Mittelschwaebische Nachrichten
Ein verwirrender Vater Tochter Krimi
Eine Tochter beschuldigt ihren Vater der Körperverletzung, verstrickt sich aber in etliche Widersprüche
Günzburg Die Liste der Vorwürfe gegen einen 43-jährigen Familienvater aus Leipheim ist lang. Seine Tochter hatte 2016 Anzeige gegen ihn erstattet wegen gefährlicher Körperverletzung: 2012 soll er sie mit einem Stuhl geschlagen haben. 2013 habe er sie auf den Boden geworfen und getreten und in einem anderen Fall mit der Faust geschlagen. Außerdem habe er drei weitere Male zugeschlagen: 2013 mit einem Fahrradkorb auf die Hand und mit der flachen Hand auf den Kopf sowie 2014 mit der Faust auf den Rücken. So hatte es die 20-Jährige dem Ermittlungsrichter erzählt.
„Das stimmt überhaupt nicht“, weist der Vater am Dienstag alle Vorwürfe in der Hauptverhandlung vor dem Günzburger Amtsgericht zurück. „Wieso sollte ich Kinder schlagen?“, fragt der schmächtige Mann, Mechatroniker von Beruf. Seine Tochter habe schon immer gelogen, Probleme gemacht und mehrmals die Schule gewechselt. Trotz allem habe er sie immer verteidigt. Doch seit er ihr vor ein paar Jahren das Handy genommen und den Umgang mit ihrem ersten Freund verboten habe – ein Drogenabhängiger, sagt er – hasse sie ihn. Zu Hause habe sie geklaut, 600 Euro aus der Urlaubskasse zum Beispiel. Seit August 2016 wohnt die Älteste von vier Geschwistern nicht mehr im elterlichen Wohnhaus.
„Haben Sie sie geschlagen, als Sie ihr das Handy weggenommen haben?“, fragt ihn Richterin Franziska Braun. Der Angeklagte verneint.
Nach der Anzeige sei das Jugendamt da gewesen. Da habe die Tochter schon bei ihrem Freund gewohnt. Als dessen Familie sie rausgeschmissen habe, sei sie wieder für einen Monat eingezogen.
Mit seinen anderen beiden Töchtern, neun und 18 Jahre sowie dem 14 Monate alten Sohn gebe es keine Probleme. Und seit die Älteste weg sei, kämen auch wieder die Nachbarskinder zum Spielen. „Sie hat ja immer alle verprügelt. Ein Nachbarsmädchen hat sie an den Haaren gepackt und ihr Gesicht aufs Knie geschlagen“, erzählt der 43-Jährige.
Der Vater habe ihr gewaltsam das Handy abgenommen und an die Wand geworfen, berichtet nun die Tochter. Öfter sei er handgreiflich geworden. Einmal habe er sie auf den Boden geschmissen und getreten, als sie zu spät heimgekommen sei. Ein andermal habe er ihr einen Schlag mit der Faust verpasst. Blaue Flecken habe sie nicht gehabt. Mit dem Fahrradkorb habe ihr der Vater auf den Kopf geschlagen. Wieso sie ursprünglich gesagt habe, er habe die Hand getroffen, wisse sie nicht. Beim Anklagepunkt „Schlag mit der Faust auf den Rücken“, sagt sie nun, der Vater habe damals das Handy nach ihr geworfen und sie an der Schulter getroffen.
Das Verhältnis zu ihrem Vater sei schlecht, weil sie früher immer gelogen habe, erklärt sie. „Haben Sie geschlagen?“, fragt die Richterin. „Nein.“„Zum Beispiel Nachbarskinder?“„Nein.“„Haben Sie die Nachbarstochter verprügelt?“, fragt Verteidiger Walter Deistler. „Ja, weil sie meine Schwester angegriffen hat.“„Haben Sie nicht vorhin verneint, Nachbarskinder geschlagen zu haben?“Sie schweigt.
Die Mutter, 39 Jahre, Hausfrau, sagt, sie habe von den Taten nichts mitbekommen. „Auch nicht den Angriff mit dem Fahrradkorb?“, fragt die Richterin. „Sie hatte gar keinen Fahrradkorb“, antwortet die Mutter. Ihre Tochter habe schon immer gelogen und geklaut.
Der Staatsanwalt fasst zusammen, dass die Tochter zwar detaillierte Aussagen gemacht habe, im Verlauf der Verhandlung aber einige Widersprüche aufgetaucht seien. „Ich denke, an den Vorfällen ist nichts dran.“Er fordert Freispruch. Verteidiger Deistler sieht das genauso. Er habe den Vater als besonnen kennengelernt. Strafrechtlich sei er noch nie aufgefallen. Auch das Jugendamt habe nichts unternommen. „Wir haben hier eine notorische Lügnerin“, sagt er. „Die Widersprüche liegen daran, dass es die Vorfälle nicht gegeben hat.“Die Richterin spricht den Vater schließlich frei. Es stehe Aussage gegen Aussage. Ihr einziger Vorwurf: Der Vater sei bei der Erziehung zu lasch gewesen. Das sei aber nicht strafbar.