Mittelschwaebische Nachrichten
Rentenalarm im Wahlkampf
Soziales Jobs im Wandel, mehr alleinstehende Frauen, weniger durchgängige Arbeitsleben: Wieder warnt eine Studie vor einem Anstieg der Altersarmut. Neue Nahrung für den Streit der Parteien
Berlin Es ist keine ganz neue Erkenntnis, die da aus Gütersloh kommt, 400 Kilometer von Berlin entfernt: „Das Altersarmutsrisiko steigt weiter“, warnt die Bertelsmann-Stiftung. Doch in Deutschland ist Wahlkampf, und so zeigt man sich im Regierungsviertel der Hauptstadt sofort alarmiert. Wie sieht die renommierte Stiftung die Lage der künftigen Rentner? Und wer in der politischen Arena hat da die besten Rezepte parat? Wer ein Leben lang arbeitet und ordentlich verdient, braucht sich auch in den kommenden Jahren nur wenig Sorgen über seine Rente zu machen.
Die Bertelsmann-Stiftung sieht die Risiken anderswo – bei all denen mit befristeten Verträgen, in Teilzeit, bei jenen, die bei Leih- oder Zeitarbeitsfirmen angestellt sind. Die Experten sehen die Risiken bei Geringverdienern, bei alleinstehenden Frauen, Niedrigqualifizierten und Langzeitarbeitslosen. Unterm Strich kommt die Stiftung zu einem beunruhigenden Befund: Von Altersarmut bedroht ist in knapp 20 Jahren jeder fünfte Neurentner. Denn ein Arbeitsleben ohne größere Brüche und mit durchgängig anständigem Lohn sei immer weniger Normalität. Gewerkschaften und Sozialverbände reagieren prompt.
Sie hätten ja schon lange gewarnt – nun müsse die Politik handeln. Und auch die Bertelsmann-Stiftung ist nicht zimperlich. Diskutiert die Politik nicht bereits permanent die Zukunft der Rente? Schon. Aber die aktuellen Reformdebatten, so Bertelsmann-Arbeitsmarktexperte Christof Schiller, „gehen oft an der vorbei“. So würden Diskussionen um eine Stabilisierung des Rentenniveaus Risikogruppen nicht weiterhelfen. Prekär Beschäftigte könnten ja schon während der Berufsjahre oft nur schlecht von ihrem Gehalt leben – umso weniger dann von der Rente.
Am meisten Aufmerksamkeit mit einem Rentenkonzept zog im Wahlkampf die SPD auf sich. Kanzlerkandidat Martin Schulz und Arbeitsministerin Andrea Nahles warnen, ohne große Rentenreform bald nach der Bundestagswahl im September drohten größte Probleme. Die SPD verspricht: eine Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent und eine Begrenzung des Beitragssatzes bei 22 Prozent bis 2030 sowie eine Solidarrente mit Bezügen von zehn Prozent über der Grundsicherung – wenn die Betroffenen mindestens 35 Jahre Beiträge bezahlt haben.
Jetzt sieht sich Nahles von Bertelsmann bestätigt: „Wir brauchen einen neuen Generationenvertrag, der frühzeitig ansetzt, um Altersarmut zu verhindern.“Die SPDFrau, ganz im Wahlkampfmodus, teilt voll gegen CDU-Kanzlerin AnWirklichkeit gela Merkel aus. „Die Weigerung von Frau Merkel, ein Konzept für eine verlässliche Rente der Zukunft vorzulegen, hat dramatische Konsequenzen für eine wachsende Anzahl von Menschen.“Das Gegenbild fächert die Union bei einem Rentenkongress in ihrem Fraktionssaal im Reichstagsgebäude auf. Dort gilt es, die Merkel-Linie zu untermauern, nach der die Rente bis 2030 stabil und finanziell gut aufgestellt ist.
