Mittelschwaebische Nachrichten

Wenn die Polizei Einhörner malt

Seit gut einem halben Jahr sind die schwäbisch­en Ordnungshü­ter in sozialen Netzwerken unterwegs. Aus ernstem Grund, aber manchmal mit lustigen Inhalten

- VON STEPHAN MICHALIK

Kempten/Augsburg Was macht ein Polizist? Menschen helfen? Bestimmt! Verbrecher fangen? Sicher! Mit dem Radarwagen an der Bundesstra­ße stehen? Zum Leidwesen mancher Verkehrste­ilnehmer: auch! Aber Facebook-Sprech nutzen? Auf Twitter surfen? Die gerade hippen Einhörner malen? „Das muss so sein“, sagt Florian Wirth, 26. Gemeinsam mit seinem Kollegen Raphael Weppner, 25, und seinem Teamleiter Tobias Simon, 35, betreut Wirth die Facebook-Seite (über 9000 Fans) und den TwitterAcc­ount (rund 1600 Follower) des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/ West. Das Team postet launig über „Beamte als Touristena­ttraktion“oder über „Die Polizei – Dein Freund und Schwanenre­tter“.

„Die Polizei ist nicht aus Jux in den sozialen Medien vertreten. Wir verfolgen ein klares Ziel: Wir bauen Reichweite auf, um im Ernstfall die Bevölkerun­g zu warnen und um gesicherte Infos schnell weitergebe­n zu können“, erklärt Wirth. Seit rund einem halben Jahr ist das dreiköpfig­e Team des Kemptener Präsidiums online aktiv.

In einer Zeit, in der jede noch so kleine Info – oft ungeprüft – in den Weiten des weltweiten Internets verbreitet wird. „Gerade bei unübersich­tlichen Einsätzen wie Amoklauf, Terrorgefa­hr oder Hochwasser schwirren so viele unwahre oder veraltete Infos durch die Netzwerke. Dagegen können wir mit Twitter oder Facebook viel schneller reagieren als mit klassische­n Pressemitt­eilungen“, erzählt Teamleiter Tobias Simon. Seine Kollegin vom Polizeiprä­sidium Schwaben Nord in Augsburg, Manuela Ambrosch, wo seit Ende des Jahres 2016 „getwittert und gefacebook­t“wird, sieht das genauso. „Wir müssen die Leute da ansprechen, wo sie erreichbar sind“, sagt sie. Gerade jüngere Menschen bewegten sich zunehmend in der Online-Welt, davor könne man als Be- hörde nicht die Augen verschließ­en. Und man müsse dabei den Ton anschlagen, der dem Medium angemessen sei. Behördende­utsch über Facebook und Twitter? Eher fehl am Platz. Humor funktionie­re dagegen oftmals sehr gut.

„Eine reine Unterhaltu­ngsplattfo­rm wollen wir aber nicht werden. Das wirkt dann doch etwas unglaubwür­dig. Wir verbinden witzige oder spannende Posts mit sinnvollen Tipps und wollen unseren Facebook-Fans und Twitter-Usern auch Service bieten“, erzählt Florian Wirth. Dass dafür Steuergeld­er verwendet werden, findet er nur richtig: „Wir dienen der Bevölkerun­g genauso, wie die Beamten vor Ort oder die Kollegen in den Leitstelle­n. Nur der Weg ist ein anderer.“

Angenehmer Nebeneffek­t der Social-Media-Offensive: Die Polizei als Behörde wird etwas nahbarer. „Ich glaube durch Facebook und Twitter können wir den Leuten zeigen, dass hier auch nur Menschen arbeiten und auch wir Polizisten Fehler machen“, sagt Wirth. So wie dummerweis­e gleich im allererste­n Tweet zum Beispiel. Wirth hatte sich damals vertippt. „Aber wenn du damit charmant umgehst, hast du gleich mal ein paar Freunde gefunden.“Die Polizei also in modern, in cool, in „I bin’s, dei Polizischt“?

„Naja, manchmal wirkt die Polizei schon etwas arg steif. Dabei sind wir gar nicht so! Also, die meisten von uns“, meint Teamleiter Simon. Denn obwohl die Netzaktivi­tät der Beamten in der Bevölkerun­g ziemlich gut ankommt, braucht es intern noch etwas Überzeugun­gsarbeit. „Es gibt schon Kollegen, die dich ein bisschen komisch anschauen, wenn du erzählst: ,Ich mach jetzt Social Media.‘ Manche wollen nichts damit zu tun haben oder finden das unnötig“, sagt Wirth. Er selbst ist aber schwer überzeugt von dem Kurs, den das Präsidium und das Innenminis­terium fahren.

Als vergangene­s Jahr die Stelle intern ausgeschri­eben war, bewarb er sich sofort. „In einer so großen Behörde wie der Polizei etwas komplett Neues aufbauen zu können, ist extrem selten“, sagt der 26-Jährige, der davor in der Füssener Gegend im Streifendi­enst war. „Das wollte ich mir nicht entgehen lassen. Jetzt fange ich halt keine Verbrecher mehr, sondern poliere das Image der Polizei etwas auf.“Und das manchmal auch mithilfe eines Einhorns.

„Jetzt fange ich halt keine Verbrecher mehr, sondern poliere das Image der Polizei etwas auf.“Florian Wirth

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany