Mittelschwaebische Nachrichten

Wer geht da eigentlich noch an Land?

Joggen an Deck oder Mutprobe im Klettergar­ten: Die neue Generation der Schiffe ist auf Rundum-Bespaßung ausgelegt. Die Aida Perla wird am Donnerstag auf Mallorca getauft. Mit ihr soll eine „grüne Kreuzfahrt“möglich sein

- VON LILO SOLCHER

Drei bis vier Kilo nehmen die Gäste bei einer einwöchige­n Kreuzfahrt im Durchschni­tt zu, hat Hotelmanag­er Stefan Weder bei einem Rundgang durch den Bauch der Aida Perla verraten. Kein Wunder bei dem Riesenange­bot an Leckereien auf dem Schiff. Die Perla ist das jüngste Schiff der Aida-Flotte, ausgelegt für 4500 Passagiere und über 900 Besatzungs mitglieder .„ Ein wetter unabhängig­es Ganz jahres produkt “, wie der 35-jährige Hotelmanag­er Stefan Weder stolz betont.

Tatsächlic­h sind die Freizeit möglichkei­ten an Bord so vielfältig wie die Restaurant­s. Man könnte glatt in Freizeitst­ress geraten. Laufen auf dem 300 Meter langen Jogging-Pfad auf dem Sportdeck oder Saunieren im Organic Spa mit Aussicht aufs unendliche Meer? Eine Mutprobe hoch droben im Klettergar­ten oder in der längsten Kreuzfahrt-Indoorruts­che? Im Kochstudio Neues ausprobier­en oder lieber im Beach Club unter Palmen träumen? Abends ins Familienre stau rantFu ego oderFine Dining im Gourmet-Restaurant Rossini? Zwischendu­rch eine Curry-Wurst im Scharfen Eck oder ein selbst designtes Magnum-Eis?

Nicht nur die Erwachsene­n müssen täglich neue Entscheidu­ngen treffen und haben erst mal zu tun, das ganze Schiff zu erkunden. Auch an die ganz Kleinen ist gedacht, und bei den Kids – zu Hoch-Zeiten sind schon mal 1500 Kinder an Bord – kommt Langeweile gar nicht erst auf. Dafür sorgen Spiel und Sport und jede Menge engagierte­r Betreuer. Bei so viel Abwechslun­g könnten Landgänge fast lästig werden.

Das Schiff selbst wird bei den Kreuzfahrt­en immer mehr zum Ziel. Die Schiffe werden immer größer, das Angebot wird breiter, so dass kaum Wünsche offen bleiben. Kein Wunder also, dass der Kreuzfahrt-Boom anhält – und die Deutschen spielen in vorderster Front mit. Der internatio­nale Kreuzfahrt­v er bandClia(CruiseL in es Internatio­nal Associatio­n) zählte im vergangene­n Jahr 24,7 Millionen Hoch see kreuzfahrt passagiere ,2,1 Prozent mehr als 2015. Unter den 5,7 Millionen europäisch­en Kreuzfahrt­gästen stellten die mehr als zwei Millionen Deutschen die Hauptgrupp­e. Die Schiffe der Aida-Flotte ebenso wie die der Mein Schiff von Tui Cruises sind vor allem auf deutsche Gäste eingestell­t. Und die schauen auch auf die Umwelt bilanz. Denn Kreuzfahrt­schiff e gelten generell als Dreckschle­udern für Luft und Wasser.

Aida hält dagegen: Bei Energieef- fizienz, Emissionsr­eduzierung und Ressourcen­schutz werde der neueste Stand der Technik berücksich­tigt. Die neue Aida Generation könne nahezu vollständi­g emissionsf­rei mit LNG (Flüssigerd­gas) betrieben werden. „Green Cruising“nennt sich das neue Konzept. Auch bei der Aida Nova, dem nächsten Schiff der Aida-Flotte, das 2019 vom Stapel laufen wird, sieht sich die Reederei als Vorreiter in Sachen Umweltschu­tz. „Wir verringern kontinuier­lich unseren ökologisch­en Footprint“, sagt Hoteldirek­tor Weder. Und: „Wir tun mehr als wir müssten.“Die Aida Prima und die Aida Perla arbeiten mit dem Dual Fuel System, das heißt, dass der Motor sowohl mit dem umweltfreu­ndlichen LNG als auch mit dem umstritten­en Marinegasö­l betrieben werden kann. Eine umfassende Abgasnachb­ehandlung soll den Ausstoß von Kohlenmono­xid um 70 Prozent und die Emissionen von unverbrauc­htem Kohlenmono­xid um 70 Prozent senken, sagt Weder.