Der CDU-Arbeitsmarktexperte Karl Schiewerling etwa stellt die Fähigkeit der Ökonomen infrage, mit ihren Modellen die Rente in 20 Jahren vorhersagen zu können. Fressen Digitalisierung und technische Neuerungen tatsächlich so viele normale Jobs, wie vielfach befürchtet? „Wir wissen im Moment nicht, wie die Digitalisierung weiter fortschreitet“, wendet Schiewerling ein, „bisher war es so, dass wir bei jedem technischen Fortschritt hinterher nicht weniger Arbeit hatten, sondern mehr“. Wenn das so käme, bestünden wohl auch viele Prognosen der Bertelsmann-Stiftung zur Altersarmut nicht den Realitätstest.
Die Präsidentin der Rentenversicherung, Gundula Roßbach, die im Wahlkampf nicht Partei nimmt, hat beruhigende und mahnende Worte. „Grundsätzlich ist das Rentensystem sehr, sehr stabil aufgestellt“, sagt sie. Doch es gebe auch Problemgruppen wie Selbstständige. Da sieht Roßbach Reformbedarf: „Wie können wir diesen Menschen eine Perspektive geben?“Dass man sich um sie kümmern muss, räumen auch die Rentenpolitiker der Union ein. Basil Wegener, dpa Washington Der „Twitterer-inChief“hat dazugelernt. Statt über sein Lieblingsmedium auf den Teilerfolg vor dem Verfassungsgericht zu reagieren, meldete er sich ganz altmodisch via Pressemitteilung zu Wort. „Die heutige Entscheidung des Supreme Court ist ein klarer Sieg unserer nationalen Sicherheit“, erklärte Donald Trump. „Als Präsident kann ich keine Leute ins Land lassen, die uns schaden wollen.“Es sei ihm eine besondere Genugtuung, dass die neun Richter die Entscheidung einstimmig gefällt hätten.
Nur, die Richter haben eigentlich noch gar nichts entschieden. Mindestens nicht in der Sache. Sie erlauben lediglich die Aussetzung von Aspekten der Einstweiligen Verfügungen, die nachgeordnete Gerichte gegen den sogenannten „MuslimBann“angeordnet hatten. In ihrer 16-seitigen Begründung heißt es, der Einreisestopp „darf nicht gegen ausländische Staatsbürger durchgesetzt werden, die glaubwürdig eine ,bona fide‘ (echte) Beziehung zu einer Person oder Institution in den USA haben.“Dazu gehören familiäre, berufliche oder auch staatliche Kontakte.
Im Klartext bedeutet dies, dass Bürger Irans, Libyens, Somalias, Sudans, Syriens und Jemens für 90 Tage nicht in die USA reisen dürfen, wenn sie solche „bona fide“Beziehungen
Bürgerrechtsbewegung zeigt sich geschockt
nicht nachweisen können. Flüchtlingen wird darüber hinaus für 120 Tage die Einreise in die USA verweigert. Donald Trump will den Bann nun binnen 72 Stunden in die Praxis umsetzen. In beiden Fällen hatte der Präsident argumentiert, die Regierung benötige die Zeit, um ihre Verfahren zur Überprüfung der Unbedenklichkeit einer Visa-Erteilung unter die Lupe zu nehmen. Da diese Frist im Oktober bei Anhörung der Argumente durch das Verfassungsgericht abgelaufen ist, behält sich das Gericht ausdrücklich vor zu prüfen, ob sich der Fall zu diesem Zeitpunkt erledigt hat.
Die Bürgerrechtsbewegung ACLU zeigte sich geschockt über die vorübergehende Aussetzung von Aspekten der Einstweiligen Verfügungen. „Trumps sogenannter Reisebann ist ein Bann, der Muslime ins Visier nimmt“, klagt der Vorsitzende Anthony Romero. Der ACLU werde sich für die vollständige Aufhebung dieses diskriminierenden Erlasses einsetzen.
Eine aktuelle Studie des „Center for Investigative Reporting“widerspricht Trumps Argument, der Bann sei nötig, um die Bürger zu schützen. Nur ein Prozent der zwischen 2008 und 2016 an einem Terrorakt in den USA beteiligten Personen stammt aus einem der vom Einreisestopp betroffenen Länder. 87 Prozent der Terrorbeteiligten kamen dagegen in den USA zur Welt.