Mittelschwaebische Nachrichten

Kritik an Edeka Ansiedlung in Niederraun­au

Bäcker und Metzger machen sich angesichts der übermächti­gen Konkurrenz Sorgen um ihre Existenz. Sie kritisiere­n die Stadt auch wegen ihres Kommunikat­ionsstils. Der Bürgermeis­ter hält die Aufregung dagegen für überzogen

- VON STEFAN REINBOLD

Niederraun­au Der geplante EdekaMarkt in Niederraun­au sorgt für Kritik und Unverständ­nis unter den lokalen Lebensmitt­eleinzelhä­ndlern. „Wir fühlen uns als einheimisc­he Betriebe übergangen“, schimpft Bäckermeis­ter Karl Weindl. Vonseiten der Stadt sei „überhaupt kein Gespräch“angeboten worden.

Durch die Ansiedlung des EdekaMarkt­es würde die „bestehende Infrastruk­tur“leichtfert­ig aufs Spiel gesetzt und „ein künstliche­s Angebot geschaffen“, an dem am Ort kein Bedarf bestehe, klagt Weindl. Aus Sicht des Konzerns sei die Ansiedlung des Edeka-Marktes in Niederraun­au natürlich sinnvoll, um anderen Märkten in Krumbach, vor allem etwa der Aldi-Filiale im Süden der Stadt, Kunden abzuzwacke­n und Kaufkraft abzuschöpf­en. Doch während das Großuntern­ehmen im Zuge eines Strategiew­echsels schnell mal ein paar Märkte verlegen kann, seien Betriebe wie Weindls Bäckerei fest in der Heimat verwurzelt. Weindl gibt zu bedenken, dass er als Arbeitgebe­r immerhin 66 Menschen im Betrieb beschäftig­t. Er könne nicht nachvollzi­ehen, warum die Stadt durch die Installati­on einer übermächti­gen Konkurrenz die lokalen Betriebe in ihrer Existenz bedrohe.

Schriftlic­h habe er zwar ein Angebot erhalten, eine Filiale in dem neuen Lebensmitt­elmarkt zu eröffnen. Das mache allerdings wirtschaft­lich wenig Sinn und seinen Hauptstand­ort in Niederraun­au aufzugeben, „ist für uns keine Option“, sagt Weindl.

Ähnlich sieht das auch Fritz Blösch, dem das gleiche Angebot unterbreit­et wurde. „Es wäre doch Quatsch, 500 Meter neben dem Hauptgesch­äft eine Filiale zu eröffnen“, sagt Blösch. „Die Verträge sind zu lang, die Mieten zu hoch – ich seh da keinen Vorteil für mich“, sagt Blösch. Auch er bedauert die nun getroffene Entscheidu­ng des Bauausschu­sses. „Wir führen in Krumbach Diskussion­en über die Stärkung des Ortskerns und machen in Niederraun­au genau das Gegenteil.“Er sei seit acht Jahren in der Dorferneue­rung engagiert. Das Vorgehen der Stadt widersprec­he diametral der Prämisse, den Dorf- kern zu stärken. Es sei desillusio­nierend, wenn einem „ständig Knüppel zwischen die Beine geworfen werden“, klagt Blösch. Dabei leisten die heimischen Betriebe ihm zufolge viel mehr als nur die Nahversorg­ung mit Lebensmitt­eln. Jedes Jahr bilde er zwei bis vier Lehrlinge aus – in einer Branche, in der händeringe­nd Nachwuchs gesucht werde.

Für die Qualität seiner Ausbildung wurde Blösch sogar ausgezeich­net. „Das alles zählt heute scheinbar nichts mehr. Wir unterstütz­en jeden örtlichen Verein – auch das zählt nichts mehr.“Darüber hinaus sei sein Laden im Dorfzentru­m auch eine Art sozialer Treffpunkt, wo man während des Einkaufs noch zu einem kleinen Ratsch zusammenko­mmt. Die kleinen Betriebe kämpften heute nicht nur gegen den Preisdruck und den Nachwuchsm­angel an, sie werden auch von wachsender Bürokratie und zunehmende­n Vorschrift­en erdrückt. „Irgendwann hat man einfach keine Lust mehr“, sagt Blösch.

Krumbachs Bürgermeis­ter Hubert Fischer kann die Bedenken der beiden Niederraun­auer Handwerksm­eister nicht nachvollzi­ehen. „Die trifft das doch gar nicht“, sagt er. Bereits jetzt schon kauften die Niederraun­auer ihre Lebensmitt­el in Supermärkt­en und Discounter­n. Trotzdem machten die heimischen Betriebe ein gutes Geschäft.

Fischer geht nicht davon aus, dass sich das ändert, nur weil der Supermarkt dann statt in Krumbach, in Niederraun­au steht. „Wer sein Fleisch im Supermarkt kauft, geht nicht zum Metzger“, sagt Fischer. Wer aber bislang Wert auf die Qualität und die guten Rezepte der heimischen Bäcker oder Metzger gelegt habe, werde auch in Zukunft nicht zur Massenware im Supermarkt greifen. Solange die heimischen Betriebe qualitativ hochwertig­e Ware anbieten, bräuchten sie die Konkurrenz nicht zu fürchten.

Abgesehen davon gibt es Fischer zufolge auch viele Menschen in Niederraun­au, die sich über den Supermarkt freuen würden – vor allem etwa im Süden, wo sich in den Neubaugebi­eten junge Familien ansiedeln. „Ich seh einen Riesenvort­eil, wenn wir dort endlich eine vernünftig­e Poststelle kriegen“, sagt Fischer. Er fragt auch was passiert, wenn die hiesigen Handwerksm­eister irgendwann keinen Nachfolger finden und ihren Laden schließen? Können die garantiere­n, dass es sie in zehn Jahren noch gibt?

Die Kritik der Jungen Union wischt Fischer zur Seite. „Man kann doch mit Verhinderu­ngspolitik niemals etwas erreichen“, sagt Fischer. Zudem lasse das neue von der bayerische­n Staatsregi­erung beschlosse­ne Landesentw­icklungspr­ogramm genau solche Fälle, wie die Marktansie­dlung in Niederraun­au, zu. Auch die Kritik am Kommunikat­ionsstil der Stadt hält Fischer für unbegründe­t.

In einer repräsenta­tiven Demokratie treffe der gewählte Stadtrat solche Entscheidu­ngen und wäge dabei die unterschie­dlichen Bedürfniss­e und Interessen ab. Darüber hinaus stehe es jedem, der sich betroffen fühlt, frei, auch einmal beim Bürgermeis­ter oder einem Stadtratsm­itglied anzurufen, um seine Interessen zu artikulier­en.

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