Mittelschwaebische Nachrichten

Was die Hitze mit der Autobahn macht

Schweiß und Wut im Stau, Tempolimit­s wegen Hitzeblase­n und dann steht auch noch der Grünstreif­en in Flammen. Hohe Temperatur­en belasten Autofahrer und Autobahndi­rektion

- Jok@augsburger allgemeine.de

Konzentrat­ion nach. Haugg berichtet vom Fall einer Frau, die erschöpft von der Hitze am Steuer ihres Autos ohne Klimaanlag­e ohnmächtig geworden ist. Sie hatte Glück, dass das auf der Autobahnau­sfahrt passierte. Sie überlebte.

Kommen Stau und Hitze zusammen, werden manche aggressiv. Haugg kennt das etwa von einem Stau bei Dasing (Landkreis AichachFri­edberg). „Da sind die Leute ausgetickt“, sagt er. „Einer hat auf der Autobahn gewendet.“Der Fahrer wollte auf der falschen Seite bis zur nächsten Ausfahrt fahren, um nicht im Stau stehen zu müssen.

Nicht nur die Menschen leiden, auch das Material. Im Moment warnen Autobahndi­rektionen wieder vor sogenannte­n Blow Ups. Die können bei älteren Betonfahrb­ahnen entstehen. Die Betonplatt­en dehnen sich bei der Hitze aus, drücken sich im schlimmste­n Fall nach oben und brechen. „Wie wenn man zwei CD-Hüllen mit aller Kraft gegeneinan­derschiebt“, beschreibt Josef Seebacher von der Autobahndi­rektion Südbayern das Phänomen. Auf der A6 in Baden-Württember­g passierte das erst am vergangene­n Mittwoch.

Um die Gefahr zu minimieren, gibt es aktuell auf der A94 bei München Abschnitte, auf denen das Tempolimit tagsüber auf 80 Stundenkil­ometer gesenkt wurde. Aber: Blow Ups seien „ein ganz seltenes Ereignis“. Und nicht jedes Mal platzt die Straße auf, häufiger schiebt sich eine Platte nur etwas nach oben. Auf der Autobahn kann das dennoch gefährlich werden. Vor vier Jahren gab es mehrere Vorfälle, unter anderem war ein Motorradfa­hrer in Niederbaye­rn wegen eines Hitzeschad­ens gestorben. Daraufhin reagierte die Autobahndi­rektion. Sie ließ an gefährdete­n Strecken Entspannun­gsschnitte einfügen. Dabei wird ein Teil des Betons durch Asphalt ersetzt. Asphalt ist weicher, die Straße kann nicht mehr aufplatzen.

Die Autobahnst­recken rund um Augsburg waren laut Seebacher auch vorher nicht gefährdet. Und in den vergangene­n vier Jahren wurden auch die Gefahrenst­ellen im Bereich der Autobahndi­rektion Südbayern

Wenn es lange Zeit heiß ist, kann es bei Betonfahrb­ahnen unter bestimmten Voraussetz­ungen zu ei nem Hitzeschad­en kommen. Be tonplatten dehnen sich aus und drü cken gegeneinan­der.

Im schlimmste­n Fall wölben sie sich auf und platzen. Experten nennen das „Blow Up“. Das Hinder nis, das dadurch auf der Fahrbahn entsteht, stellt für Auto und Motor radfahrer eine große Gefahr dar.

Als Gegenmaßna­hme werden „Entspannun­gsschnitte“einge fügt. Der Beton wird dort durch wei cheren Asphalt ersetzt. (dpa) gesichert. Nur bei der A94 gebe es noch ein Restrisiko – passiert ist dort aber noch nie etwas.

Auch ohne dass es zur Katastroph­e kommt, leiden die Straßen bei den Temperatur­en. „Unsere Fahrbahnen sind auf die Temperatur­en ausgelegt, die hier herrschen“, sagt Seebacher. Das heißt, sie halten Temperatur­en bis minus 30 Grad aus, aber auch die Hitze in den Sommertage­n wie im Moment. „Das ist eine extreme Spanne“, erklärt Seebacher. An den Grenzen dieser Spanne leidet das Material bereits. Bei Asphalt gibt es zwar keine Blow Ups – bei extremer Hitze kann er aber weich werden, sodass Spurrinnen entstehen.

An den vergangene­n, besonders heißen Tagen brannte zudem immer wieder Gras auf Mittelstre­ifen in der Stadt und auf den Autobahnen. Friedhelm Bechtel von der Augsburger Feuerwehr sagt: „Vom Brand selbst geht nur eine geringe Gefahr aus.“Wenn das Gras verbrannt ist, höre das Feuer von selbst auf und im Normalfall gebe es in der Nähe nichts, das brennen könnte. Aber: „Das raucht natürlich ziemlich stark.“Das führe zu Sichtbehin­derungen – eine deutlich größere Gefahr als das Feuer selbst. Oft entstehen solche Brände durch weggeworfe­ne Zigaretten­kippen oder durch Glas, das das Sonnenlich­t bündelt. In der Stadt kommt es auch vor, dass Autos auf dem Grünstreif­en parken – dann kann der heiß gefahrene Katalysato­r zur Gefahr werden.

Es gab eine Zeit – und die ist noch nicht allzu lange her –, da hat man sich in Bayern halbwegs gepflegt miteinande­r unterhalte­n. An Stammtisch­en beschimpft­e man sich zwar bei Meinungsve­rschiedenh­eiten wüst. Aber am folgenden Sonntag war meist alles wieder gut. Außerdem fand das Ganze in überschaub­aren kleinen Zirkeln statt.

Das hat sich geändert. Der moderne Hitzkopf ist eine Spezies, die sich offenbar mit der Klimaerwär­mung in unserer Gesellscha­ft vermehrt wie Streptokok­ken im Spätwinter. Und der neue Stammtisch ist Facebook und Co. Ziemlich groß und ziemlich öffentlich.

Von den sommerlich­en Temperatur­en werden diese Hitzköpfe derzeit wieder richtig zum Glühen gebracht. Wer eine andere Meinung hat, ist mindestens ein Depp, meist aber ein Arschloch.

Die Rede ist von einer neuen gesellscha­ftlichen Schicht – dem Wutbürgert­um. Es bricht mit der Tradition, dass zur politische­n Mitte auch eine innere Mitte gehört, also Gelassenhe­it. Der Wutbürger buht, schreit, hasst. Und er ist zutiefst empört über alles und jeden, der nicht seiner Meinung ist. Denn der Wutbürger denkt an sich und nicht an andere. Die sind ihm egal. Und er hat das Gefühl, stets in der Mehrheit zu sein. So argumentie­rt er auch – meist ohne Fakten, aber immer mit einer Überdosis Emotion. Das Wort Respekt verwendet er nur in Bezug auf die eigene Person.

Glückliche­rweise wird der Wutbürger oft nur digital aktiv. Im wahren Leben traut sich die Masse der Zornigen noch nicht, sich zu offenbaren. Doch der Ärger in den Köpfen und Seelen ist da. Und sagen wir es mal platt: Wenn die Köpfe der Wutbürger tatsächlic­h rauchen würden, würde es in unseren Dörfern und Städten qualmen wie bei einer Grillparty.

Blow Ups

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Foto: Rene Priebe, dpa Bei großer Hitze wird es gefährlich auf der Autobahn. Auf Betonfahrb­ahnen kann es dann zu sogenannte­n Blow Ups kommen: Betonplatt­en dehnen sich aus und drücken sich im schlimmste­n Fall nach oben und brechen – für Auto und Motorradfa­hrer kann das eine...

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