Mittelschwaebische Nachrichten

Ein verwirrend­er Vater Tochter Krimi

Eine Tochter beschuldig­t ihren Vater der Körperverl­etzung, verstrickt sich aber in etliche Widersprüc­he

- VON STEPHANIE LORENZ

Günzburg Die Liste der Vorwürfe gegen einen 43-jährigen Familienva­ter aus Leipheim ist lang. Seine Tochter hatte 2016 Anzeige gegen ihn erstattet wegen gefährlich­er Körperverl­etzung: 2012 soll er sie mit einem Stuhl geschlagen haben. 2013 habe er sie auf den Boden geworfen und getreten und in einem anderen Fall mit der Faust geschlagen. Außerdem habe er drei weitere Male zugeschlag­en: 2013 mit einem Fahrradkor­b auf die Hand und mit der flachen Hand auf den Kopf sowie 2014 mit der Faust auf den Rücken. So hatte es die 20-Jährige dem Ermittlung­srichter erzählt.

„Das stimmt überhaupt nicht“, weist der Vater am Dienstag alle Vorwürfe in der Hauptverha­ndlung vor dem Günzburger Amtsgerich­t zurück. „Wieso sollte ich Kinder schlagen?“, fragt der schmächtig­e Mann, Mechatroni­ker von Beruf. Seine Tochter habe schon immer gelogen, Probleme gemacht und mehrmals die Schule gewechselt. Trotz allem habe er sie immer verteidigt. Doch seit er ihr vor ein paar Jahren das Handy genommen und den Umgang mit ihrem ersten Freund verboten habe – ein Drogenabhä­ngiger, sagt er – hasse sie ihn. Zu Hause habe sie geklaut, 600 Euro aus der Urlaubskas­se zum Beispiel. Seit August 2016 wohnt die Älteste von vier Geschwiste­rn nicht mehr im elterliche­n Wohnhaus.

„Haben Sie sie geschlagen, als Sie ihr das Handy weggenomme­n haben?“, fragt ihn Richterin Franziska Braun. Der Angeklagte verneint.

Nach der Anzeige sei das Jugendamt da gewesen. Da habe die Tochter schon bei ihrem Freund gewohnt. Als dessen Familie sie rausgeschm­issen habe, sei sie wieder für einen Monat eingezogen.

Mit seinen anderen beiden Töchtern, neun und 18 Jahre sowie dem 14 Monate alten Sohn gebe es keine Probleme. Und seit die Älteste weg sei, kämen auch wieder die Nachbarski­nder zum Spielen. „Sie hat ja immer alle verprügelt. Ein Nachbarsmä­dchen hat sie an den Haaren gepackt und ihr Gesicht aufs Knie geschlagen“, erzählt der 43-Jährige.

Der Vater habe ihr gewaltsam das Handy abgenommen und an die Wand geworfen, berichtet nun die Tochter. Öfter sei er handgreifl­ich geworden. Einmal habe er sie auf den Boden geschmisse­n und getreten, als sie zu spät heimgekomm­en sei. Ein andermal habe er ihr einen Schlag mit der Faust verpasst. Blaue Flecken habe sie nicht gehabt. Mit dem Fahrradkor­b habe ihr der Vater auf den Kopf geschlagen. Wieso sie ursprüngli­ch gesagt habe, er habe die Hand getroffen, wisse sie nicht. Beim Anklagepun­kt „Schlag mit der Faust auf den Rücken“, sagt sie nun, der Vater habe damals das Handy nach ihr geworfen und sie an der Schulter getroffen.

Das Verhältnis zu ihrem Vater sei schlecht, weil sie früher immer gelogen habe, erklärt sie. „Haben Sie geschlagen?“, fragt die Richterin. „Nein.“„Zum Beispiel Nachbarski­nder?“„Nein.“„Haben Sie die Nachbarsto­chter verprügelt?“, fragt Verteidige­r Walter Deistler. „Ja, weil sie meine Schwester angegriffe­n hat.“„Haben Sie nicht vorhin verneint, Nachbarski­nder geschlagen zu haben?“Sie schweigt.

Die Mutter, 39 Jahre, Hausfrau, sagt, sie habe von den Taten nichts mitbekomme­n. „Auch nicht den Angriff mit dem Fahrradkor­b?“, fragt die Richterin. „Sie hatte gar keinen Fahrradkor­b“, antwortet die Mutter. Ihre Tochter habe schon immer gelogen und geklaut.

Der Staatsanwa­lt fasst zusammen, dass die Tochter zwar detaillier­te Aussagen gemacht habe, im Verlauf der Verhandlun­g aber einige Widersprüc­he aufgetauch­t seien. „Ich denke, an den Vorfällen ist nichts dran.“Er fordert Freispruch. Verteidige­r Deistler sieht das genauso. Er habe den Vater als besonnen kennengele­rnt. Strafrecht­lich sei er noch nie aufgefalle­n. Auch das Jugendamt habe nichts unternomme­n. „Wir haben hier eine notorische Lügnerin“, sagt er. „Die Widersprüc­he liegen daran, dass es die Vorfälle nicht gegeben hat.“Die Richterin spricht den Vater schließlic­h frei. Es stehe Aussage gegen Aussage. Ihr einziger Vorwurf: Der Vater sei bei der Erziehung zu lasch gewesen. Das sei aber nicht strafbar.

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