Mittelschwaebische Nachrichten
Umsonst war gestern
Plastiktüten sind praktisch, kosten aber zunehmend Geld. Wie sehen das die Geschäfte und wie reagieren die Kunden darauf?
Günzburg Sie ist bequem, reißfest und zum Einkauf gibt es sie auch noch umsonst mit dazu – bevor sie auf dem Müll landet. Aber halt: Das mit dem „umsonst“stimmt schon lange nicht mehr. Hatten vor 20 oder 30 Jahren Plastiktüten tatsächlich nichts gekostet, steht in Discountern und Lebensmittelmärkten schon lange ein Preisschild davor – kostenlos war gestern. Laut Umweltbundesamt liegt der Verbrauch in Deutschland derzeit bei etwa 70 Plastiktüten pro Kopf und Jahr.
Seit 1. Juli 2016 gibt es eine Vereinbarung zwischen Bundesumweltministerium und Handelsvertretern mit dem Ziel, die Zahl der Plastiktüten einzudämmen. Die Umwelt soll besser vor Plastikmüll geschützt werden. Plastiktüten sollen nun überall im Einzelhandel Geld kosten. Wie viel, bleibt dem Handel überlassen – eine Selbstverpflichtung, zumindest im Moment noch.
Und wie sieht es in unserer Region aus? Zurück zum LebensmittelEinzelhandel: Zwischen zehn und 20 Cent kosten die Tüten dort. Der klassische Einkaufskorb ist bei den Kunden hier nur noch selten zu finden. Tüten sind praktisch – und gerade, wenn aus der kleinen Besorgung ein größerer Einkauf geworden ist, wird zugegriffen. Bei der Nachfrage ändere sich nicht viel, so- lange es die Tüten noch gebe, erzählt die Mitarbeiterin eines Burgauer Discounters, die namentlich nicht genannt werden möchte.
Das Wort „noch“irritiert. Denn: Tatsächlich haben einige Supermarktketten die Plastiktüte aus ihrem Sortiment bereits verbannt und bieten nur noch Tüten aus Papier oder sogenannte Permanenttragetaschen aus recyceltem Kunststoff an.
Meist auch noch peppig bedruckt und je nach Größe zu einem Preis um einen Euro, kann diese im Prinzip unzählige Male wiederverwendet werden. Verwunderlich dabei: Die finde zwar rasenden Absatz, doch kaum einer bringe sie beim nächsten Einkauf mit, verrät eine Mitarbeiterin in einem Markt in Günzburg.
Nicht ganz so ist es bei den Supermärkten: „Der Kunde weicht immer mehr auf selbst mitgebrachte Taschen aus“, bemerkt Roland Bernert, Marktleiter im V-Markt in Burgau. Auch dort gibt es zur klassischen Plastiktüte Alternativen wie Papier-, Baumwoll- oder Permanenttragetaschen und sogar stapelbare Boxen aus Karton – ebenfalls schon seit Langem nicht mehr umsonst. Durch die angebotenen Alternativen habe sich der Anteil der Plastiktüte im Vergleich zu anderen Behältnissen von etwa drei Viertel auf weniger als die Hälfte verringert. Eine Kundin, die gerade auf dem Parkplatz den Kofferraum ih- res Autos vollädt, beweist, dass es auch anders geht: „Ich fahr’ mit dem Einkaufswagen direkt zum Auto, pack’ alles in die Klappbox und zu Hause wird alles verräumt.“
Und was sagen Betreiber von Einzelhandelsgeschäften jenseits der Lebensmittel? Das Verhalten sei unterschiedlich: „Viele Kunden nehmen den Service einer Tragetasche dankend an“, so Judith Ganser von Modehaus Schild in Günzburg. Verständlich, denn wer läuft schon nach dem spontanen Kauf eines Pullovers oder einer Bluse damit unter dem Arm über den Marktplatz? Tatsächlich aber gebe es immer mehr Kunden, die eine eigene Tasche dabei hätten.
„Das Bewusstsein hat sich definitiv geändert“, bestätigt auch Michael Hackenberg von Männermode Hackenberg in Burgau. Dort gibt es übrigens nur Taschen aus Papier. Kunden, die keine haben wollen, kämen häufiger vor als früher. In beiden Geschäften gibt es, falls gewünscht, die Tragetasche übrigens gratis mit dazu. Beim Schuhhaus Ehmann, einige Meter weiter, ist sie zwar in verschiedenen Ausführungen ebenfalls im Preis inbegriffen. Doch das Ehepaar mit den drei Paar neuen Schuhen verzichtet darauf – samt Schuhkartons. Zu Hause müsste sowieso alles nur entsorgt werden. Bei den Outlets in Scheppach dagegen gibt es inzwischen verschiedene Geschäfte, in denen die Tüten nicht mehr umsonst zu haben sind. Zwar sind ebenfalls nur CentBeträge zu zahlen, aber immerhin; der Umwelt zuliebe und die meisten Kunden hätten dafür inzwischen Verständnis, heißt es bei Schiesser. Dort würden sogar rund 70 Prozent auf die Plastiktüte verzichten. Dies liege allerdings nicht unbedingt daran, dass sie etwas koste. Die meisten Kunden kämen gezielt, hätten die eigene Tasche mit dabei und das Auto stehe sowieso schon auf dem Parkplatz ein paar Meter vor dem Geschäft. Das bestätigen auch die beiden Mitarbeiterinnen von Camel Active: „Nö, brauchen wir nicht“, beantwortet auch dort ein Großteil der Kunden die Frage nach einer Tüte.
Auch, wenn sie von einigen Handelsketten inzwischen verbannt wurden oder der Kunde für sie bezahlen muss: Auf die für die Ressourcen nicht gerade schonenden Plastiktüten wird, wenn auch zunehmend weniger, nach wie vor zurückgegriffen. Papiertüten erscheinen im ersten Moment umweltfreundlicher, benötigen für die Herstellung jedoch um einiges mehr an Energie und können meist nur einmal verwendet werden. Baumwolltaschen werden erst nach vielfacher Verwendung umweltfreundlich. Am besten: Tüten und Taschen so oft wie möglich verwenden oder gleich etwas Eigenes zum Einkauf mitbringen.