Mittelschwaebische Nachrichten
Ein Tor zum Titel
Zwei Tage nach dem EM-Triumph der U21 lässt Joachim Löws Perspektivteam den Sieg bei der WM-Generalprobe folgen. Ein gutes Omen für 2018 ist das aber nicht
St. Petersburg Joachim Löws erfrischende Boygroup hat den deutschen Fußballsommer mit dem ersten Gewinn des Confed-Cup-Pokals vergoldet. Zwei Tage nach dem EM-Titelgewinn der U21-Junioren führte der Gladbacher Lars Stindl in der 20. Spielminute mit seinem dritten Turniertor das jüngste Team im Finale am Sonntagabend vor 57268 Zuschauern in St. Petersburg zum 1:0 (1:0) gegen Südamerika-Meister Chile. Nach einem Wackelstart nutzte das deutsche Team um den überragenden Sebastian Rudy seine erste Chance eiskalt und zitterte den Sieg am Ende über die Zeit. Ein Jahr vor der WM in Russland gelang dem Bundestrainer das Kunststück, auch ohne seine Promi-Weltmeister in nur vier Wochen ein Team von internationalem Format zu entwickeln. Jeder der 21 deutschen Akteure erhält vom DFB eine Erfolgsprämie von 50 000 Euro.
Der 21 Jahre alte Leipziger Timo Werner, der Stindl das Siegtor auflegte, gewann mit ebenfalls drei Toren und dazu zwei Vorlagen den Goldenen Schuh als bester Offensivakteur. Coach Löw hatte aus dem 1:1 beim Duell in der Gruppenphase seine Lehren gezogen und seine Startelf diesmal etwas offensiver formiert. Torjäger Timo Werner kam für Abräumer Emre Can ins Team, in der Abwehr ersetzte Antonio Rüdiger den Bayern-Neuzugang Niklas Süle. Doch wie zehn Tage zuvor offenbarte die DFB-Auswahl zu Beginn erneut bedenkliche Abwehrschwächen und lud die Chilenen durch leichte Fehler zu Chancen ein. Nach einem missglückten Pass von Lars Stindl rettete Rüdiger in höchster Not gegen den Leverkusener Charles Aranguiz, den anschließenden Schuss von Arturo Vidal entschärfte Marc-André ter Stegen (3.). In der ersten Viertelstunde gelang den Deutschen kaum etwas in der Offensive, obwohl sie diesmal eigentlich selbst mehr das Geschehen bestimmen wollten. Das Team von Trainer Juan Antonio Pizzi versäumte es jedoch, seine anfängliche Überlegenheit in eine Führung zu verwandeln. Nach ter Stegens leichtem Patzer, als er einen VidalSchuss zu kurz nach vorn abwehrte, traf der umworbene Arsenal-Topstar Alexis Sanchez den Ball nicht richtig (19.). Im Gegenzug zeigte das DFB-Team dann, wie eiskalte Chancenverwertung geht. Der einstige Hamburger Relegationsheld Marcelo Diaz verlor am eigenen Strafraum den Ball, allein vor Chiles Halbfinal-Matchwinner Claudio Bravo bediente Werner den freien Stindl, der nur noch ins leere Tor einschieben musste – 1:0. Die Chilenen reagierten wütend, doch mit der Führung im Rücken stabilisierten sich die Löw-Schützlinge und ließen nun weniger zu. Rudy profilierte sich erneut als ruhiger Gestalter in der Zentrale, auch Leon Goretzka fand immer besser in die Partie. Der Schalker hatte vor der Pause zweimal das 2:0 auf dem Fuß. Zunächst verzog er nach Rudys feinem Zuspiel (36.), dann scheiterte er aus spitzem Winkel an Bravo (45.).
Kapitän Julian Draxler, wie im gesamten Turnier nicht völlig überzeugend, hatte nach feinem Solo Pech, dass sein Schuss noch abgefälscht wurde (55.). Kurz darauf zofften sich die Bayern-Profis Vidal und Joshua Kimmich, beide sahen Gelb und verzichteten danach auf einen versöhnlichen Handschlag. Es blieb hitzig. Nach Gonzalo Jaras Ellbogenschlag gegen Werner griff der Videoschiedsrichter ein, doch der serbische Referee Milorad Mazic beließ es nach dem Studium der Bilder bei Gelb – eine fragwürdige Entscheidung. Mit Wut im Bauch warfen die Chilenen nun noch einmal alles nach vorn. Rudy rettete gegen Alexis Sanchez (73.), dann parierte ter Stegen einen Schuss von Eduardo Vargas (74.). Angelo Sagal schoss kurz darauf über das leere Tor (84.), ehe wieder ter Stegen einen Freistoß von Sanchez hielt (90.+5). Dann war es für die entkräftete DFB-Auswahl geschafft. Nur eins gibt im Jubel um den Premierentitel beim WM-Testlauf zu denken: Noch nie wurde ein Confed-Cup-Sieger danach auch Weltmeister. (dpa)
Eigentlich ist es nie zu früh für eine Bilanz. Das denken sich jedes Jahr schon im November die TV-Sender, die die Zuschauer daraufhin mit einem Jahresrückblick beglücken. Und das dachte sich offenbar auch Julian Draxler, der Aushilfskapitän der deutschen Nationalmannschaft. In einem offenen Brief, der auf der Homepage des Deutschen Fußball-Bundes veröffentlicht wurde, tut der 23-Jährige kund, was er vom russischen Gastgeber und dem gestern dort zu Ende gegangenen Confederations Cup hält. Ohne Übertreibung lautet sein Fazit: Ist super gelaufen.
In dem Text, der mit „Herzlich! Julian Draxler“endet, singt der Mittelfeldspieler geradezu Lobeshymnen auf die russischen Gastgeber. Unter anderem sind dort Sätze zu lesen wie: „Man sagt, der Confed Cup sei ein Testlauf für die WM. Nach drei Wochen können wir sagen: Russland hat den Test mit Bravour bestanden“oder: „Wir haben versucht, zum russisch-deutschen Verhältnis auch jenseits der vier Eckfahnen einen Beitrag zu leisten“. Zum Ende hin wird es noch richtig sentimental: „Wir sagen Dankeschön. Wir sagen Spasiba und Doswidanja. Und freuen uns schon heute auf unsere Rückkehr im Sommer 2018.“
Sapperlot! Draxler, der abseits des Platzes bislang vor allem durch sein Wechseltheater zu Paris St. Germain und seinem Ibiza-Trip samt Fremdbusserln kurz vor Turnierstart aufgefallen ist, hat in Russland offenbar eine Wandlung zum Staatsmann erfahren. Während seine Mitspieler die Mannschaftsabende an der Playstation verschwendeten, darf man sich Draxler im Mondschein von Sotschi auf seinem Hotelzimmer vorstellen, um die treffenden Formulierungen ringend.
Manche mögen ihm nun unterstellen, dass lediglich sein Name und der Satz „es schien immer die Sonne“von ihm selbst stammen, während der Rest von der Presseabteilung des DFB zu einem Heranwanzen an die russische Staatsregierung zusammengeschrieben wurde. Wer das sagt, hat aber nichts verstanden. Ist halt alles nicht so einfach mit der großen Politik.
Wir sagen jedenfalls Dankeschön. Und wir sagen Spasiba (Dankeschön) und Doswidanja (auf Wiedersehen). Herzlich!