Mittelschwaebische Nachrichten
Der Biber – des einen Freund, des anderen Feind
Eine Tour durch den Auwald zeigt, wie schwierig der Spagat zwischen Tierschutz und Schadensbegrenzung ist
Landkreis/Offingen Das Thema ist heikel. Denn auf der einen Seite geht es um Geld und Schäden, auf der anderen Seite um Emotionen und den Naturschutz. Die Rede ist vom Biber. Die großen Nager sind erstaunlich befähigte Wesen. Sie sind in der Lage, entlang von Flüssen, Bächen und Seen durch ihre Dämme ganz neue Lebensräume zu schaffen. Zum Nutzen der Natur und der Artenvielfalt. Mit ihrem Treiben kommen sie aber auch zahlreichen Menschen ins Gehege – vor allem Forstund Landwirten. Oder den Betreibern von Fischzuchtanlagen, denen die Tiere buchstäblich das Wasser abgraben. Über den Spagat zwischen Biberschutz und Schadensbegrenzung wurde bei einer Tour durch den Auwald bei Neuoffingen informiert.
Einer der Teilnehmer war Alois Brunnhuber. Der frühere Offinger Bürgermeister ist der Biberbeauftragte des Landkreises. „Ich bin nicht der Oberbiberschützer“, erklärt Brunnhuber. Vielmehr versteht er sich als Berater und Vermittler zwischen Mensch und Tier. „Und ich schätze die Höhe von Schäden, die Biber bei Betroffenen angerichtet haben.“
Manche Bürger schlagen schon Alarm, wenn sie in ihrem Vorgarten einmal einen Biber sichten. „Da reicht meist ein beruhigendes Gespräch.“In anderen Fällen bricht auch Brunnhuber das Herz. So hatten die Reisensburger Waldrechtler 120 Kirschbäume gepflanzt, gehegt und gepflegt. Kaum waren die Bäume aus dem Gröbsten heraus, legten Biber 110 der Pflanzen flach. Der Biberbeauftragte: „Da könnte man natürlich mit den Waldrechtlern mitweinen.“
Eingeladen zu der Info-Tour hatten Kay Reiff, Geschäftsführer der Forstbetriebsgemeinschaft Günzburg-Krumbach, und Thomas Zimmermann, Förster beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Große Teile des Waldes rund um Neuoffingen zählen zu Zimmermanns Ettenbeurer Revier. „Ich bin auch zwiegespalten“, gesteht Kay Reiff. Einerseits sei es gut, dass der vor rund 200 Jahren ausgerottete Biber „wieder da ist“. Auf der anderen Seite verstehe er die Land- und Forstwirte, die über Schäden durch den Nager klagen.
Wer entlang der Gewässer im Landkreis streift, sieht immer wieder angenagte oder gefällte Bäume. Etwa drei Pfund Rinde braucht ein erwachsener Biber pro Tag zum Überleben. Bei schätzungsweise 800 bis 1000 dieser Tiere allein im Landkreis Günzburg kommt aufs Jahr gesehen eine Menge zusammen.
Auch bei der Wanderung durch den Wald um Neuoffingen sehen die 16 Teilnehmer – überwiegend Waldrechtler und einige örtliche Kommunalpolitiker – eine Menge gefällter Bäume. An einem Flutgraben seitlich der Donau liegen zahlreiche Stämme im Wasser, abgenagt von unten bis oben. Das Holz ist wertlos.
1967 sind in Bayern die ersten Biber ausgesiedelt worden. Seitdem geht es ihnen prächtig. Natürliche Feinde haben sie kaum, in manchen Gebieten Deutschlands allenfalls Luchse, Wölfe und Bären.
Doch auch die sind bei vielen nicht gerne gesehen. Zusätzlich genießen die Biber den höchsten Grad des Naturschutzes. Nur mit einer Ausnahmegenehmigung der Unteren Naturschutzbehörde beim Landratsamt dürfen Biber in Einzelfällen gefangen oder geschossen werden.
In einem Entschädigungsfonds stellt der Freistaat Bayern jährlich 450 000 Euro zur Verfügung. „Maximal 80 Prozent eines Biberschadens werden daraus beglichen“, erklärt Brunnhuber. Aber auch nur dann, wenn die Geschädigten von der Land-, Forst- oder Fischwirtschaft leben. Hobbygärtner, denen der Biber die Thujahecke abfrisst, gehen leer aus. Wie auch Städte und Gemeinden, die regelmäßig personalund kostenaufwendig Entwässerungsgräben von Biber-Dämmen befreien müssen.
Was war das Fazit der Info-Tour? „Wir müssen wieder lernen, mit dem Biber zu leben“, sagt Alois Brunnhuber. Denn vertreiben lässt er sich kaum. Im Notfall sucht sich der Nager ein neues Quartier. Und geht dann dort seiner Bestimmung nach. Zum Nutzen der Natur und zum Ärger mancher Menschen.
Gejagt und geschützt
Ausrottung Vor gut 200 Jahren war der Biber in den meisten Län dern Europas ausgerottet. Die Tiere waren nicht wegen der Schäden, die sie in der Land und Forstwirt schaft angerichtet hatten, gejagt worden. Vielmehr hatten es die Men schen auf ihr Fleisch und ihr Fell abgesehen. Außerdem auf das soge nannte Bibergeil, ein Drüsensekret der Tiere, dem eine erotisierende Wirkung angedichtet wurde.
Aussiedlung 1967 wurden in Bayern die ersten Biber ausgesie delt. Mittlerweile leben im Freistaat schätzungsweise wieder 20 000 Tiere, davon im Landkreis vermutlich zwischen 800 und 1000.
Status Biber genießen den höchs ten Grad des Naturschutzes, getö tet werden dürfen die Tiere nur in ge nehmigungspflichtigen Ausnah mefällen. (kai)