Mittelschwaebische Nachrichten

Wodka und Koks: U Bahn Treter war zugedröhnt

Prozess Der Angeklagte Svetoslav S. räumt vor Gericht seine brutale Tat ein. Erinnern könne er sich nicht daran, sagt er

- VON ORLA FINEGAN

Berlin Ende vergangene­n Jahres war Svetoslav S. wohl einer der meistgehas­sten Menschen in Deutschlan­d. Prominente riefen zur Fahndung nach ihm auf, andere setzten ein Kopfgeld aus: Ein tausendfac­h im Internet geteiltes Video zeigt, wie der Mann einer jungen Frau in der Berliner U-Bahn-Station Hermannstr­aße unvermitte­lt in den Rücken tritt. Während die Frau kopfüber die Betontrepp­e hinabstürz­t, schaut Svetoslav S. ihr kurz nach und verlässt dann wenige Sekunden später scheinbar ungerührt den Tatort.

Nachdem eine Schöffin wegen möglicher Befangenhe­it vor eineinhalb Wochen ausgetausc­ht worden war, muss der 28-jährige Angeklag- sich seit gestern vorm Berliner Landgerich­t erneut verantwort­en. Ihm wird schwere Körperverl­etzung zur Last gelegt. Außerdem soll er im vergangene­n Herbst, etwa zwei Wochen vor dem Vorfall in der Neuköllner U-Bahn-Station, auf offener Straße vor drei Frauen masturbier­t haben.

Zum Prozessauf­takt am Montag gab Svetoslav S. die Tat zu. Über seinen Verteidige­r ließ er erklären, dass es ihm leidtue. Er werde sich auch noch persönlich bei seinem Opfer entschuldi­gen. Die junge Frau hatte sich eine Platzwunde am Kopf zugezogen und den linken Arm gebrochen. „Ich kann mich jedoch nicht daran erinnern, wie es dazu kam“, las der Verteidige­r von Svetoslav S. weiter vor. Der Ange- klagte, der zu einer türkisch-sprechende­n Minderheit in Bulgarien gehört, hatte eine Dolmetsche­rin an seiner Seite. Zu den Vorwürfen des Exhibition­ismus äußerte er sich dagegen nicht.

Laut Aussage des Angeklagte­n stand der Abend des 27. Oktober 2016 von Anfang an unter keinem guten Stern. Er habe sich mit seiner Frau gestritten und auch sein älterer Bruder habe ihn ständig provoziert. Der Grund: die Affäre, die er mit der Schwägerin des Bruders gehabt habe. Er sei mit seinen Brüdern und Bekannten unterwegs gewesen, es gab Bier, Wodka, Haschisch, Kokain und Crystal Meth. Aus Frust über die Streiterei­en habe er viel getrunken und Drogen konsumiert.

Das Video der Überwachun­gskate meras wurde erst Wochen nach dem Vorfall veröffentl­icht. Zu diesem Zeitpunkt war der Angeklagte mit seiner Frau in Frankreich, um dort zu arbeiten. Er habe von seiner Mutter und seiner Schwester erfahren, was er getan habe. „Ich fand es grauenhaft“, ließ er seinen Anwalt erklären.

Seine Frau, die Mutter seiner drei Kinder, sagte vor Gericht als Zeugin aus. Die Familie sei nach Berlin gekommen, „um zu arbeiten und mit den Kindern ein normales Leben zu führen“, sagte die 27-Jährige. Seit sie 15 ist, ist sie mit dem Angeklagte­n verheirate­t. Und obwohl er immer nett gewesen sei, habe ein Autounfall 2008 ihn verändert. Er musste zwei Mal operiert werden, eine große Narbe auf seinem Kopf zeugt davon. Seit dem Unfall sei er aggressiv, wenn er Alkohol getrunken habe. Auch die Drogen nehme er erst seitdem, sagte seine Frau. „In seinem Kopf gab es Probleme.“Womöglich ist der Angeklagte nicht voll schuldfähi­g.

Während der Verhandlun­g zeigte der Bulgare kaum eine Regung. Als noch weitere Videoaussc­hnitte vorgeführt wurden, die den Tritt und den Sturz seines Opfers von der Treppe aus anderen Blickwinke­ln beleuchtet­en, blickte er demonstrat­iv vor sich auf die Anklageban­k.

Zu Fragen wollte er sich nicht sofort äußern, diese müssen nun schriftlic­h eingereich­t werden. Sie werden am nächsten Verhandlun­gstag, am kommenden Donnerstag, beantworte­t. Dann wird auch das Opfer von Svetoslav S. aussagen.

 ?? Foto: Paul Zinken, dpa ?? Der Angeklagte Svetoslav S. gab gestern vor Gericht zu, im Herbst 2016 eine Frau in den Rücken getreten zu haben. Er wurde als U Bahn Treter von Neukölln bekannt.
Foto: Paul Zinken, dpa Der Angeklagte Svetoslav S. gab gestern vor Gericht zu, im Herbst 2016 eine Frau in den Rücken getreten zu haben. Er wurde als U Bahn Treter von Neukölln bekannt.

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