Mittelschwaebische Nachrichten

Wenn aggressive Schüler zum Problem werden

Im Dominikus-Ringeisenw­erk in Ursberg wird eine Stütz- und Förderklas­se für Erstklässe­r eingericht­et

- VON WALTER KAISER

Landkreis/Ursberg Man möchte es kaum glauben. Aber: „Das ist unser tägliches Geschäft“, versichert Schulamtsl­eiter Josef Seibold. Im Jugendhilf­eausschuss war von Kindern die Rede, die so verhaltens­gestört sind, dass sie in einer Regelschul­e nicht unterricht­et werden können. Und ihre Zahl steigt dramatisch, wie Ulrike Egger, die Schulleite­rin des Sozialpäda­gogischen Förderzent­rums Ursberg, im Ausschuss berichtete. „Es ist nicht mehr Fünf vor Zwölf, es ist ganz kurz vor Zwölf“. Deshalb empfahl der Jugendhilf­eausschuss dem Kreistag einstimmig, in Ursberg vorab eine erste Stütz-und Förderklas­se für derart schwierige Kinder im Grundschul­alter einzuricht­en.

Nicht zuletzt, um Betreuungs­lücken im südlichen Landkreis zu schließen. In deutlichen, man könne auch sagen drastische­n Worten schilderte Ulrike Egger die Situation an vielen Schulen im Landkreis. So berichtete sie von einem Buben, dem es binnen Kurzem gelungen war, die Einrichtun­g eines Zimmers zu zerlegen. Wohlgemerk­t: erste Klasse Grundschul­e. Immer häufiger kämen Kinder an den Grundschul­en an, die frei von jeglicher Kompetenz seien, erklärte Ulrike Egger weiter. Die Lernfähigk­eit sei ebenso wenig vorhanden wie soziale oder emotionale Kompetenze­n. Die Kinder seien aggressiv, unkonzentr­iert oder nicht in der Lage, auch nur kurze Zeit still zu sitzen. Die Ursberger Schulleite­rin: „Viele sind im Grunde gar nicht beschulbar“. Doch wohin mit diesen „besonderen Kindern“, wie die Pädagogin es formuliert­e.

Eigens eingericht­ete, schwabenwe­it zentrale Schulen wie das Josefinum in Augsburg oder eine Schule in Kempten sind restlos ausgebucht. „Eigentlich bräuchte jeder Landkreis eine Erziehungs­schule für solche Kinder“, erklärte Ulrike Egger. Auch deren Eltern müsste in größerem Umfang Hilfen und Beratung angeboten werden. Denn viele der verhaltens­auffällige­n Kinder kommen aus schwierige­n familiären Verhältnis­sen. Fast 20 Prozent müssen mit Sozialleis­tungen auskommen, knapp die Hälfte lebt in Trennungso­der Scheidungs­familien, rund 38 Prozent der Kinder werden nur von einem Elternteil betreut. Alles andere als ein optimaler Start ins Schul- und spätere Berufslebe­n. Als Träger des Sozialpäda­gogischen Förderzent­rums hat das Dominikus-Ringeisen-Werk Ursberg deshalb beantragt, mit Beginn des Schuljahre­s 2018 eine erste Stützund Förderklas­se für Erstklässl­er einrichten zu dürfen. Bliebe es bei nur einer Klasse ab dem Schuljahr 2018 mit neun bis zehn Kindern, würde das den Landkreis rund 30000 Euro jährlich kosten. Doch der Bedarf ist größer. Drei Klassen mit insgesamt etwa 26 Kindern könnten es im Endausbau werden – verbunden mit gut 200 000 Euro, die der Landkreis jährlich aufzubring­en hätte. Eine beachtlich­e Summe. „Aber andere Formen der Schulbegle­itung kosten auch viel Geld“, betonte Ulrike Egger. „Und Stützund Förderklas­sen erzielen nachweisli­ch Erfolge.“Schulamtsl­eiter Josef Seibold dankte der Ursberger Schulleite­rin für ihre „klaren Worte“. Bereits vor sechs Jahren habe sich das Schulamt für mehr Stützund Förderklas­sen ausgesproc­hen. Seinerzeit habe es in den Kreisgremi­en geheißen, das sei „nicht Inklusion, sondern Exklusion“, also die Ausgrenzun­g schwierige­r Kinder.

Der Erkenntnis­prozess scheint inzwischen vorangesch­ritten. Einstimmig empfahlen die Mitglieder des Jugendhilf­eausschuss­es dem Kreistag, die Mittel für Stütz- und Förderklas­sen in Ursberg zu bewilligen. Denn Ziel, so Landrat Hubert Hafner, sei es, möglichst jedem Kind einen bestmöglic­hen Start ins Leben zu ermögliche­n.

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Symbolfoto: Oliver Berg/dpa Schulen haben Probleme mit aggressi ven Schülern.

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