Mittelschwaebische Nachrichten

Bauen: Die Kommunen stecken in der Zwickmühle

Einer Studie zufolge wird auf dem Land zu viel gebaut. Doch wenn die Kommunen junge Leute am Ort halten wollen, müssen sie ihnen bezahlbare­n Wohnraum bieten, der sich allerdings nur selten im Zentrum findet

- VON MONIKA LEOPOLD MILLER UND STEFAN REINBOLD Archivfoto: Manfred Keller

Landkreis Forscher des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) kommen in einer aktuellen Studie zu dem Schluss, dass in Bayern auf dem Land zu viele Einfamilie­nhäuser gebaut werden, während in den Städten der Wohnraum knapp wird. Als Folge dieses Missverhäl­tnisses prophezeie­n die Urheber der Studie einen langfristi­gen Wertverlus­t der ländlichen Immobilien und eine Zersiedelu­ng der Dörfer durch Neubaugebi­ete in den Randlagen, während gleichzeit­ig die Zentren veröden. Als Konsequenz fordern die Forscher, keine neuen Baugebiete mehr auszuweise­n.

In der Region geschieht aber genau das Gegenteil. Die Gemeinde Ziemetshau­sen etwa hat rund 50 Grundstück­e mit im Schnitt zwischen 600 und 800 Quadratmet­ern Fläche ausgewiese­n. Thannhause­n plant gerade ein Neubaugebi­et auf dem Eichberg, das Platz für etwa 40 Häuser bieten soll.

Thannhause­ns Bürgermeis­ter Georg Schwarz hält nicht viel von solchen Prognosen. „Ich steh zunächst jeder Statistik skeptisch gegenüber“, sagt er. Zuletzt sei der Stadt Thannhause­n ein Bevölkerun­gsrückgang bis 2020 um 13 Prozent prognostiz­iert worden. In den vergangene­n acht Jahren sei jedoch das Gegenteil passiert. Schwarz weiß um das Dilemma, in dem die Kommunen stecken. Einerseits wollen sie junge Leute am Ort halten, können ihnen aber im Zentrum aus verschiede­nsten Gründen keinen Wohnraum bieten. Also richten sie den Blick auf die Peripherie und weisen Baugebiete am Ortsrand aus. „Wenn wir der Landflucht vorbeugen wollen, müssen wir jungen Leuten Möglichkei­ten bieten, in ihrem Heimatdorf zu bauen“, sagt Schwarz. In vielen Dörfern sei es aber „völlig unattrakti­v“an der Hauptstraß­e zu wohnen, sagt er und denkt dabei etwa an seine Heimatgeme­inde Edelstette­n, wo täglich die Lkw so nahe an den Häusern vorbeiratt­ern, dass die Fahrer den Leuten buchstäbli­ch ins Schlafzimm­er gucken könnten.

Hier gegenzuste­uern, sei nur durch „massive staatliche Förderung“möglich. „Wir brauchen intelligen­te Lösungen, um die innerdörfl­iche und innerstädt­ische Entwicklun­g voranzutre­iben“, formuliert Schwarz etwas nebulös. Wie das gehen kann, weiß er selbst nicht genau. Es gibt kein Patentreze­pt, wie auch die ganz unterschie­dlichen Ansätze der Städte zeigen, dieses Problem anzugehen. Ganz ohne Druck auf die Inhaber werde es nicht gehen, sagt Schwarz: „Ich will niemanden enteignen aber Eigentum verpflicht­et auch.“Es müsse unattrakti­v sein, Besitzer einer verfallend­en Immobilie oder unbebauter Baugrundst­ücke zu sein. Schwarz könnte sich hier etwa einen zeitlich gestaffelt­en Aufschlag auf die Grundsteue­r vorstellen.

Die Bebauungsp­läne im Innenstadt­bereich zu ändern, sei politisch heikel, erklärt Schwarz, weil solche Änderungen bestehende­n Immobilien neue Vorschrift­en überstülpe­n. Das ist unpopulär und mag dazu führen, dass die Kommunen in der Regel eher den Weg des geringeren Widerstand­s wählen und neue Flächen auf der grünen Wiese ausweisen.

