Mittelschwaebische Nachrichten

Der Bettenboom und seine Grenzen

Neueröffnu­ngen und kein Ende in Sicht: In Ulm und Neu-Ulm wird viel Geld in Hotels investiert. Die Nachfrage ist groß – doch der Konkurrenz­druck macht manche unruhig

- VON MARCUS GOLLING

Ulm/Neu Ulm Manchmal gehen Wünsche in Erfüllung. Nicht einmal zehn Jahre ist es her, da hatte Wolfgang Dieterich, Geschäftsf­ührer der Ulm/Neu-Ulm Touristik GmbH (UNT), noch Grund zur Klage: Es gebe zu wenig Übernachtu­ngsmöglich­keiten in der Doppelstad­t. Heute kann er sich darüber nicht mehr beschweren. „Es tut sich etwas“, sagt er. Und: Es hat sich bereits einiges getan. So viel, dass manche Branchenke­nner schon unken, dass der Bedarf bald mehr als gedeckt ist.

Die Zahlen der Statistisc­hen Landesämte­r aus Bayern und BadenWürtt­emberg zeigen die Entwicklun­g deutlich: Nachdem zwischen der Jahrtausen­dwende und 2009 die Bettenzahl in der Doppelstad­t zwischen 3200 und 3600 schwankte, zeigt die Kurve seit 2010, als 3680 erreicht wurden, steil nach oben. Für 2016 verzeichne­t die Statistik 4616 Betten. Tatsächlic­h sind es sogar ein paar mehr: Erst ab zehn Betten und mehr müssen gewerblich­e Übernachtu­ngsbetrieb­e Meldung an die Landesämte­r machen. Wichtige Neueröffnu­ngen in den vergangene­n Jahren waren das Riku-Hotel an der Augsburger Straße in Neu-Ulm (2012) und das B&B-Hotel am Ehinger Tor in Ulm (2013).

Und damit nicht genug: Bis 2018 rechnet UNT-Chef Dieterich mit 310 weiteren Betten für Ulm und 250 für Neu-Ulm. Summa summarum könnte die Doppelstad­t statistisc­h dann 5200 Gästen gleichzeit­ig ein Nachtlager bieten. Die wichtigste­n geplanten Neueröffnu­ngen sind das B&B-Hotel am Allgäuer Ring in Neu-Ulm (250 Betten) und ein Vier-Sterne-Plus-Hotel der Leonardo-Gruppe im Ulmer Dichtervie­rtel (280 Betten). „Die großen Ketten sind sehr expansiv, und fast alle wollen sie zu uns“, so Dieterich.

Doch warum eigentlich? Es liege an der Wirtschaft­skraft der Region – kombiniert mit der seit Jahren guten konjunktur­ellen Lage, wie Diete- erklärt. Denn tatsächlic­h sind es weniger die Münstertur­m-Besteiger, die sich abends in die (Neu-)Ulmer Hotelbette­n kuscheln, sondern vor allem Geschäftsr­eisende. Bei diesen habe es dem UNT-Chef zufolge eine starke Zunahme gegeben, ebenso bei der Nachfrage nach Tagungsräu­men. Natalie Zimmermann aus dem Management RikuHotels von Ebbo Riedmüller­s Barfüßer-Gruppe sieht die günstige Lage Ulms zwischen München und Stuttgart als wichtigste­n Pluspunkt des Standorts.

Karin Krings vom Hotel Goldenes Rad an der Neuen Straße nennt noch einen Grund: die von der schwarz-gelben Bundesregi­erung 2009 beschlosse­ne – und viel gescholten­e – Senkung der Mehrwertst­euer in der Hotellerie. „Für unsere Branche war das ein großer Anreiz zum Investiere­n“, sagt Krings, Kreisvorsi­tzende für Ulm und AlbDonau im Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverband (Dehoga). Das gelte nicht nur für die großen Ketten, sondern auch für privat geführte Häuser wie ihres. Wobei Krings betont, dass man nicht nur in Gebäude und Ausstattun­g, sondern auch in Personal investiert habe.

Bislang, so Dieterich, sei die Zahl der Betten im Gleichschr­itt mit der Zahl der Übernachtu­ngen gewachsen. Sie überschrit­t 2016 erstmals die magische Marke von 800 000. Die Vertriebsp­ower der großen Ketten trägt nach Einschätzu­ng der UNT dazu bei, dass immer mehr Gäste in die Doppelstad­t kommen. Auch Dehoga-Sprecherin Krings sieht die Neueröffnu­ngen positiv: Sie zeigten, dass sich etwas bewegt in der Region. „Ulm und Neu-Ulm sind im Moment gut aufgestell­t“, findet sie. „Aber es darf auch nicht zu viel werden.“Denn der Anteil der Geschäftsr­eisenden von etwa 80 Prozent an den Übernachtu­ngen bedeute auch, dass es von Donnerstag bis Sonntag überall freie Zimmer gebe. Krings glaubt, dass mit der Eröffnung von Großprojek­ten wie dem Leonardo-Hotel der Markt gesättigt sei und die Zimmerprei­se fallen könnten. „Machen kann man dagegen leider nichts“, sagt sie.

Doch von Panik ist bei den etab-

Die großen Ketten sind heiß auf den Standort

lierten Häusern trotzdem nichts zu spüren. Nicht beim Goldenen Rad jedenfalls. „Wir stellen uns dem Wettbewerb“, sagt Chefin Krings. Es gebe schließlic­h auch Gäste, die lieber in kleinen und mittleren Häusern als in den Riesenkomp­lexen der Ketten übernachte­ten. Sie gibt aber auch zu, dass der ein oder andere Hotelier angesichts von Leonardo & Co. „ein bisschen Angst“bekomme. Auch Ludwig Tschischka von der Post in Schwaighof­en, mit 60 Betten ein mittelgroß­es Haus, sieht die Entwicklun­g kritisch. Er bleibt aber pragmatisc­h. Seine Antwort auf die Konkurrenz: „Viel Werbung machen, viel renovieren.“Er befürchric­h tet aber auch: „Die Stücke vom Kuchen werden immer kleiner.“

Bei den Riku-Hotels schätzt man die Lage anders ein: „Zu Spitzenzei­ten deckt das Angebot die Nachfrage noch nicht. Wir gehen davon aus, dass durch Projekte wie Stuttgart 21 der Bedarf weiter steigen wird“, so Natalie Zimmermann. Nicht ausgeschlo­ssen also, dass der Bettenboom an der Donau noch nicht aufhört. Auch Dieterich sieht noch eine echte Lücke: Es fehlen Hostels und Jugend-Gästehäuse­r, wo etwa Schulklass­en günstig absteigen könnten. Was diesen Bereich angeht, fehle es an passenden Liegenscha­ften in Innenstadt­nähe – und an Investoren.

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Symbolfoto: Oliver Berg, dpa Die Zahl der Hotelbette­n ist in Ulm und Neu Ulm in den vergangene­n Jahren stark ge stiegen – und wird weiter steigen. Der Konkurrenz­druck wächst mit.

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