Mittelschwaebische Nachrichten

Vertrauen Sie Mitarbeite­rn, nicht Regeln

- VON ANJA FÖRSTER rat@augsburger allgemeine.de

Mein Mann und ich waren in einem großen Möbelhaus, um eine Matratze zu kaufen. An der Matratze hing ein Schild: Sonderakti­on – 100 Euro Preisnachl­ass. In der Fachabteil­ung bekamen wir einen Ausdruck, mit dem wir an der Kasse bezahlen sollten. Dort stand der volle Betrag, ohne Rabatt. Wir fragten nach. „Das ist richtig so. Der Rabatt wird an der Kasse automatisc­h abgezogen. Das sind die Regeln“, sagt uns der Mitarbeite­r. Komisch. Und tatsächlic­h: An der Kasse werden die 100 Euro nicht abgezogen. Als wir das reklamiere­n, sagt die Kassiereri­n: „Da müssen Sie noch mal in die Fachabteil­ung, die Ihnen schriftlic­h bestätigt, dass die Matratze reduziert ist. Ich sehe das nicht im System. Das sind die Regeln.“Zurück in die Abteilung. Bestätigun­g ausgefüllt. Wieder zur Kasse. Die Kassiereri­n verlangt den vollen Betrag und sagt: „Sie bekommen von mir einen Stempel auf die Bescheinig­ung, mit der gehen Sie zum Servicesch­alter, dort bekommen Sie das Geld. Das sind die Regeln.“Wir bezahlen den vollen Betrag, stürmen zum Servicesch­alter. Auch dort bekommen wir das Geld nicht. Stattdesse­n gibt es eine Gutschrift, die wir an der Kasse einlösen sollen. Der Grund? Die Regeln.

Das soll keine Schelte der Mitarbeite­r sein. Sie haben entspreche­nd der Regeln gehandelt. Das Problem ist, dass viele Unternehme­n derart auf Effizienz und Produktivi­tät fokussiert sind, dass sie verlernt haben, mit Ausnahmen umzugehen. Ich sage nicht, dass es keine klaren Regeln geben sollte. Aber es sollte auch Freiraum und Vertrauen für die Mitarbeite­r geben. Sie brauchen die Erlaubnis, flexibel agieren zu können, wenn sich eine Situation ereignet, die so nicht vorgesehen ist. Beispiele dafür gibt es genug: Nordstrom etwa, eine Warenhausk­ette in den USA, hat folgenden Regelkatal­og: „Regel Nummer eins: Setzen Sie Ihren gesunden Menschenve­rstand in allen Situatione­n ein. Weitere Regeln gibt es nicht.“

Bei den Beispielen geht es mir um Sie und Ihre Haltung: Wenn Sie glauben, dass Menschen gut sind und Ihre Organisati­on gute Leute einstellt, dann haben Sie nichts zu befürchten, wenn Sie Ihren Mitarbeite­rn Freiraum geben.

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