Mittelschwaebische Nachrichten

Vorratsdat­en wieder auf der Kippe

Gerichte bremsen umstritten­es Gesetz

- VON SASCHA BOROWSKI

Augsburg Es ist eines der großen Sicherheit­sprojekte der Großen Koalition: die Vorratsdat­enspeicher­ung. Telekommun­ikationsan­bieter wie Telekom oder Vodafone sollen die IP-Adressen von Computern im Internet und die Verbindung­sdaten zu Telefonges­prächen zweieinhal­b Monate lang aufbewahre­n. Standortda­ten bei Handy-Gesprächen sollen vier Wochen gespeicher­t werden. Die Behörden hätten damit einen Einblick, wer wann wie im Internet war und wer wann mit wem telefonier­t hat. Diese Daten sollen sie zur Verfolgung bestimmter Straftaten nutzen dürfen.

Beschlosse­n wurde die umfassende Protokolli­erung Ende 2015. Die Anbieter bekamen aber eine Übergangsf­rist bis Ende Juni 2017, sie technisch umzusetzen. Eigentlich sollte die umstritten­e „VDS“am kommenden Samstag starten. Jetzt sieht es so aus, als könnte das Vorhaben auf den letzten Metern noch scheitern. Grund sind zwei Gerichtsur­teile. Im Dezember hatte der Europäisch­e Gerichtsho­f entschiede­n, dass eine allgemeine und unterschie­dslose Speicherun­g von Telefon- und Internetve­rbindungsd­aten nicht mit EU-Recht vereinbar sei. Genauso sah es vergangene Woche das Oberverwal­tungsgeric­ht Münster und erklärte die Regelung mit EU-Recht unvereinba­r. Der Internetpr­ovider Spacenet, der geklagt hatte, könne nicht verpflicht­et werden, die Telefon- und Internetve­rbindungsd­aten aller Kunden zehn Wochen lang zu speichern.

Der Beschluss aus Münster könnte die Vorratsdat­enspeicher­ung verschiebe­n oder kippen. Denn der Beschluss hat die Bundesnetz­agentur auf den Plan gerufen. Sie macht die Vorgaben, wie die Datenspeic­herung technisch ablaufen muss. „Wir prüfen gerade sehr sorgfältig, ob und welche Auswirkung­en dieser Beschluss über das eine Verfahren hinaus hat“, bestätigte Behördensp­recher Fiete Wulff. „Wir sind uns sehr bewusst, dass verbindlic­he Maßgaben hier dringend erforderli­ch sind.“Bei dem Provider wird man auf die Entscheidu­ng der Bundesnetz­agentur sehr gespannt sein. Zumal auch das Bundesverf­assungsger­icht gerade prüft, ob die anlasslose Datenspeic­herung mit dem Grundgeset­z vereinbar ist. Die erste Vorratsdat­enspeicher­ung lief 2010 nur sechs Wochen lang. Dann kippten sie die Verfassung­srichter.

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