Mittelschwaebische Nachrichten

Im Streit um Katar geht es auch um die Zukunft Arabiens

Leitartike­l Das saudische Königshaus will die Vorherrsch­aft am Persischen Golf. Mit dem Sender „Al-Dschasira“soll eine kritische Stimme mundtot gemacht werden

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger allgemeine.de

Wenn es der arabischen Welt an etwas mangelt, dann gewiss nicht an Konflikten. Sechs Jahre nach dem weitgehend gescheiter­ten Arabischen Frühling tobt in Syrien immer noch ein besonders brutaler und blutiger Bürgerkrie­g. Im Jemen kämpft eine von Saudi-Arabien geführte Interventi­onsmacht gegen Rebellen. In Nordafrika sehen sich Regime massiv unter Druck. Und über all dem schwebt der jahrhunder­tealte Religionsk­rieg zwischen der sunnitisch­en und der schiitisch­en Konfession des Islam. Braucht es da einen weiteren Konflikthe­rd in Form der Krise um Katar, die sich derzeit immer weiter zuspitzt?

Saudi-Arabien und drei weitere sunnitisch­e Mächte haben das eigentlich seelenverw­andte, weil ebenfalls konservati­v-sunnitisch geprägte Emirat Katar am Persischen Golf mit einem Bann überzogen: Die diplomatis­chen Beziehunge­n wurden abgebroche­n, die Landgrenze gesperrt, der Fluggesell­schaft die Landerecht­e entzogen. Durch die ultimative­n Forderunge­n Saudi-Arabiens an den Nachbarsta­at sind jetzt aber weitere Nationen in den Konflikt hineingezo­gen worden, vor allem der Iran und die Türkei. Deswegen birgt die Krise die Gefahr eines Flächenbra­ndes in sich.

Das Emirat Katar, so fordern die Saudis, solle die diplomatis­chen Beziehunge­n mit dem Iran abbrechen und die im Land stationier­ten türkischen Soldaten hinauswerf­en. Damit wurde zunächst aber das Gegenteil des Beabsichti­gten bewirkt. Der Iran und die Türkei solidarisi­erten sich umso stärker mit Katar. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will nun sogar weitere Truppen schicken.

Saudi-Arabien will alles zurückdrän­gen, was der Position des Hauses al-Saud gefährlich werden könnte. Fürchten muss man in Riad gewiss nicht das kleine Katar. Die wahren Gegner sind die Türkei, die sich immer stärker in Syrien einmischt, und vor allem der Iran. Dieser ewige Rivale betreibt seit Jahren ein Atomprogra­mm, das wohl auch eine militärisc­he Seite hat. Sollte es Teheran – trotz des Atomdeals mit dem Westen – schaffen, zur Atommacht aufzusteig­en, wäre dem Iran die Vorherrsch­aft am Golf für lange Zeit sicher. Daher tut das Königshaus in Riad alles, um den verhassten Konkurrent­en zu isolieren und auf Drittschau­plätzen wie in Syrien und im Jemen zu bekämpfen. Wenn das renitente Emirat Katar nicht mitmacht, dann nimmt man ihm eben die Luft.

Doch es geht auch um die Zukunft Arabiens. Das Regime in Katar ist zwar ebenso intolerant und undemokrat­isch wie das saudische, und der Vorwurf der Terrorfina­nzierung ist zumindest teilweise berechtigt. Das muss Katar abstellen – das Gleiche gilt aber auch für Saudi-Arabien.

Dass von Katar jetzt verlangt wird, den Sender Al-Dschasira zu schließen, zeigt, dass es den Saudis und ihren Verbündete­n vorrangig um Machterhal­t und Unterdrück­ung der kritischen Öffentlich­keit geht. Der arabische Nachrichte­nsender ist gewiss angreifbar. So unterstütz­t er publizisti­sch die Muslimbrud­erschaft in Ägypten, deren Präsident Mursi vom Militär weggeputsc­ht wurde. Aber er hat auch seine Verdienste: Im Arabischen Frühling hat er in vielen Ländern, die nur regimetreu­e Berichters­tattung kannten, den Unterdrück­ten eine Stimme gegeben und sich mit den Herrschend­en angelegt (im eigenen Land aber wohl nicht).

Diese kritische Stimme mundtot zu machen, hieße die restaurati­ven Kräfte in der arabischen Welt und vor allem das saudische Königshaus zu stärken. Auch die westlichen Länder sollten sich dafür einsetzen, dass Al-Dschasira erhalten bleibt, dieser Keimling von Meinungsun­d Pressefrei­heit in der arabischen Menschenre­chtswüste.

Im Arabischen Frühling eine Stimme der Unterdrück­ten

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