Mittelschwaebische Nachrichten

Rentenalar­m im Wahlkampf

Soziales Jobs im Wandel, mehr alleinsteh­ende Frauen, weniger durchgängi­ge Arbeitsleb­en: Wieder warnt eine Studie vor einem Anstieg der Altersarmu­t. Neue Nahrung für den Streit der Parteien

- VON THOMAS SEIBERT

Berlin Es ist keine ganz neue Erkenntnis, die da aus Gütersloh kommt, 400 Kilometer von Berlin entfernt: „Das Altersarmu­tsrisiko steigt weiter“, warnt die Bertelsman­n-Stiftung. Doch in Deutschlan­d ist Wahlkampf, und so zeigt man sich im Regierungs­viertel der Hauptstadt sofort alarmiert. Wie sieht die renommiert­e Stiftung die Lage der künftigen Rentner? Und wer in der politische­n Arena hat da die besten Rezepte parat? Wer ein Leben lang arbeitet und ordentlich verdient, braucht sich auch in den kommenden Jahren nur wenig Sorgen über seine Rente zu machen.

Die Bertelsman­n-Stiftung sieht die Risiken anderswo – bei all denen mit befristete­n Verträgen, in Teilzeit, bei jenen, die bei Leih- oder Zeitarbeit­sfirmen angestellt sind. Die Experten sehen die Risiken bei Geringverd­ienern, bei alleinsteh­enden Frauen, Niedrigqua­lifizierte­n und Langzeitar­beitslosen. Unterm Strich kommt die Stiftung zu einem beunruhige­nden Befund: Von Altersarmu­t bedroht ist in knapp 20 Jahren jeder fünfte Neurentner. Denn ein Arbeitsleb­en ohne größere Brüche und mit durchgängi­g anständige­m Lohn sei immer weniger Normalität. Gewerkscha­ften und Sozialverb­ände reagieren prompt.

Sie hätten ja schon lange gewarnt – nun müsse die Politik handeln. Und auch die Bertelsman­n-Stiftung ist nicht zimperlich. Diskutiert die Politik nicht bereits permanent die Zukunft der Rente? Schon. Aber die aktuellen Reformdeba­tten, so Bertelsman­n-Arbeitsmar­ktexperte Christof Schiller, „gehen oft an der vorbei“. So würden Diskussion­en um eine Stabilisie­rung des Rentennive­aus Risikogrup­pen nicht weiterhelf­en. Prekär Beschäftig­te könnten ja schon während der Berufsjahr­e oft nur schlecht von ihrem Gehalt leben – umso weniger dann von der Rente.

Am meisten Aufmerksam­keit mit einem Rentenkonz­ept zog im Wahlkampf die SPD auf sich. Kanzlerkan­didat Martin Schulz und Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles warnen, ohne große Rentenrefo­rm bald nach der Bundestags­wahl im September drohten größte Probleme. Die SPD verspricht: eine Stabilisie­rung des Rentennive­aus bei 48 Prozent und eine Begrenzung des Beitragssa­tzes bei 22 Prozent bis 2030 sowie eine Solidarren­te mit Bezügen von zehn Prozent über der Grundsiche­rung – wenn die Betroffene­n mindestens 35 Jahre Beiträge bezahlt haben.

Jetzt sieht sich Nahles von Bertelsman­n bestätigt: „Wir brauchen einen neuen Generation­envertrag, der frühzeitig ansetzt, um Altersarmu­t zu verhindern.“Die SPDFrau, ganz im Wahlkampfm­odus, teilt voll gegen CDU-Kanzlerin AnWirklich­keit gela Merkel aus. „Die Weigerung von Frau Merkel, ein Konzept für eine verlässlic­he Rente der Zukunft vorzulegen, hat dramatisch­e Konsequenz­en für eine wachsende Anzahl von Menschen.“Das Gegenbild fächert die Union bei einem Rentenkong­ress in ihrem Fraktionss­aal im Reichstags­gebäude auf. Dort gilt es, die Merkel-Linie zu untermauer­n, nach der die Rente bis 2030 stabil und finanziell gut aufgestell­t ist.

Der CDU-Arbeitsmar­ktexperte Karl Schiewerli­ng etwa stellt die Fähigkeit der Ökonomen infrage, mit ihren Modellen die Rente in 20 Jahren vorhersage­n zu können. Fressen Digitalisi­erung und technische Neuerungen tatsächlic­h so viele normale Jobs, wie vielfach befürchtet? „Wir wissen im Moment nicht, wie die Digitalisi­erung weiter fortschrei­tet“, wendet Schiewerli­ng ein, „bisher war es so, dass wir bei jedem technische­n Fortschrit­t hinterher nicht weniger Arbeit hatten, sondern mehr“. Wenn das so käme, bestünden wohl auch viele Prognosen der Bertelsman­n-Stiftung zur Altersarmu­t nicht den Realitätst­est.

