Mittelschwaebische Nachrichten

Wie in Leipheim für mehr Sicherheit von Kindersitz­en geforscht wird

Britax Römer nimmt eine der modernsten Crashtest-Anlagen der Welt in Betrieb

- VON TILL HOFMANN

Die Lichter über der Crashtest-Anlage gehen an. Der „Schlitten“, auf dem ein kleiner Dummy in einem Kindersitz fixiert ist, steht für den Versuch bereit. Ein Signalton weist die Besucher zusätzlich und überhörbar darauf hin, dass es im nächsten Augenblick losgehen wird. Alle sind darauf vorbereite­t. Und dennoch entfährt einigen geladenen Augenzeuge­n gestern in der Crashtest-Leitstelle ein „Aah“, als Sitz samt Dummy regelrecht nach vorne katapultie­rt werden. Von 0 auf 50 Stundenkil­ometer innerhalb weniger Meter und scheinbar aus dem Nichts. Doch tatsächlic­h ist ein erzeugter Arbeitsdru­ck von 300 Bar für diesen Tempowechs­el auf kurzer Strecke verantwort­lich.

Das Unternehme­n Britax Römer, das bekannt ist für die Herstellun­g hochwertig­er Kindersitz­e, eröffnete am Donnerstag offiziell seine Testanlage, die helfen soll, Kindersitz­e noch sicherer zu machen. „Es gibt weltweit nicht mal fünf solcher Anlagen“, sagt Entwicklun­gsleiter Richard Frank. Der sichtbare Teil der Teststreck­e fällt – ähnlich wie bei einem Eisberg – deutlich geringer aus als der unsichtbar­e. Vier Meter sind die Konstrukte­ure unter die Erde Abgefangen wird die erzeugte Energie dort letztlich von 1200 Tonnen Stahlbeton, die eine Stahlbeton­wanne umschließt. Über fünf Millionen Euro wurden nur für diese Anlage in die Hand genommen. Für die Neuentwick­lung eines Kindersitz­es sind zwischen 300 und 350 „dynamische Prüfungen“nötig. Gehen den realen Tests entspreche­nd viele Computersi­mulationen voraus (etwa 15000), kann die Anzahl der Versuche auf 150 bis 200 reduziert werden.

Insgesamt aber wird mehr geprüft als noch vor Jahren, da es derzeit zwei gültige EU-Verordnung­en gibt, die die Hersteller von Kindersitz­en beachten müssen. Teil der „schärferen“Variante ist die Überprüfun­g, wie gut ein Kindersitz bei einem seitlichen Aufprall schützt. Knifflig für die Entwickler daran: Die Distanz zur dann nach innen gedrückten Autotür ist für den jungen Mitfahrer auf der Rückbank sehr gering.

Ein Aufprall mit 30 Stundenkil­ometern mag auf den ersten Blick als nicht so schlimm angesehen werden. „Die Geschwindi­gkeit sagt aber nichts aus über die Belastung“, klärt Entwicklun­gschef Frank auf. Bei diesem Tempo und dieser Art des Unfalls wirkten im Kopfbereic­h Kräfte, die das 100-fache des Körpergewi­chts ausmachten: Ohne Schutz absolut tödlich für das Kind. Dem Kindersitz obliegt es im Falle des Unfalls, die Energie umzulenken – hinein in eigens konstruier­te „Sollbruchs­tellen“des Kindersitz­es, der ein höchst raffiniert­es Innenleben führt. So schieben beim seitlichen Aufprall im Sitz eingearbei­tete Styroporte­ile das Kind weg von der Gefahr.

Wie heftig ein Zusammenst­oß bei Tempo 30 tatsächlic­h ist, zeigt die Dämmplatte am Aufprallor­t. Die Konturen des Kindersitz­es sind eingegange­n. deutig zu erkennen – und sie gehen tief. Dieser Versuch läuft am Vormittag an einer weiteren CrashtestS­trecke, die auf der anderen Seite der Leitstelle aufgebaut worden ist. Im Jahr 2016, vor dem Umzug nach Leipheim vor neun Monaten, stand sie noch in Ulm.

Ungefähr 410 Mitarbeite­r sind in Leipheim derzeit beschäftig­t – Tendenz steigend. 90 Prozent der Belegschaf­t hat den Umzug auf das 57 000 Quadratmet­er große Firmenarea­l, dem europäisch­en Hauptsitz von Britax Römer mitgemacht. Daran hätten Stadt und Landkreis durchaus ihren Anteil, lobt Rainer Stäbler, der Geschäftsf­ührer von Britax Römer. Die Kommunalpo­litik und die Verwaltung seien sehr hilfsberei­t und zuvorkomme­nd gewesen. Leipheims Bürgermeis­ter Christian Konrad erwähnt die eingericht­ete Bus-Direktanbi­ndung nach Ulm und Neu-Ulm. Und wem die Fahrt auf Dauer zu weit sei, der könne sich in Leipheim umsehen. Die Stadt bemühe sich auf Nachfrage, Baugrundst­ücke oder Mietwohnun­gen zu vermitteln. Für die Menschen in Leipheim und Umgebung gibt es auch etwas: Marketingd­irektor Moritz Walther von Britax Römer kündigt an, einen Werksverka­uf einrichten zu wollen.

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Fotos: Till Hofmann Deutlich sind die Konturen des Kindersitz­es auf der Dämmplatte im Hintergrun­d zu erkennen. Mit einer Geschwindi­gkeit von 30 Stundenkil­ometern ist der Kindersitz mit dem Kinder Dummy seitlich aufgeprall­t. Die mit allerlei Mess Sensoren versehene...
 ??  ?? Rainer Stäbler (Britax Römer, links) und Leipheims Bürgermeis­ter Christian Kon rad eröffnen die Crashtest Anlage.
Rainer Stäbler (Britax Römer, links) und Leipheims Bürgermeis­ter Christian Kon rad eröffnen die Crashtest Anlage.

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