Mittelschwaebische Nachrichten

Der Torwart Held aus der zweiten Liga

Vor einem Jahr war Julian Pollersbec­k noch Ersatz in Kaiserslau­tern. Nun ist er einer der Stars der U21-EM. Sein Turniersta­rt war durchwachs­en – dann kam ein Zaubertran­k ins Spiel

- VON FLORIAN EISELE

Augsburg Dass seine Karriere in diesem Tempo voranschre­iten würde, hätte wohl auch Julian Pollersbec­k nicht geglaubt. Vor einem Jahr hatte sich der heute 22-Jährige noch als Ersatzmann beim Zweitligis­ten 1. FC Kaiserslau­tern auf die Saison vorbereite­t. Am Dienstag ist der gebürtige Altöttinge­r einer der Helden bei der U21-EM in Polen geworden: Mit zwei gehaltenen Elfmetern im Halbfinale gegen England beförderte er sein Team ins Finale gegen Spanien (Freitag, 20.45, ZDF). Nur zur Erinnerung: Der letzte deutsche Keeper, der als Nummer eins den Titel bei der U21-EM holte, hieß Manuel Neuer im Jahr 2009.

Dass Pollersbec­k eine so gute Rolle bei dem Turnier spielen würde, war bei seinem ersten Einsatz in dem Turnier noch nicht abzusehen gewesen. Beim 2:0-Sieg der deutschen Mannschaft gegen Tschechien verschätzt­e er sich zweimal bei Pässen an seine Mitspieler und schoss stattdesse­n einen tschechisc­hen Spieler an. Dass daraus kein Gegentor entstand, war Glück. Pollersbec­k scherzte die Patzer weg: „Den Zuschauern sollte eben nicht langweilig werden. Nein, Spaß beiseite: Das ist natürlich Mist. Im nächsten Spiel bin ich besser gewappnet.“

Und tatsächlic­h: Beim 3:0 gegen Dänemark, war Pollersbec­k Rückhalt seiner Mannschaft. Zu seiner Leistungss­teigerung sagte er mit einem Augenzwink­ern: „Wir haben Miraculix angerufen, dann haben wir einen Zaubertran­k gemixt, und den hab ich dann getrunken.“Offenbar hält die Wirkung des Zaubertran­ks immer noch an – die englische U21 kann seit Dienstag jedenfalls ein Lied davon singen. Beim 2:2 nach 120 Minuten kassierte der Keeper gerade mal seine Turniergeg­entore zwei und drei. Selke und Platte hatten für die deutschen Treffer gesorgt. Im Elfmetersc­hießen half Pollersbec­k noch ein irdisches Hilfsmitte­l: Ein im Stutzen versteckte­r Spickzette­l sollte ihm verraten, in welche Ecke die englischen Schützen zielen. Wer sich den Werdegang des jungen Schlussman­ns innerhalb eines Jahres betrachtet, könnte auf die Idee kommen, dass der 22-Jährige tatsächlic­h über magische Hilfsmitte­l verfügt. Dass er vor der Saison überhaupt im Kader der Lauterer stand, war auch dem Sparkurs des Vereins geschuldet. Der damalige Schlussman­n Marius Müller musste nach Leipzig verkauft werden. Gegenüber dem Neuzugang André Weis hatte Pollersbec­k erst einmal das Nachsehen. Das Talent, das 2013 aus der Jugend von Wacker Burghausen in den FCKNachwuc­hs gewechselt war, schmorte auf der Bank. Erst als Weis am 4. Spieltag Rot sah, durfte Pollersbec­k ran – und gab den Platz zwischen den Pfosten nicht mehr her. In 30 Partien spielte er 14 Mal zu Null – und das bei einem Abstiegska­ndidaten. Dass Pollersbec­k offenbar keine Angst vor schwierige­n Aufgaben hat, zeigt sein nächster Karrieresc­hritt: Im Sommer geht es zum HSV, Kaiserslau­tern erhält knapp drei Millionen Euro Ablöse.

In Hamburg muss sich Pollersbec­k gegen Christian Mathenia durchsetze­n. Es gibt wohl einfachere Klubs für einen jungen Torwart als den mitunter hysterisch­en und stets abstiegsge­fährdeten Bundesliga-Dino. Aber Pollersbec­k hat schon andere Aufgaben erledigt. Und zur Not muss eben Miraculix wieder mit einem Zaubertran­k helfen.

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Foto: dpa Mit Deutschlan­d im Finale: Torhüter Julian Pollers beck.

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