Mittelschwaebische Nachrichten
Bauen: Die Kommunen stecken in der Zwickmühle
Einer Studie zufolge wird auf dem Land zu viel gebaut. Doch wenn die Kommunen junge Leute am Ort halten wollen, müssen sie ihnen bezahlbaren Wohnraum bieten, der sich allerdings nur selten im Zentrum findet
Landkreis Forscher des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) kommen in einer aktuellen Studie zu dem Schluss, dass in Bayern auf dem Land zu viele Einfamilienhäuser gebaut werden, während in den Städten der Wohnraum knapp wird. Als Folge dieses Missverhältnisses prophezeien die Urheber der Studie einen langfristigen Wertverlust der ländlichen Immobilien und eine Zersiedelung der Dörfer durch Neubaugebiete in den Randlagen, während gleichzeitig die Zentren veröden. Als Konsequenz fordern die Forscher, keine neuen Baugebiete mehr auszuweisen.
In der Region geschieht aber genau das Gegenteil. Die Gemeinde Ziemetshausen etwa hat rund 50 Grundstücke mit im Schnitt zwischen 600 und 800 Quadratmetern Fläche ausgewiesen. Thannhausen plant gerade ein Neubaugebiet auf dem Eichberg, das Platz für etwa 40 Häuser bieten soll.
Thannhausens Bürgermeister Georg Schwarz hält nicht viel von solchen Prognosen. „Ich steh zunächst jeder Statistik skeptisch gegenüber“, sagt er. Zuletzt sei der Stadt Thannhausen ein Bevölkerungsrückgang bis 2020 um 13 Prozent prognostiziert worden. In den vergangenen acht Jahren sei jedoch das Gegenteil passiert. Schwarz weiß um das Dilemma, in dem die Kommunen stecken. Einerseits wollen sie junge Leute am Ort halten, können ihnen aber im Zentrum aus verschiedensten Gründen keinen Wohnraum bieten. Also richten sie den Blick auf die Peripherie und weisen Baugebiete am Ortsrand aus. „Wenn wir der Landflucht vorbeugen wollen, müssen wir jungen Leuten Möglichkeiten bieten, in ihrem Heimatdorf zu bauen“, sagt Schwarz. In vielen Dörfern sei es aber „völlig unattraktiv“an der Hauptstraße zu wohnen, sagt er und denkt dabei etwa an seine Heimatgemeinde Edelstetten, wo täglich die Lkw so nahe an den Häusern vorbeirattern, dass die Fahrer den Leuten buchstäblich ins Schlafzimmer gucken könnten.
Hier gegenzusteuern, sei nur durch „massive staatliche Förderung“möglich. „Wir brauchen intelligente Lösungen, um die innerdörfliche und innerstädtische Entwicklung voranzutreiben“, formuliert Schwarz etwas nebulös. Wie das gehen kann, weiß er selbst nicht genau. Es gibt kein Patentrezept, wie auch die ganz unterschiedlichen Ansätze der Städte zeigen, dieses Problem anzugehen. Ganz ohne Druck auf die Inhaber werde es nicht gehen, sagt Schwarz: „Ich will niemanden enteignen aber Eigentum verpflichtet auch.“Es müsse unattraktiv sein, Besitzer einer verfallenden Immobilie oder unbebauter Baugrundstücke zu sein. Schwarz könnte sich hier etwa einen zeitlich gestaffelten Aufschlag auf die Grundsteuer vorstellen.
Die Bebauungspläne im Innenstadtbereich zu ändern, sei politisch heikel, erklärt Schwarz, weil solche Änderungen bestehenden Immobilien neue Vorschriften überstülpen. Das ist unpopulär und mag dazu führen, dass die Kommunen in der Regel eher den Weg des geringeren Widerstands wählen und neue Flächen auf der grünen Wiese ausweisen.
Bei aller Aufregung rät Schwarz, die Suppe nicht heißer zu essen, als sie gekocht werde. Ähnliche Diskussionen habe es bereits in den 1970er-Jahren gegeben. Er ist zuversichtlich, dass auch in Zukunft noch genügend Menschen auf dem Land leben, um größere Leerstände zu vermeiden. „Wir brauchen allerdings auch die Infrastruktur dazu, deshalb sind Einrichtungen wie der Flexibus so wichtig“, sagt Schwarz.
Die Aussage der Studie kann auch Krumbachs Bürgermeister Hubert Fischer nicht nachvollziehen. „Für günstigen Wohnraum gibt es in Krumbach lange Wartelisten“, sagt der Bürgermeister. Bei teuren Wohnungen könnte es ein Überangebot geben, jedoch bezahlbarer Wohnraum für junge Familien sei gesucht. Die starke Nachfrage liege am gestiegenen Zuzug in unsere Region. Die Zahl der Flüchtlinge sei dabei nicht von großer Bedeutung. Zu Beginn des Jahres hat Krumbach bei der Einwohnerzahl die 13 000-erMarke deutlich geknackt. Auch die Ortsteile verzeichnen Zuwächse.
Rund 200 Bauplätze seien innerhalb Krumbachs in Privatbesitz und für eine Bebauung nicht verfügbar. „Hier sind uns die Hände gebunso den“, so Fischer. Manche Häuser in der Stadt stehen leer, die vermietet werden könnten. Die Stadt verfügt laut Fischer über vier eigene Plätze im Schleifweg. Dort entsteht ein Wohnkomplex mit 18 Wohnungen.
Die Bebauung des Einsle-Areals sieht Fischer als ein gelungenes Bauprojekt. Das Gelände sei jahrzehntelang brach gelegen. Zwischenzeitlich sei dort jeder Bauplatz verkauft und die meisten schon bebaut. Die Stadt versuche vorrangig, innerörtliche Areale für eine Bebauung zur Verfügung zu stellen. Auch das „Rendle-Areal“in der Mindelheimer Straße wurde lange Zeit nicht genutzt. Dort sollen nun neue Wohnungen entstehen. Bedauerlich sei es laut Fischer, dass man in den Ortsteilen Billenhausen und Hohenraunau in die Außenbereiche ausweichen müsse.
In Münsterhausen wird derzeit der Bebauungsplan für die Erweiterung des Baugebiets „Höhenweg“erstellt. Dort sollen am östlichen Ortsrand auf der Anhöhe 21 neue Bauplätze ausgewiesen werden. „Es kamen immer wieder Nachfragen aus der Bevölkerung nach Bauplätzen“, betont Bürgermeister Robert Hartinger. Innerhalb des Ortes seien 70 mögliche Bauplätze in privaten Händen. Vor rund drei Monaten hatte die Marktgemeinde die Besitzer schriftlich befragt, ob sie zu einem Verkauf ihres Grundstückes bereit wären. Nur rund 40 Prozent der angeschriebenen Besitzer hätten geantwortet. Keiner davon sei zu einem Verkauf bereit gewesen, so Hartinger.
Behutsam gehe man in Münsterhausen mit der Ausweisung von Baugebieten um. So sei über viele Jahre kein neues Baugebiet mehr entstanden. Das Gebiet am „Höhenweg“sei schon vor rund 20 Jahren im Flächennutzungsplan als Baugebiet vorgesehen worden. Die jetzige Erweiterung bedeutet einen teilweisen Lückenschluss des Baugebiets. Eine weitere Lücke in diesem Baugebiet bleibt vorerst landwirtschaftlich genutzte Fläche. Später können in diesem Bereich weitere rund 30 Bauplätze entstehen.