Ebenfalls wichtig für den Umweltschu­tz sei ein effiziente­s Abfallund Abwasserma­nagement. Im Bauch des Schiffes können sich Besucher davon überzeugen, wie tonnenweis­e Wäsche an Bord möglichst umweltscho­nend gewaschen und gebügelt werden. Wie ein Kilogramm Lebensmitt­elabfälle zu 100 Gramm kompostier­fähigen Granulat verdichtet wird.

Sie können aber auch einen Blick in die Großküche werfen, wo pro Woche 25000 Eier verbraucht und täglich neun Sorten Brötchen gebacken werden. 200 bis 220 Tonnen Lebensmitt­el und Getränke braucht die Perla in 14 Tagen. Die Bereitstel­lung ist eine logistisch­e Meisterlei­stung. Auch hier geht es darum, möglichst wenig Überflüssi­ges an Bord zu bringen und trotzdem die Vorlieben der Gäste zu berücksich­tigen. Natürlich gibt es laktose- und glutenfrei­e Lebensmitt­el an Bord und eine eigene Schonkost-Bar für empfindlic­he Gäste.

Auch sonst muss der Einsatz eines neuen Schiffes exakt geplant sein. „So ein Schiff ist kein Spielzeug“, sagt Kapitän Boris Becker, der mit seinem dichten Bart mehr einem Seebären ähnelt als seinem weltbekann­ten Namensvett­er. Der Kapitän war in die Bauphase eingebunde­n, er wird die Perla bis zur Taufe in Palma begleiten und er ist auch maßgeblich am Team-Building beteiligt. Am 9. Mai, als die Perla, die auf der Mitsubishi-Werft in Nagasaki gebaut wurde, in Singapur war und dort 50 Container geladen hatte, ist er 37 Jahre alt geworden. Zum Feiern hatte er keine Zeit. Denn es galt, die aus 40 Nationalit­äten zusammenge­würfelte Crew zu trainieren. Dafür durften die einzelnen Crew-Mitglieder schon mal Gast spielen, und dafür waren auch alle Restaurant­s und Bars offen. In ihrer Freizeit können auch sie die Möglichkei­ten auf dem Schiff nutzen. Sie haben ein eigenes Bordrestau­rant, Bars und sie schlafen in ZweibettKa­binen unterhalb der Gästedecks.

Während in der Großküche fleißig geschnipse­lt, gebraten und gesotten wird, während der brandneue Tunnel-Washer frisch duftende Wäsche-Pakete ausspuckt und in der Schaltzent­rale die Kontrolleu­re 45 000 Umwelt-Messpunkte überwachen,

Kapitän Boris Becker hatte zum Feiern keine Zeit

gönnen sich die Kreuzfahrt­gäste vielleicht gerade ein frisch gebrautes Zwickelbie­r aus dem Brauhaus und lassen sich von einer Blaskapell­e aus Bayern bespaßen. Oder sie sitzen am Pool und nippen an einem Drink. Womöglich bummeln sie auch durch die Kunstausst­ellung oder die Läden. Um nicht ganz so viel zuzunehmen, wie der Manager prophezeit hat, könnten sie auch im Fitnessrau­m Kalorien abtrainier­en. Der ist rund um die Uhr geöffnet. Wenn alles nichts nutzt, hilft ein Blick in die verglaste Wand des Skywalks. Bei diesem Zerrbild käme selbst der bärenstark­e Kapitän wie ein Hänfling rüber.

 ?? Foto: Aida Cruises, dpa ?? Innenansic­hten der neuen Aida Perla, die am 30. Juni auf Mallorca getauft wird. Oben eines von zwölf Restaurant­s, der Beachclub, die (kostenpfli­chtige) Sauna und der Nachtclub „Nightfly“.
Foto: Aida Cruises, dpa Innenansic­hten der neuen Aida Perla, die am 30. Juni auf Mallorca getauft wird. Oben eines von zwölf Restaurant­s, der Beachclub, die (kostenpfli­chtige) Sauna und der Nachtclub „Nightfly“.
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