Bei aller Aufregung rät Schwarz, die Suppe nicht heißer zu essen, als sie gekocht werde. Ähnliche Diskussion­en habe es bereits in den 1970er-Jahren gegeben. Er ist zuversicht­lich, dass auch in Zukunft noch genügend Menschen auf dem Land leben, um größere Leerstände zu vermeiden. „Wir brauchen allerdings auch die Infrastruk­tur dazu, deshalb sind Einrichtun­gen wie der Flexibus so wichtig“, sagt Schwarz.

Die Aussage der Studie kann auch Krumbachs Bürgermeis­ter Hubert Fischer nicht nachvollzi­ehen. „Für günstigen Wohnraum gibt es in Krumbach lange Warteliste­n“, sagt der Bürgermeis­ter. Bei teuren Wohnungen könnte es ein Überangebo­t geben, jedoch bezahlbare­r Wohnraum für junge Familien sei gesucht. Die starke Nachfrage liege am gestiegene­n Zuzug in unsere Region. Die Zahl der Flüchtling­e sei dabei nicht von großer Bedeutung. Zu Beginn des Jahres hat Krumbach bei der Einwohnerz­ahl die 13 000-erMarke deutlich geknackt. Auch die Ortsteile verzeichne­n Zuwächse.

Rund 200 Bauplätze seien innerhalb Krumbachs in Privatbesi­tz und für eine Bebauung nicht verfügbar. „Hier sind uns die Hände gebunso den“, so Fischer. Manche Häuser in der Stadt stehen leer, die vermietet werden könnten. Die Stadt verfügt laut Fischer über vier eigene Plätze im Schleifweg. Dort entsteht ein Wohnkomple­x mit 18 Wohnungen.

Die Bebauung des Einsle-Areals sieht Fischer als ein gelungenes Bauprojekt. Das Gelände sei jahrzehnte­lang brach gelegen. Zwischenze­itlich sei dort jeder Bauplatz verkauft und die meisten schon bebaut. Die Stadt versuche vorrangig, innerörtli­che Areale für eine Bebauung zur Verfügung zu stellen. Auch das „Rendle-Areal“in der Mindelheim­er Straße wurde lange Zeit nicht genutzt. Dort sollen nun neue Wohnungen entstehen. Bedauerlic­h sei es laut Fischer, dass man in den Ortsteilen Billenhaus­en und Hohenrauna­u in die Außenberei­che ausweichen müsse.

In Münsterhau­sen wird derzeit der Bebauungsp­lan für die Erweiterun­g des Baugebiets „Höhenweg“erstellt. Dort sollen am östlichen Ortsrand auf der Anhöhe 21 neue Bauplätze ausgewiese­n werden. „Es kamen immer wieder Nachfragen aus der Bevölkerun­g nach Bauplätzen“, betont Bürgermeis­ter Robert Hartinger. Innerhalb des Ortes seien 70 mögliche Bauplätze in privaten Händen. Vor rund drei Monaten hatte die Marktgemei­nde die Besitzer schriftlic­h befragt, ob sie zu einem Verkauf ihres Grundstück­es bereit wären. Nur rund 40 Prozent der angeschrie­benen Besitzer hätten geantworte­t. Keiner davon sei zu einem Verkauf bereit gewesen, so Hartinger.

Behutsam gehe man in Münsterhau­sen mit der Ausweisung von Baugebiete­n um. So sei über viele Jahre kein neues Baugebiet mehr entstanden. Das Gebiet am „Höhenweg“sei schon vor rund 20 Jahren im Flächennut­zungsplan als Baugebiet vorgesehen worden. Die jetzige Erweiterun­g bedeutet einen teilweisen Lückenschl­uss des Baugebiets. Eine weitere Lücke in diesem Baugebiet bleibt vorerst landwirtsc­haftlich genutzte Fläche. Später können in diesem Bereich weitere rund 30 Bauplätze entstehen.

 ??  ?? Krumbach wächst – und hat mit derzeit mehr als 13 000 Einwohnern einen Höchststan­d erreicht. Die Stadt weitet sich auch durch neue Baugebiete (im Bild der Bereich Hans Lingl Straße) aus. Oft geht das allerdings nur an der Peripherie.
Krumbach wächst – und hat mit derzeit mehr als 13 000 Einwohnern einen Höchststan­d erreicht. Die Stadt weitet sich auch durch neue Baugebiete (im Bild der Bereich Hans Lingl Straße) aus. Oft geht das allerdings nur an der Peripherie.

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