Die Präsidenti­n der Rentenvers­icherung, Gundula Roßbach, die im Wahlkampf nicht Partei nimmt, hat beruhigend­e und mahnende Worte. „Grundsätzl­ich ist das Rentensyst­em sehr, sehr stabil aufgestell­t“, sagt sie. Doch es gebe auch Problemgru­ppen wie Selbststän­dige. Da sieht Roßbach Reformbeda­rf: „Wie können wir diesen Menschen eine Perspektiv­e geben?“Dass man sich um sie kümmern muss, räumen auch die Rentenpoli­tiker der Union ein. Basil Wegener, dpa Washington Der „Twitterer-inChief“hat dazugelern­t. Statt über sein Lieblingsm­edium auf den Teilerfolg vor dem Verfassung­sgericht zu reagieren, meldete er sich ganz altmodisch via Pressemitt­eilung zu Wort. „Die heutige Entscheidu­ng des Supreme Court ist ein klarer Sieg unserer nationalen Sicherheit“, erklärte Donald Trump. „Als Präsident kann ich keine Leute ins Land lassen, die uns schaden wollen.“Es sei ihm eine besondere Genugtuung, dass die neun Richter die Entscheidu­ng einstimmig gefällt hätten.

Nur, die Richter haben eigentlich noch gar nichts entschiede­n. Mindestens nicht in der Sache. Sie erlauben lediglich die Aussetzung von Aspekten der Einstweili­gen Verfügunge­n, die nachgeordn­ete Gerichte gegen den sogenannte­n „MuslimBann“angeordnet hatten. In ihrer 16-seitigen Begründung heißt es, der Einreisest­opp „darf nicht gegen ausländisc­he Staatsbürg­er durchgeset­zt werden, die glaubwürdi­g eine ,bona fide‘ (echte) Beziehung zu einer Person oder Institutio­n in den USA haben.“Dazu gehören familiäre, berufliche oder auch staatliche Kontakte.

Im Klartext bedeutet dies, dass Bürger Irans, Libyens, Somalias, Sudans, Syriens und Jemens für 90 Tage nicht in die USA reisen dürfen, wenn sie solche „bona fide“Beziehunge­n

Bürgerrech­tsbewegung zeigt sich geschockt

nicht nachweisen können. Flüchtling­en wird darüber hinaus für 120 Tage die Einreise in die USA verweigert. Donald Trump will den Bann nun binnen 72 Stunden in die Praxis umsetzen. In beiden Fällen hatte der Präsident argumentie­rt, die Regierung benötige die Zeit, um ihre Verfahren zur Überprüfun­g der Unbedenkli­chkeit einer Visa-Erteilung unter die Lupe zu nehmen. Da diese Frist im Oktober bei Anhörung der Argumente durch das Verfassung­sgericht abgelaufen ist, behält sich das Gericht ausdrückli­ch vor zu prüfen, ob sich der Fall zu diesem Zeitpunkt erledigt hat.

Die Bürgerrech­tsbewegung ACLU zeigte sich geschockt über die vorübergeh­ende Aussetzung von Aspekten der Einstweili­gen Verfügunge­n. „Trumps sogenannte­r Reisebann ist ein Bann, der Muslime ins Visier nimmt“, klagt der Vorsitzend­e Anthony Romero. Der ACLU werde sich für die vollständi­ge Aufhebung dieses diskrimini­erenden Erlasses einsetzen.

Eine aktuelle Studie des „Center for Investigat­ive Reporting“widerspric­ht Trumps Argument, der Bann sei nötig, um die Bürger zu schützen. Nur ein Prozent der zwischen 2008 und 2016 an einem Terrorakt in den USA beteiligte­n Personen stammt aus einem der vom Einreisest­opp betroffene­n Länder. 87 Prozent der Terrorbete­iligten kamen dagegen in den USA zur Welt.

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Foto: Imago Gewerkscha­ftsprotest gegen Rentenpoli­tik: „Das Altersarmu­tsrisiko steigt weiter“, warnt die Bertelsman­n Stiftung.
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Foto: dpa Archiv Im Januar unterzeich­nete Donald Trump das Einreisede­kret.

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