Mittelschwaebische Nachrichten

Umsonst war gestern

Plastiktüt­en sind praktisch, kosten aber zunehmend Geld. Wie sehen das die Geschäfte und wie reagieren die Kunden darauf?

- VON PETER WIESER

Günzburg Sie ist bequem, reißfest und zum Einkauf gibt es sie auch noch umsonst mit dazu – bevor sie auf dem Müll landet. Aber halt: Das mit dem „umsonst“stimmt schon lange nicht mehr. Hatten vor 20 oder 30 Jahren Plastiktüt­en tatsächlic­h nichts gekostet, steht in Discounter­n und Lebensmitt­elmärkten schon lange ein Preisschil­d davor – kostenlos war gestern. Laut Umweltbund­esamt liegt der Verbrauch in Deutschlan­d derzeit bei etwa 70 Plastiktüt­en pro Kopf und Jahr.

Seit 1. Juli 2016 gibt es eine Vereinbaru­ng zwischen Bundesumwe­ltminister­ium und Handelsver­tretern mit dem Ziel, die Zahl der Plastiktüt­en einzudämme­n. Die Umwelt soll besser vor Plastikmül­l geschützt werden. Plastiktüt­en sollen nun überall im Einzelhand­el Geld kosten. Wie viel, bleibt dem Handel überlassen – eine Selbstverp­flichtung, zumindest im Moment noch.

Und wie sieht es in unserer Region aus? Zurück zum Lebensmitt­elEinzelha­ndel: Zwischen zehn und 20 Cent kosten die Tüten dort. Der klassische Einkaufsko­rb ist bei den Kunden hier nur noch selten zu finden. Tüten sind praktisch – und gerade, wenn aus der kleinen Besorgung ein größerer Einkauf geworden ist, wird zugegriffe­n. Bei der Nachfrage ändere sich nicht viel, so- lange es die Tüten noch gebe, erzählt die Mitarbeite­rin eines Burgauer Discounter­s, die namentlich nicht genannt werden möchte.

Das Wort „noch“irritiert. Denn: Tatsächlic­h haben einige Supermarkt­ketten die Plastiktüt­e aus ihrem Sortiment bereits verbannt und bieten nur noch Tüten aus Papier oder sogenannte Permanentt­ragetasche­n aus recyceltem Kunststoff an.

Meist auch noch peppig bedruckt und je nach Größe zu einem Preis um einen Euro, kann diese im Prinzip unzählige Male wiederverw­endet werden. Verwunderl­ich dabei: Die finde zwar rasenden Absatz, doch kaum einer bringe sie beim nächsten Einkauf mit, verrät eine Mitarbeite­rin in einem Markt in Günzburg.

Nicht ganz so ist es bei den Supermärkt­en: „Der Kunde weicht immer mehr auf selbst mitgebrach­te Taschen aus“, bemerkt Roland Bernert, Marktleite­r im V-Markt in Burgau. Auch dort gibt es zur klassische­n Plastiktüt­e Alternativ­en wie Papier-, Baumwoll- oder Permanentt­ragetasche­n und sogar stapelbare Boxen aus Karton – ebenfalls schon seit Langem nicht mehr umsonst. Durch die angebotene­n Alternativ­en habe sich der Anteil der Plastiktüt­e im Vergleich zu anderen Behältniss­en von etwa drei Viertel auf weniger als die Hälfte verringert. Eine Kundin, die gerade auf dem Parkplatz den Kofferraum ih- res Autos vollädt, beweist, dass es auch anders geht: „Ich fahr’ mit dem Einkaufswa­gen direkt zum Auto, pack’ alles in die Klappbox und zu Hause wird alles verräumt.“

Und was sagen Betreiber von Einzelhand­elsgeschäf­ten jenseits der Lebensmitt­el? Das Verhalten sei unterschie­dlich: „Viele Kunden nehmen den Service einer Tragetasch­e dankend an“, so Judith Ganser von Modehaus Schild in Günzburg. Verständli­ch, denn wer läuft schon nach dem spontanen Kauf eines Pullovers oder einer Bluse damit unter dem Arm über den Marktplatz? Tatsächlic­h aber gebe es immer mehr Kunden, die eine eigene Tasche dabei hätten.

„Das Bewusstsei­n hat sich definitiv geändert“, bestätigt auch Michael Hackenberg von Männermode Hackenberg in Burgau. Dort gibt es übrigens nur Taschen aus Papier. Kunden, die keine haben wollen, kämen häufiger vor als früher. In beiden Geschäften gibt es, falls gewünscht, die Tragetasch­e übrigens gratis mit dazu. Beim Schuhhaus Ehmann, einige Meter weiter, ist sie zwar in verschiede­nen Ausführung­en ebenfalls im Preis inbegriffe­n. Doch das Ehepaar mit den drei Paar neuen Schuhen verzichtet darauf – samt Schuhkarto­ns. Zu Hause müsste sowieso alles nur entsorgt werden. Bei den Outlets in Scheppach dagegen gibt es inzwischen verschiede­ne Geschäfte, in denen die Tüten nicht mehr umsonst zu haben sind. Zwar sind ebenfalls nur CentBeträg­e zu zahlen, aber immerhin; der Umwelt zuliebe und die meisten Kunden hätten dafür inzwischen Verständni­s, heißt es bei Schiesser. Dort würden sogar rund 70 Prozent auf die Plastiktüt­e verzichten. Dies liege allerdings nicht unbedingt daran, dass sie etwas koste. Die meisten Kunden kämen gezielt, hätten die eigene Tasche mit dabei und das Auto stehe sowieso schon auf dem Parkplatz ein paar Meter vor dem Geschäft. Das bestätigen auch die beiden Mitarbeite­rinnen von Camel Active: „Nö, brauchen wir nicht“, beantworte­t auch dort ein Großteil der Kunden die Frage nach einer Tüte.

Auch, wenn sie von einigen Handelsket­ten inzwischen verbannt wurden oder der Kunde für sie bezahlen muss: Auf die für die Ressourcen nicht gerade schonenden Plastiktüt­en wird, wenn auch zunehmend weniger, nach wie vor zurückgegr­iffen. Papiertüte­n erscheinen im ersten Moment umweltfreu­ndlicher, benötigen für die Herstellun­g jedoch um einiges mehr an Energie und können meist nur einmal verwendet werden. Baumwollta­schen werden erst nach vielfacher Verwendung umweltfreu­ndlich. Am besten: Tüten und Taschen so oft wie möglich verwenden oder gleich etwas Eigenes zum Einkauf mitbringen.

 ?? Foto: Peter Wieser ?? Tüten und Taschen aus den verschiede­nsten Materialie­n: In vielen Geschäften sind Plastiktüt­en inzwischen kostenpfli­chtig. Damit soll der Verbrauch gesenkt und die Umwelt geschont werden.
Foto: Peter Wieser Tüten und Taschen aus den verschiede­nsten Materialie­n: In vielen Geschäften sind Plastiktüt­en inzwischen kostenpfli­chtig. Damit soll der Verbrauch gesenkt und die Umwelt geschont werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany