Mittelschwaebische Nachrichten
Bei Kammeltalern klingt es anders
Die Wettenhauser Sänger kleiden bekannte Volksmusik in ein neues Gewand. Warum auch ein Ensemble aus Unterelchingen mit auf der Bühne stand
Wettenhausen Das Motto „Volkslieder in neuem Gewand“warf sicher beim einen oder anderen Besucher des Jahreskonzerts des Gesangvereins „Kammeltaler“im Kaisersaal des Klosters im Vorfeld die Frage auf: „Bekomme ich die Lieder so zu Gehör, wie ich sie aus meiner Kindheit kenne, oder wurden sie derart verfremdet, dass sie mir gar nicht mehr gefallen?“Der Skeptiker wurde vom Gegenteil überzeugt. Gerade das „bisschen anders“brachte Dynamik und Spannung. Darüber hinaus garantierte der Gastchor aus Unterelchingen traditionelle Chormusik im „alten“Gewand.
Für den Nicht-Insider dürfte es die erste angenehme Überraschung des Abends gewesen sein, dass ein reiner Männerchor, heutzutage nicht mehr oft zu hören, aus Unterelchingen angereist war. Gegründet 1951 fand dieser, wie Elchingens Vorstand Konrad Dehm verriet, zu einer Stärke von 60 aktiven Sängern. Am Samstagabend standen noch 30 auf der Bühne, fast ausnahmslos ergraut und der eine oder andere musste sich von einem Kameraden die Stufen hinaufhelfen lassen. Doch was dann unter Leitung von Monika König aus den Kehlen kam, begeisterte. Es kam all das zur Geltung, was einen Männerchor auszeichnet und beliebt macht: der volle, sonore, dunkle und warme Klang. Behutsam wurden von den Bässen die Tiefen ausgelotet, und die Tenöre fanden in vielen hohen Passagen diszipliniert zu schöner Harmonie. Lieder, die Herz und Gemüt rührten („Waldesrauschen“, „Bei Nacht“), wechselten mit Scherzliedern („Lauf, Jäger lauf“oder „Hans bleib do“). Bei „Ein lustiges Leben“wurden die Zuhörer mit Klatschen eingebunden. Die Beiträge kamen hervorragend an und wurden nach begeistertem Applaus mit „Die Nacht ist von den Bergen gestiegen“romantisch abgerundet.
In einem „neuen Gewand“präsentierte der Gesangverein „Kammeltaler“seine Lieder. Manche hätten sich vorgestellt, erzählte Moderator Werner Mayer humorvoll, dass die 30 Sängerinnen und Sänger im neuen Outfit auftreten würden. Doch vielmehr bedeute der Titel, erklärte Mayer, dass die Lieder, die wir alle aus unserer Jugendzeit kennen, durch Variieren der Tonart, durch andere Taktwahl und rhythmische Finessen in ein neues Gewand gesteckt werden. Beispielhaft dafür war nach der musikalischen Begrüßung mit „Gut‘n Abend euch alle hier beisamm“das bekannte „Horch was kommt von draußen rein“. Umso mehr der unglücklich Verliebte in Depressionen verfiel, desto mehr glitt die Komposition ins Moll ab. Gleiches wiederholte sich anschließend in „Es freit ein wilder Wassermann“. Ein sehr originelles Arrangement gelang dem Dirigenten der Kammeltaler, Wolfgang Stainer, in „Schwaubamädla“, indem er Lieder und Stanzeln aus dem schwäbischen Raum zusammenführte, um die „liebenswerten“Schwächen der Schwaben aufs Korn zu nehmen.
Die letzten vier Liedvorträge befassten sich, wie Moderator Mayer scherzhaft zusammenfasste, mit der Natur („Wem Gott will rechte Gunst erweisen“), dem Wandern („Das Wandern ist des Müllers Lust“), einem landwirtschaftlichen Lohnunternehmer („Hab mei Wage vollgelade“) und der humorvollen Jagd („Jäger und Kuckuck“). Der Chor setzte alle Impulse des Dirigenten Stainer um: Er artikulierte herausragend, intonierte sauber und diszipliniert, ging bei humorvollen Textpassagen aus sich heraus, wechselte Tempi und Lautstärke spielend, meisterte chromatische Rückungen und fand stets zu harmonischem Klang. Es war verständlich, dass auch der Chor aus dem Kammeltal nicht ohne Zugabe davonkam: „Die Gedanken sind frei“dürften auch die Zuhörer mitsingen.
Dem Vorsitzenden des Gesangvereins Wettenhausen, Michael Hornung, stand in seinem Schlusswort die Freude über das gelungene Gemeinschaftskonzert ins Gesicht geschrieben. Er lüftete noch das Geheimnis, wie Chöre aus verschiedenen Landkreisen zusammenfinden: Die Frau des Unterelchinger Vorstands ist seine Cousine. Es wäre schön, wenn noch oft aus verwandtschaftlichen oder freundschaftlichen Beziehungen wertvolle und nachhaltige Ideen für viele Menschen entstehen würden.