbra­uch von mehr als 14 Litern und einem CO2-Ausstoß weit jenseits der 300-Gramm-Grenze hat Amerika Hubraum 6162 ccm Leistung 659 PS bei 6000/min Drehm. 881 Nm bei 3600/min Länge/B./H. 4,51/1,97/1,24 Leergewich­t 1659 kg Kofferraum k. A. 0–100 km/h 3,7 Sek. Top Tempo 310 km/h Normverbra­uch 14,1 Liter Super CO2 Ausstoß 322 g/km Energieeff­izienzklas­se G Testwagenp­reis 131600 Euro ebenfalls kein großes Problem – Hauptsache, es ist kein böser deutscher Diesel. Dass die Corvette hin und wieder für wenige Sekunden vier der acht Zylinder abschaltet, um Benzin zu sparen, ist nicht mehr als ein Alibi. In der Realität rauschen 18, 19 Liter durch die Brennkamme­rn.

Zum Entsetzen ökologisch denkender Zeitgenoss­en ist der Spritverbr­auch jedoch auch in der deutschen Supersport­wagen-Liga ein untergeord­netes Thema. Es zählt allein die Performanc­e. Eine reiche Rennsport-Mitgift katapultie­rt die Corvette hier nach vorne: der mit Trockensum­pf-Schmierung ausgestatt­ete Kompressor­motor, ein speziell für Europa abgestimmt­es Fahrwerk mit aktiven magnetisch­en Dämpfern, leichte Blattfeder­n (!) aus Kunststoff, serienmäßi­ge SemiSlick-Reifen in den Breiten 285 vorne und 335 hinten, eine superdirek­te und -präzise Lenkung. Keine Frage: Diesem Paket merkt man an, dass es den Klassiker von Le Mans schon gewonnen hat. Umso erstaunlic­her die Schwächen, die sich die Corvette Z06 im Praxistest leistete. Schaltete man mit den Wippen hinter dem Lenkrad, brauchte die AchtgangAu­tomatik gefühlt eine halbe Ewigkeit, die Gänge einzulegen. Nach deutschen Maßstäben sollte der Gang exakt in dem Sekundenbr­uchteil reinknalle­n, in dem der Fahrer das Paddel zieht. Beim Runterscha­lten verweigert­e die Automatik den Befehl gelegentli­ch komplett. „Schalten nicht möglich“zeigte das Display an, offenbar, weil die Drehzahl dann zu weit nach oben geschossen wäre.

Ein Chevrolet-Sprecher bestätigte auf Nachfrage, dass manuelle Gangwechse­l vergleichs­weise langsam vonstatten­gingen, die Corvette dafür aber im Automatikm­odus schneller als ein Doppelkupp­lungsGetri­ebe schalte. Für Irritation­en sorgte ein zweiter Effekt: Im dritten Gang, etwa zwischen 2500 und 3000 Touren, fehlte der Corvette im Test mitunter kurzzeitig die Leistung. Erklärung des Chevrolet-Sprechers hier: die Traktionsk­ontrolle, die wegen des brachialen Drehmoment­s in diesen Drehzahlre­gionen einsetzt und die Power zähmt. Schade.

Zumindest die Klangkulis­se ist über jeden Zweifel erhaben. Aus den vier mittig angeordnet­en Endrohren, so etwas wie die US-Version der Trompeten von Jericho, bollert, röhrt und kreischt es fast schon obszön. Das ist Geschmacks­sache, dennoch können Enthusiast­en den Sieg in der Kategorie „Sound“der Corvette zuschreibe­n.

Unschlagba­r ist sie aber erst in einem anderen Punkt: dem Preis. Natürlich bewegt man sich auch in dieser Kategorie jenseits aller Vernunft. Trotzdem: Die Top-Version der Corvette Z06, noch dazu als Cabrio ausgeführt, kommt auf vergleichs­weise moderate 131600 Euro – in diesen Regionen fängt die Preisliste etwa für einen vergleichb­aren Mercedes AMG GTC erst an; und bei Ferrari gibt es für eine solche Summe vielleicht ein halbes Auto.

Zur Preisgesta­ltung ist ein interessan­tes Zitat von Corvette-Chefingeni­eur Dave Hill aus dem Jahre 2005 überliefer­t: „Wir wollen Sportwagen bauen, die sich jeder arbeitende Amerikaner leisten kann.“Wenn dem so wäre, hätte Donald Trump Amerika wirklich wieder groß gemacht. Und zum Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkom­men passt dieses Auto auch wie die Faust aufs Auge.

Datenblatt

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Fotos: Bernd Bäßler Nach oben offen: 659 PS sind selbst für einen Supersport­wagen wie die Corvette Z06, hier das Cabriolet, eine Menge Holz.
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Ein Ami in den Alpen: die Corvette Z06 nach der Erstürmung des Jaufenpass­es. Die vier Endrohre dominieren die Heckansich­t.

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