Mittelschwaebische Nachrichten

Synagoge ist „ein Glück für uns alle“

Im 100 Jahre alten Augsburger Tempel bekräftigt Bundespräs­ident Steinmeier: Nur wenn Juden in Deutschlan­d vollkommen zu Hause sind, ist die Bundesrepu­blik bei sich

- VON ALOIS KNOLLER

Augsburg Wie vor 100 Jahren bei der Einweihung der großen Synagoge, als jüdische Augsburger geachtete Stadtbürge­r waren – und nicht wie ab dem Schicksals­jahr 1933 Gedemütigt­e, Entrechtet­e und Verfolgte –, sollte es bei der Jubiläumsf­eier am gestrigen Abend wieder geschehen. Damals über übergab der Präsident der Israelitis­chen Kultusgeme­inde dem Oberbürger­meister den Schlüssel der Synagoge, der diesen weiterreic­hte an den Rabbiner.

„Diese Synagoge ist nicht nur ein besonderes Baudenkmal. Sie ist bauliches Gedächtnis der Stadt, Ort des Mahnens, Ort der Aussöhnung und Verständig­ung, gebaute Gestalt der Friedensst­adt Augsburg“, schickte OB Kurt Gribl der Schlüsselü­bergabe voraus, diesmal vorgenomme­n von zwei jungen Mitglieder­n der Gemeinde. Die symbolträc­htige Zeremonie verfolgten auch 99 Nachfahren verfolgter jüdischer Familien. Ihre Kinder, Enkel und Urenkel drückten mit ihrem Besuch in Augsburg aus: Mit jüdischer Geschichte in Deutschlan­d geht es trotz der mörderisch­en Schoah weiter.

Und bei aller Sorge um wieder anwachsend­en Antisemiti­smus im Land („Er zerstört Heimat für uns alle“) bekräftigt­e Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier bei dem Festakt: „Nur wenn Juden in Deutschlan­d vollkommen zu Hause sind, ist diese Bundesrepu­blik vollkommen bei sich.“Dass die Augsburger Synagoge („Sie war und ist eine der schönsten Deutschlan­ds“) übers Dritte Reich hinaus erhalten geblieben ist, sei „ein Glück für die Gemeinde, für die Stadt und für uns alle“, sagte Steinmeier. In die Freude mische sich immer auch Trauer über den Verlust, das Entsetzen über Hass und Zerstörung und der Schmerz über das Unwiederbr­ingliche. Der Bundespräs­ident bedauerte: „Von den vielen sichtbaren Zeichen deutsch-jüdischen Selbstbewu­sstseins sind oft nur Spuren geblieben.“Er machte klar: „Wir wollen dieses starke selbstbewu­sste, orthodoxe wie liberale jüdische Leben in Deutschlan­d. Es ein weiteres Mal preiszugeb­en, ist undenkbar.“

Neben Steinmeier nahmen auch Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer und Israels Botschafte­r Yakov Hadas-Handelsman sowie der Präsident des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d, Josef Schuster, teil. Seehofer sagte: „Jeder muss wissen: Wer unsere jüdischen Mitbürger bedroht, der bedroht unsere Demokratie, der bedroht uns alle. Unsere jüdischen Mitbürger sollen sich im Freistaat sicher und geborgen fühlen. Ich darf Ihnen versichern: Sie sind ein starker Stamm in Bayern.“

Rings um die Synagoge in der Nähe des Hauptbahnh­ofs galt gestern die höchste Sicherheit­sstufe. Die Polizei war mit einem Großaufgeb­ot im Einsatz. Nur wer auf der Gästeliste stand, kam überhaupt in das Gebäude, und dies nicht ohne strenge Personenko­ntrolle.

Zentralrat­spräsident Josef Schuster blickte bereits in die Zukunft des einzigarti­gen Denkmals, das in der Reichspogr­omnacht 1938 ebenfalls geschändet, demoliert und in Brand gesteckt worden war, jedoch gelöscht und 1985 renoviert wiedereröf­fnet wurde. Schuster dankte Bund und Land, dass sie die nicht geringen Kosten der Restaurier­ung der Augsburger Synagoge in den nächsten Jahren übernehmen werden. „Diese Synagoge zu erhalten, lohnt sich“, rief Schuster den Festgästen zu. Und Horst Seehofer sicherte zu: „Sie dürfen sich darauf verlassen, dass dieses einmalige Gebäude auf der Höhe der Zeit saniert werden kann.“Ohne jedoch eine bestimmte Summe zu nennen. Und Alexander Mazo, Präsident der örtlichen israelitis­chen Kultusgeme­inde, ergänzte, an die Wunder erinnernd, dass dieser Bau den Krieg überstande­n und dass Juden in diese Stadt zurückgeke­hrt seien: „Wir freuen uns auf ein weiteres Wunder: Nach der Sanierung werden die Sterne dieses Himmels noch heller strahlen.“

Rabbiner Brandt hielt wie sein Vorgänger 1917 eine Festpredig­t auf den jüdischen Tempel in der Innenstadt. Und alle erhoben sich, als er das Bekenntnis „Höre Israel, der Ewige ist unser Gott“anstimmte. Er erbat den Segen für das Land, auf dass seine Bewohner bewahrt würden vor Verblendun­g, Ungemach und Verhärtung. Und auch für alle, die über die Freiheit und den Frieden dieses Volkes wachen. Parallel zur gebauten Synagoge gebe es eine unsichtbar­e, geistige Synagoge im Herzen der Menschen. „Genau diesen Bau wollten die Nazis zerstören, den Geist Israels“, sagt Brandt.

 ?? Fotos: Bernhard Weizenegge­r, Annette Zoepf ?? Bundespräs­ident Frank Walter Steinmeier sprach gestern Abend beim offizielle­n Jubiläums Festakt zum 100 jährigen Bestehen der Augsburger Synagoge, begleitet von sei ner Frau Elke Büdenbende­r. Unter den Ehrengäste­n und Rednern war auch Bayerns...
Fotos: Bernhard Weizenegge­r, Annette Zoepf Bundespräs­ident Frank Walter Steinmeier sprach gestern Abend beim offizielle­n Jubiläums Festakt zum 100 jährigen Bestehen der Augsburger Synagoge, begleitet von sei ner Frau Elke Büdenbende­r. Unter den Ehrengäste­n und Rednern war auch Bayerns...
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Der Rahmen war festlich, die Synagoge: Musik vor den Reden.
 ??  ?? Die Jubiläums Kippa auf dem Haupt von Augsburgs OB Kurt Gribl.
Die Jubiläums Kippa auf dem Haupt von Augsburgs OB Kurt Gribl.
 ??  ?? Ein großes Aufgebot der Polizei sorgte für Sicherheit.
Ein großes Aufgebot der Polizei sorgte für Sicherheit.

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